BASISWISSEN zum Thema BEISTAND
ZUSAMMENFASSUNG der wichtigsten Sachstände
Sowohl vor den Ämtern als auch vor den Familiengerichten (AG und OLG!) kann man sich von einem Beistand begleiten lassen.
Vor den Ämtern muss das auf jeden Fall zugelassen werden, wenn man allein auftritt. Ist der Elternpartner mit dabei, kann das auch aus Datenschutzgründen abgelehnt werden.
Vor den Familiengerichten ist in allen Fällen, in denen es um Geld geht, die Vertretung durch einen Anwalt Pflicht. In allen anderen Angelegenheiten besteht sowohl vor dem AG als auch vor dem OLG keine Anwaltspflicht.
Sowohl mit als auch ohne Anwalt ist die Begleitung durch einen Beistand möglich, kann aber durch das Gericht auch abgelehnt werden.
Gesetzlich ist geregelt, dass jede Person sich im familialen Verfahren sowohl vor den Ämtern als auch vor Gericht (Ausnahme: alle Angelegenheiten, in denen eine Entscheidung mit Finanzen zu tun hat) durch einen Beistand begleiten lassen kann.
Die Unterstützung durch einen Beistand bei den Ämtern (Jugendamt, aber auch Schule oder Kindergarten) ist in § 13 SGB X, Absatz 4 (10. Sozialgesetzbuch) geregelt:
- 13 SGB X Bevollmächtigte und Beistände
(4) Ein Beteiligter kann zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit dieser nicht unverzüglich widerspricht.
Diese Möglichkeit wird wenig genutzt, ist auch in den Jugendämtern kaum bekannt und auch nicht gerade populär, weil sich die gesamte familiale Intervention einschließlich der Familiengerichte in der Abgeschlossenheit des familialen Verfahrens unter Ausschluss jeder Öffentlichkeit bequem eingerichtet hat. Es gibt keine Kontrolle und jede Kritik kann mit dem Argument der emotionalen Betroffenheit des Unterlegenen vom Tisch gefegt werden. Kommt ein Beistand hinzu, der persönlich nicht betroffen ist, gibt es damit ein kleines Tor zur Öffentlichkeit, was Mitglieder der Professionen, die sich gerne in der Abgeschlossenheit durch Verbergen schützen wollen, nicht gerade gerne sehen.
Insgesamt kann man feststellen, dass die Begleitung durch einen guten und fachlich kompetenten Beistand (jede eigene Betroffenheit macht befangen und mindert zunächst die Qualität der Hilfe- und Beratungskompetenz!) die Professionen an ihre Ressourcen erinnert und damit auch bestmögliche Leistung provoziert.
Im Dialog mit den Professionen ist es wichtig, einen Berater an der Seite zu haben, der die eigene Betroffenheit kennt und der den dadurch entstandenen Tunnelblick weitet. Außerdem ist das sozialpädagogische, sozialpsychologische und familiale Inventar der dort verwendeten Fachsprache für den Laien oft nicht durchschaubar. Hinzu kommt, dass es in diesem Fachbereich bestimmte Triggerelemente gibt, deren Funktion für den Laien ebenfalls nicht vorhersehbar ist. So gibt es Begriffe, die geeignet sind, sich selbst zu schädigen („mein“ Kind, „mein Recht“) oder auch Begriffe und Haltungen, die positiv konnotiert sind („stetiges Bemühen um konsensuale Elemente in der Elternkommunikation“).
Ein Beistand stellt den Filter dar, der die Übersetzung der eigenen Haltungen in die Fachsprache leistet und der die betroffene Person für die Kontakte mit der familialen Intervention coacht.
Die Begleitung durch einen Beistand vor dem Familiengericht ist für alle Verfahren in Sachen Umgang und Sorge möglich und ist geregelt durch § 12 FamFG (Gesetz zur Freiwilligen Gerichtsbarkeit in Familiensachen):
§ 12 Beistand
Im Termin können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten das Verfahren selbst betreiben können, als Bevollmächtigter zur Vertretung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. … Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.
Auch diese Möglichkeit ist relativ wenig genutzt (weil sich kaum jemand den entsprechenden Aufwand auf ehrenamtlicher Basis antut und weil auch wenige Personen dazu fähig und geeignet sind).
Der Umgang der Familiengerichte und der einzelnen Richterpersönlichkeiten mit dieser Möglichkeit ist unterschiedlicher als die Phantasie dies möglich erscheinen lässt.
Ein schriftlicher Antrag auf Zulassung eines Beistandes ist nicht notwendig, weil auch nicht per Beschluss entschieden werden muss. Das Gericht stimmt zu – oder auch nicht. Ein souveräner Richter wird dies auch souverän entscheiden. RinterInnen ohne ausreichend Souveränität fragen zuerst einmal alle Beteiligten, was sie denn von etwas halten, was sie selbst noch nie erlebt hatten.
Im Verfahrenstermin ist auch möglich, dass der Richter/die Richterin den Beistand zwar im Termin anwesend sein und diesen auch mit argumentieren lässt, ihn im Protokoll aber verschweigt und auch keinen Beschluss dazu erlässt.
Es kam auch schon vor, dass ich zusätzlich zur anwaltlichen Vertretung dabei sein durfte – aber nur als stiller Zuschauer.
Ich habe auch schon erlebt, dass eine Richterin aus Hilflosigkeit der Situation gegenüber den Verfahrenstermin kurzerhand für öffentlich erklärte, was eigentlich nicht möglich ist.
Aber die Spielräume im familialen Verfahren sind so immens, dass man diese Erkenntnis durchaus auch für sich nutzbar machen kann.
RichterInnen suchen in Sachen Beistand nach §12 FamFG den Konsens unter den Beteiligten und fragen deshalb meist in der Runde nach, ob Einverständnis besteht. Das gibt eigentlich der §12 nicht her – ist aber familienrechtstypisch.
Inzwischen lasse ich die Partei, die mich als Unterstützung anfordert, nicht mehr einen Beschluss zur Zulassung beantragen, sondern lasse meine Mitwirkung im Verfahren nur ankündigen. Falls die Entfernung zum Gerichtsort größer ist, lasse ich erklären, dass die Erklärung der Akzeptanz bei der Entfernung entsprechende Sicherheit schafft.
Die Aufgabe von Anwalt und Beistand sind deutlich voneinander abgegrenzt.
Während die anwaltliche Vertretung hauptsächlich die juristischen Aspekte abdeckt, betreut der Beistand die Bereiche psychologische Unterstützung und Coaching im Hinblick auf einen konstruktiven Verfahrensablauf. Außerdem kann der Beistand (bei entsprechender Qualifikation) auch die sozialpsychologischen und sozialpädagogischen Aspekte mit berücksichtigen.
Deshalb entschied ein Berliner Kammergericht zu Zeiten der Gültigkeit des §90 ZPO (Vorläufer des §12 FamFG) die Möglichkeit der gleichzeitigen Vertretung durch Anwalt und Beistand.
KG Berlin, 17 WF 118/01 vom 19.04.2001, Zitat:
„Nach § 90 Abs.1 ZPO kann sich eine Partei, sofern kein Anwaltszwang vorliegt, eines Beistandes bedienen. Wenn auch der Gesetzeszweck und die Systematik dafür spricht, dass hiermit die Befugnis geregelt werden soll, sich anstelle eines Anwaltes eines Beistandes zu bedienen, so ist dieses Parteienrecht jedoch nicht hierauf beschränkt; vielmehr kann sich eine Partei auch neben einem Anwalt eines Beistandes bedienen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO,22.Auflage Rdz.1 zu § 90).“
Analog findet diese Entscheidung nach der Einführung des FamFG Verwendung.
RichterInnen schaffen ungern Disbalancen und brauchen deshalb Erklärungen, warum eine Partei unbedingt mit zwei Unterstützenden auftreten möchte. Entsprechende Kreativität bei der Ankündigung ist also angebracht.
Ich selbst erlebe bei inzwischen etwa 50 Einsätzen jährlich als Beistand an Familiengerichten in der gesamten Bundesrepublik im Schnitt eine (1) Abweisung durch das Gericht, was einen Faktor von 2% ausmacht. In den seltensten Fällen ist es geraten, dagegen vorzugehen.
Auch in solchen Fällen gibt es die unterschiedlichsten Handlungsweisen der Gerichte.
Es gibt Gerichte, die soweit ideologisiert sind, dass es (fast) keine Möglichkeit gibt, gegen eine Abweisung vorzugehen. Ist die Richterin Mitglied im djb oder ist nahe am VAMV oder „Frauen helfen Frauen“, hat die Abweisung die Qualität von Stahlbeton. Dann hilft nur noch Öffentlichkeit im Rahmen von Fachtagungen, Kongressen und Konferenzen. Tischgespräche am Rande solcher Ereignisse sind der geeignete Rahmen.
Bestimmte Richter, die ihre Stellung direkt unter der göttlichen Autorität ansiedeln, neigen ebenfalls dazu, Beistände pauschal abzulehnen.
Sollte das Gericht schon einmal negative Erfahrungen mit einem grottenschlechten Beistand gemacht haben, schlägt dies natürlich ebenfalls auf die Bereitschaft durch, den nächsten Beistand zu akzeptieren. Da Beistand jeder sein kann, kommt es schon vor, dass unfähige Beistände am Werk sind.
RichterInnen neigen auch teilweise dazu, die Bedingungen des §10 und des §12 FamFG zu vermischen, was unzulässig ist. Ein Beistand als „andere Person“ nach §12 muss z.B. keine „persönliche Nähe“ zur Partei aufweisen.
Manche RichterInnen meinen trotzdem, dass dies gegeben sein müsste und wollen nicht verstehen, dass gerade die persönliche Nähe kontraproduktiv ist. Sie verstärkt die emotionale Komponente, die sich immer kontraproduktiv auswirkt. §12 meint dagegen „Sachdienlichkeit“. Diese ist dann gegeben, wenn der Beistand Fähigkeiten aufweist, die das Verfahren konstruktiv beeinflussen.
Außerdem gibt es RichterInnen, die meinen, dass das in §12 geforderte „Bedürfnis“ so gemeint sei, dass sie selbst dieses Bedürfnis verspüren müssten. Dabei ist eindeutig allein das Bedürfnis der Partei, die eine Begleitung durch einen Beistand wählt, gemeint. Aber auch RichterInnen sind manchmal bauchgesteuert und machen ihre eigene Befindlichkeit zum Gradmesser ihrer Entscheidungen.
Hin und wieder wählte ich schon die Möglichkeit, die Richterin/den Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Meist führt dies nicht zum Erfolg und verzögert den Ablauf nur. Es kommt also darauf an, ob eine Verzögerung für die eigene Partei vorteilhaft sein könnte oder nicht.
Ich habe aber auch schon erlebt, dass die Befangenheitsrüge zwar nicht erfolgreich war, das OLG aber wohl intern einen Hinweis an das vorher ablehnende Gericht gab, das Ganze nicht so eng zu sehen. Der Auftritt als Beistand beim nächsten Verfahren funktionierte dann.
Ein Beistand muss nicht per Beschluss zugelassen werden. Es genügt, wenn er einfach geduldet wird.
Wird der Beistand durch die Gegenseite oder vom Verfahrensbeistand abgelehnt, der Richter neigt aber dazu, zuzulassen, wird er meist dazu aufgefordert, per Beschluss zuzulassen. Jeder Versuch bisher, dagegen einen solchen Beschluss vorzugehen, wurde in meinem Fall von allen OLGs abgewiesen.
In einem Fall ging ein Gegenanwalt in Sachen der Ablehnung meiner Mitwirkung als Beistand bis zur Eingabe beim BVerfG, was durch Nichtannahme entschieden wurde.
Ich habe sogar erlebt, dass ein OLG mich schon im Vorfeld durch geeignete Hinweise gegen einen schrägen Gegenanwalt geschützt und signalisiert hat, dass es mich als Beistand mit im Boot haben möchte. Das kommt aber sicher daher, dass ich inzwischen als Beistand mit über 700 Verhandlungsterminen an über 100 Familiengerichten bekannt bin und viele Richter wissen, mit was sie zu rechnen haben.
Selbst im Fall einer Abweisung ist es möglich, vor der Tür zu sitzen und in Entscheidungssituationen zur Beratung zur Verfügung zu stehen. Der klassische Fall ist natürlich die Entscheidung, welchen Kompromiss in Form einer Vereinbarung man noch zuzulassen bereit ist und wann man einen Beschluss haben möchte.
Ansonsten ist man prinzipiell im Freiflug – es gibt keine Sicherheit.
Ein Beistand ist auch nicht vertretungsbefugt und nur im Beisein der unterstützten Partei einsatzfähig. Er ist auch nicht schriftsatzberechtigt.
Ich muss davor warnen, Schriftsatzberechtigung anzufragen. Man belädt sich in diesem Fall mit Verantwortlichkeiten, die man nicht tragen kann, weil die berufliche Versicherung im Fall eines Fristversäumnisses oder einer nicht nachweisbar erfolgten Weitergabe von Schriftsätzen fehlt. Da Beistände auch nicht über VKH bezahlt werden können, ist diese Arbeit im Grundsatz ehrenamtlich.
Das Problem, dass ein guter Beistand die Befähigung einer Person aufweisen muss, die im Schnitt mit 200 Euro Stundenlohn bezahlt wird, dies aber bereit sein muss, ehrenamtlich zu leisten, ist wohl auch der Hauptgrund dafür, dass sich dies selten jemand antut.
Ich sehe meine Aufgabe als Beistand darin, den Mittler zwischen der betroffenen Partei und den Professionen darzustellen. Meine vorrangige Leistung besteht darin, die Partei „verfahrensgerecht aufzustellen“.
Dazu gehört auch eine klare Aufgabenteilung:
Die Partei konzentriert sich ausschließlich auf die für sie positiven Elemente (Blick auf das Kind und Wirksamkeit der eigenen positiven Förderkompetenzen für das Kind), der Beistand übernimmt den Rest.
Das funktioniert aber nur, wenn der Beistand mit seinen ersten Sätzen die richtigen Inhalte und den richtigen Ton trifft. Fachlichkeit ist der Schlüssel für die Mitwirkung auf Augenhöhe.
Jede persönlich betroffene Person ist für sich selbst der schlechteste Berater oder Anwaltsersatz, weil die eigene emotionale Betroffenheit den Blickwinkel einschränkt und weil die impulsive Reaktion auf Angriffe keinen Raum lässt für die Beachtung von Spielräumen oder Lösungsmöglichkeiten. Deshalb sollte auch keine schriftliche Reaktion auf schriftliche Äußerungen der Gegenseite ohne eine Kontrolle von außen erfolgen. Selbst eine SMS ist geeignet, im gerichtlichen Verfahren gegen einen verwendet zu werden.
So muss JEDE schriftliche Äußerung eine Werbung in eigener Person für die eigene Elternrolle sein. Das kann aber nur durch einen Filter von außen erreicht werden.
Zur Akzeptanz von Beiständen gibt es einen eigenen Artikel.
Grundlagen zur Beistandstätigkeit:
Zur Rolle und Bedeutung des VAfK-Beistandes bei Regelungen zum Umgangs- und Sorgerecht
28. November 2003
Der Beistand im familiengerichtlichen Verfahren
1. Oktober 2009
Zum Einsatz als Beistand nach §12 FamFG:
Beistandsaktionen im Oktober und November 2016
27. November 2016
Beistandsaktionen im Jahr 2018
31. Dezember 2018
Beistand an Familiengerichten 2010 – 2019
20. März 2020
Familiengerichte und Beistandspraxis
Ablehnung eines Beistandes