Sehr geehrte Frau Gerber,
ich freue mich sehr, dass Maria ihre Therapie fortsetzen kann. Um die entstandenen Spannungen zwischen Ihnen und mir zu klären, habe ich mich entschieden, Ihnen einige meiner Gedanken mitzuteilen. Beim Erstgespräch mit Ihnen hatten Sie mich gebeten, Ihrer Tochter zu helfen, um eine notwendige Stabilität für Sie zu erreichen. Von der 1. Sitzung mit Maria bis zur letzten Sitzung bin ich dieser Aufforderung gewissenhaft gefolgt. In dieser konflikthaften Situation zwischen Ihnen und Ihrem Exmann war es meine Hauptaufgabe, für das Kindeswohl Ihrer Tochter zu sorgen.
Dies beinhaltet nach geltendem Gesetz, dass ich den Vater des Kindes einbeziehen muss. In den ersten 3 Sprechstunden waren Sie immer anwesend und ich dachte, dass Ihre Tochter aufgrund ihrer Unsicherheit Ihre Unterstützung brauchte. Es hatte sich jedoch sehr schnell herausgestellt, Maria hatte die Sitzungen zu zweit genossen.
Im weiteren Verlauf zeigte Maria großen Bedarf nach gemeinsamen Spielen in Form von Malen, Kartenspielen und Brettspielen. Sie war dabei erleichtert, zufrieden und zugänglich. In meiner Wahrnehmung hatte ich damals ein 10jähriges Mädchen erlebt, das mit aller Kraft zeigen wollte, „Ich bin noch ein Kind“. Als Sie ihr den Auftrag gaben, die Sitzungen bei mir mit dem Handy aufzunehmen, war sie sehr überfordert und verunsichert. Um den entstandenen inneren Konflikt nicht mehr zu spüren, handelte Maria gegen die Erwartungen von Ihnen und inszenierte die Situation so, dass ich schnell die Belastung für Ihre Tochter beenden konnte, indem ich direkt ins Handy sprach. Danach schaltete Maria das Handy entlastet aus. Ich dachte, ob Ihnen wohl bewusst war, wie Sie gehandelt hatten und welche Folgeschäden Ihre Tochter entwickeln könnte. Weiterhin hatte ich mir überlegt, was hatten Sie früher erlebt, dass Sie heute als Mutter so handeln? Kinder mit getrennten Eltern können sich trotz allem gut entwickeln, jedoch nur, wenn beide Elternteile über Bindungstoleranz verfügen. Ich beobachte bei Ihnen seit Monaten eine fehlende Bindungstoleranz.
Deshalb versuchen Sie durch Inszenierung, Manipulation und Bedrohung Ihre Ziele zu erreichen (BGB §1666). Wenn Sie die Elterngespräche als Mutter allein bei mir wahrnehmen, bin ich bereit, Ihnen in Form einer Psychoedukation zu helfen. Mit Hilfe der Modellerklärung der Bindungstoleranz und Parentifizierung möchte ich Ihre Mentalisierungsfähigkeit anregen, damit Sie Schutzgedanken für ihre Tochter vor Ihrer Emotionalität als Mutter entwickeln. Das Wichtigste für Sie ist, zu verstehen, dass Maria eine eigenständige Person mit einem eigenen Innenleben ist.
Ich hoffe, Sie erinnern sich an die Sitzung, in der Maria Sie fragte, „Mama, warum ist Papa so…“. Sie hatten ausführlich die Misshandlungen durch den Großvater vs. an Marias Vater beschrieben. Während Ihrer Erzählung bekam Ihre Tochter eine Weinattacke. Sie wiederholte mehrmals unter Tränen die Frage, „Warum hat Opa meinen Papa geschlagen?“ Die Szene zeigte deutlich, dass Maria immer noch eine starke Bindung zu ihrem Vater hat. Bestimmt hatten Sie sich nach dieser Sitzung auch Ihre Gedanken gemacht.
Sie inszenieren seit längerer Zeit eine emotionale Wirklichkeit für Ihre Tochter, in der sie nur Hass gegen ihren Vater empfinden soll. In dieser besagten Sitzung zeigte Maria, dass ihre Bindung zum Vater stärker ist als Sie dachten. Das bedeutet weiterhin, ihre Tochter verfügt über starke emotionale Strukturen, die nicht einfach zu zerstören sind. Dies sollten Sie respektieren, weil Maria sonst ihre vorhandenen Ressourcen verliert.
Ich freue mich auf Maria und eine gute Zusammenarbeit, auch mit Ihnen, weil Sie mir den Auftrag gaben, Ihre Tochter zu stabilisieren.
Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Freundliche Grüße
Psychologische Psychotherapeutin
Zuschrift eines Vaters:
Guten Morgen Franzjörg,
kannst Du Dich entsinnen? Ich hatte an Deiner Umfrage zum Thema Therapie teilgenommen….
Als ich eben Deinen Hinweis zu diesem Thema auf FB gesehen habe, musste ich an meinen Sohn denken. Exakt dasselbe spielt sich hier ab. Erst diese Woche hatten wir wieder ein Email-Ping-pong bezüglich der einmaligen Verlängerung des Umgangs um einen Tag, damit die Kids zu meinem Geburtstag bei mir sein können. Es wäre in unserem Bundesland ein Feiertag und ich hätte auch an diesem Tag schichtfrei. Die Antwort kannst Du Dir ja vorstellen. Aber abgesehen von der Tatsache, dass die Mutter so simple Wünsche der Kinder nicht erfüllen will, fing sie wieder damit an, das der Junge eine Therapie brauche. O-Ton der Therapeutin war aber: Er benötigt keine Therapie, wenn überhaupt kann man dem Kind nur Handreichungen geben, mit Situationen umzugehen. Er ist nicht der Patient, er ist nur Symptomträger. Diese Situationen haben einen klaren Auslöser, was ich der Mutter dann in der letzten Mail mitgeteilt habe. Sie solle sich besser erstmal selbst in Therapie begeben. Wir können dann über weitere Schritte sprechen. Bevor sie aber nicht ihre eigenen Dämonen therapiert, wird es keine Besserung geben. Wie immer – auf sowas bekommt man keine Antwort.
Gruß und einen schönen Sonntag.
P.s.: Danke für solchen Input, es ist gut zu wissen, dass meine Beobachtung und meine Gedanken zu unserem Sohn doch nicht so falsch sind.