DIE ÜBERWINDUNG DES GESCHLECHTERPARADIGMAS:
NEUE PERSPEKTIVEN ZU INTERPARENTALEN KONFLIKTEN, HÄUSLICHE GEWALT UND VATERSCHAFT NACH DER TRENNUNG
Edward Andrew Kruk
Übersetzung: Franzjörg Krieg
Vorwort des Übersetzers
Die Übertragung von Aufsätzen, in denen Modelle von Elternschaft nach einer Trennung diskutiert werden, aus dem Umfeld eines anderen Landes ins Deutsche, ist mit einer tiefgreifenden Problematik konfrontiert:
Sowohl die gesetzlichen Regelungsmuster und Lösungsstrukturen als auch die wissenschaftliche Durchdringungstiefe der Themen sind in verschiedenen Ländern extrem unterschiedlich. Es gibt nicht nur völlig unterschiedliche Begriffe, sondern es ist auch immer wieder unmöglich, einen Begriff aus einer anderen Sprache abäquat ins Deutsche zu übersetzen, weil die Behandlungskonstrukte in anderen Ländern anders geregelt sind als in Deutschland.
Während es z.B. um englischsprachigen Raum die Begriffe „legal custody“ und „physical custudy“ gibt, bedeutet die Übersetzung von „custody“ mit „Sorge“ zwar bei der legal custudy in etwa dasselbe wie in Deutschland, während pysical custody eher das meint, was wir in Deutschland mit „Umgang“ bezeichnen, also die gelebte oder praktizierte Sorge. Diese hat aber juristisch einen völlig anderen Stellenwert als das, was in USA mit phyical custody bezeichnet wird.
„Sorge“ und „Umgang“ sind in Detuschland zwei verschiedene „Sachen“ vor Gericht. Es gibt Väter mit vollem Gemeinsamem Sorgerecht, die aber ihr Kind schon seit Jahren nicht gesehen haben.
Im Hintergrund steht die gesetzgeberische Vorstellung (Ideologie), die festlegt, was allein im Familienrecht möglichst „weich“ und ausdeutbar („Kindeswohl“) bleibt und was ins Strafrecht übernommen wird. In Deutschland kommen nur die Deliktmuster, die typisch für entsorgte Väter sind, bzw. diesen zugewiesen werden, ins Strafrecht, während alle typischen Verfehlungen auch schwerer Natur, die vornehmlich von Müttern verbrochen werden, allein im Familienrecht verbleiben.
Während Umgangsboykott in Deutschland als typisch weibliches „Kavaliersdelikt“ behandelt wird und Mütter geradezu dazu aufgefordert werden, das Kind dem Vater vorzuenthalten, gelten beim Grenzübertitt nach Frankreich völlig andere Regeln. Die Verortung von Umgangsboykott im Strafrecht gibt unmittelbar der Polizei die Möglichkeit, einzugreifen, weshalb Umgangsboykott in Frankreich kein Thema ist.
Für das, was in USA mit „Shared Parenting“ bezeichnet wird, gibt es keine adäquate Übersetzung. „Geteilte Elternschaft“ wäre eine nur hinreichende Übersetzung, die nicht das besagen würde, was im Amerikanischen damit gemeint ist. Und alle Übersetzungen mit Bezug auf die deutsche Realität, würden in die Irre führen.
Im Deutschen würde man „Wechselmodell“ meinen, aber das, was in Deutschland als Wechselmodell bezeichnet wird, ist sowohl rechtspraktisch als auch von der Wertigkeit weit von dem entfernt, was „shared parenting“ im Amerikanischen meint. Alle Versuche, „shared parenting“ zu übersetzen, müssen also nur Annäherungsversuche an den Begriff bedeuten.
Somit muss die Übersetzung des Artikels von Edward Kruk mit dem Makel des Annäherungsversuchs behaftet bleiben.
Ich habe mich trotzdem bemüht, mich der initialen Idee des Artikels soweit wie nur möglich anzunähern.
Englischsprachige Begrifflichkeiten |
Deutschsprachige Begrifflichkeiten |
family violence (Überbegriff) |
Häusliche Gewalt (Überbegriff) |
interparental conflict |
Eltern-Konflikt |
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Innerfamiliäre Gewalt (Gewalt unter Verwandten – Unterbegriff) |
intimate partner violence (IPV) |
Gewalt in engen sozialen Bindungen, Beziehungsgewalt |
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Partnerschaftsgewalt (Gewalt in Intimbeziehungen) |
situational couple violence |
(situationsgebundene Partnergewalt) |
separation-instigated violence |
(Gewalt in Trennungssituationen) |
physical violence |
körperliche Gewalt |
coercive control |
Kontrollzwang |
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legal custody |
Sorgerecht (juristisch) |
physical custody |
Praktizierte Sorge („Umgang“) |
shared parental responsibility |
Geteilte elterliche Verantwortung |
fathering |
„Be-Vaterung“ |
shared parenting |
geteilte gemeinsame elterliche Verantwortung und Betreuung als Fortführung desssen, was vor der Trennung kindbezogen gemacht wurde (Elternebene). |
In Deutschland besteht die ideologische Bestrebung, Gewalt allein als männlich zu konnotieren und Frauen ausschließlich als Opfer wahrnehmen zu wollen.
Das führt dazu, dass das Phänomen GEWALT nicht untersucht und wissenschaftlich durchdrungen werden darf.
Als die „Pilotstudie“ des Bundesfamilienministeriums zur Viktimisierung von Männern im Jahr 2005 erbrachte, dass jeder 4. Mann in seinem Leben schon einmal Gewalt durch eine Partnerin erfahren hatte, dass also Männer derselben Viktimisierungsrate wie Frauen unterworfen sind, wurde das Kapitel „Umfassende Gewaltstudie“ politisch geschlossen. Seither wurde das Gewaltschutzgesetz – wie schon bei der Experten-Anhörung dazu vor den Bundestagsausschüssen vorhergesagt – dazu missbraucht, Szenarien zu schaffen, die angeblich beweisen, dass Gewalt ausschließlich männlich sei.
Dieser Missbrauch blüht ganz besonders in Trennungsszenarien, in denen das geschlechtsbezogene Gewalt-Narrativ bis ins Absurde missbraucht wird. Dieser Staat gibt Milliarden dafür aus, Väter von den Kindern fernzuhalten, sie in „Tätertherapien“ gefügig zu machen, sie in Begleiteten Umgängen nur marginal und unter Bewachung am Kind teilhaben zu lassen, sie durch Gutachten regelrecht zu schlachten und viele weitere Methoden mehr, Väterlichkeit zu verachten und zu marginalisieren.
Der einzige Versuch, dem Gewalt-Phänomen im Kontext familiengerichtlicher Auseinandersetzungen näher zu kommen, wurde von Uli Alberstötter unternommen. Seine Gedanken greifen das auf, was in amerikanischen Untersuchungen zum Thema schon lange formuliert wird. Die Begriffe „situational couple violence“ und „separation-instigated violence“ werden in diesem Kontext mit Inhalt gefüllt und von dem abgegrenzt, was allgemein als „Häusliche Gewalt“ bezeichnet wird und wie es bestimmte Gruppen vor Gericht immer noch behandelt wissen wollen.
Doch nun zur Übersetzung des Artikels von Edward Kruk.
ZUSAMMENFASSUNG
Dieser Artikel konzentriert sich auf die Schnittstellen der Themen interparentale Konflikte, Häusliche Gewalt und Vaterschaft nach einer Trennung der Eltern. Wir überprüfen die wichtigsten Forschungsergebnisse zu diesen Schnittstellen, einschließlich der allgemeinen Forschung zu Häuslicher Gewalt sowie der Forschung zu Gewalt in der Familie nach der Trennung der Eltern. Anschließend untersuchen wir die Kernkomponenten einer verantwortungsvollen Beteiligung des Vaters am Leben der Kinder nach einer elterlichen Trennung, einschließlich der gemeinsamen elterlichen Verantwortung („Shared Parenting“) für die Kinder – im Licht dieser Erkenntnisse. Abschließend werden Empfehlungen für sozialrechtliche Reformen sowie für die therapeutische Praxis diskutiert, die auf die Verringerung interelterlicher Konflikte und die Prävention Häuslicher Gewalt während und nach der elterlichen Trennung abzielen, um Vätern die Möglichkeit zu geben, die elterliche Verantwortung im besten Interesse der Kinder und der Familie nach der Trennung zu teilen.
Schlüsselwörter: Vaterschaft, familiäre Gewalt, interparentaler Konflikt, elterliche Trennung, gemeinsame Elternschaft
EINLEITUNG
Die Debatten über die Überschneidung von interparentalen Konflikten, Häuslicher Gewalt, Gewalt durch Intimpartner (IPV) und Vaterschaft nach einer Trennung gehören zu den umstrittensten in der Kinder- und Familienpolitik und -praxis. Während des Trennungsprozesses von Familien stehen die Sicherheit und das Wohlergehen von Kindern und Eltern auf dem Spiel, wenn hohe interparentale Konflikte und Gewalt in der Familie ein Thema sind. Die Durchführbarkeit der gemeinsamen elterlichen Sorge und die verstärkte Einbeziehung des Vaters sind in diesen Fällen besonders umstritten. Einige sind der Meinung, dass die gemeinsame elterliche Sorge und die Beteiligung des Vaters möglicherweise eingeschränkt werden müssen, um die Kinder weniger Konflikten auszusetzen (Archer-Kuhn et al., 2023; Jaffe et al., 2008). Andere sind der Ansicht, dass das Wohlergehen von Kindern und Eltern weitgehend von der Aufrechterhaltung positiver Bindungen und Beziehungen zwischen Kindern und beiden Elternteilen abhängt und dass die gemeinsame elterliche Verantwortung in dieser Hinsicht von entscheidender Bedeutung ist (Nielsen, 2018; Warshak, 2014; Fabricius et al., 2012).
Was die Gewalt in der Familie betrifft, so besteht zwar kaum wissenschaftlicher Konsens über das Ausmaß der Gewalt in der Familie oder ihre geschlechtsspezifische Ausprägung, doch gibt es weniger Debatten über Elternschaftsregelungen im Zusammenhang mit Gewalt in der Familie. Die Verantwortung für den Schutz von Kindern und Eltern, die Opfer von Gewalt in der Familie werden, hat Vorrang vor anderen Überlegungen, und der Schutz von Kindern und Eltern vor Gewalt hat zur Folge, dass die Sicherheit bei der rechtlichen Festlegung von Elternschaftsregelungen an erster Stelle steht. Die Unterscheidung zwischen Gewalt in der Familie und gewöhnlichen Konflikten zwischen den Eltern ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Dies stellt jedoch eine Herausforderung dar, da sich die Definitionen von Gewalt in der Familie in letzter Zeit verändert und erweitert haben (Leemis et al., 2022; Harman et al., 2018; Hines et al., 2015). Die Klärung dieser Begriffe ist für sozialrechtliche Reformen und wirksame therapeutische Interventionen unerlässlich, um die Sicherheit und das Wohlergehen aller Familienmitglieder zu gewährleisten.
Jüngste Forschungen haben ergeben, dass Mütter vermehrt familiäre Gewalt erleben, wenn nach einer Trennung eine gemeinsame elterliche Sorge angeordnet wird, einschließlich körperlicher Gewalt und Zwangskontrolle (Meier, 2020); und feministische Wissenschaftler haben festgestellt, dass die Untersuchung auf familiäre Gewalt bei familienrechtlichen Streitigkeiten häufig übersehen wird (Archer-Kuhn et al., 2023). Einige behaupten, dass psychosoziale Fachkräfte nicht ausreichend für die Durchführung von Screening-Untersuchungen auf familiäre Gewalt geschult sind und nicht über ein umfassendes Wissen über die Art, die Dynamik und die Auswirkungen von familiärer Gewalt verfügen (Meier et al., 2019). Es besteht allgemeines Einvernehmen darüber, dass evidenzbasierte familienpolitische Maßnahmen und klinische Interventionen, die sich mit den rechtlichen, emotionalen und psychologischen Dimensionen Häuslicher Gewalt befassen, im Rahmen eines systematischen Ansatzes, der die gesamte Ökologie der Häuslichen Gewalt umfasst, dringend erforderlich sind.
Gewalt in der Familie wird definiert als jede Form von Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung eines anderen Familienmitglieds, einschließlich Erwachsener und Kinder (Department of Justice Canada, 2022), und umfasst sowohl körperliche Gewalt als auch Kontrollzwang. Häusliche Gewalt ist ein Oberbegriff, der neben körperlicher, sexueller, psychologischer, emotionaler und wirtschaftlicher Misshandlung auch Gewalt in der Familie und Kindesmisshandlung umfasst. Die Wingspread-Konferenz (ver Steeg & Dalton, 2008) unterscheidet zwischen Kontrollzwang, gewalttätigem Widerstand, situativer Paargewalt und trennungsinduzierter Gewalt. Im Zusammenhang mit Sorgerechtsstreitigkeiten ist es besonders wichtig, zwischen einem langjährigen Muster kontrollierender Gewalt und situationsbedingter Paargewalt zu unterscheiden.
Im Laufe des letzten Vierteljahrhunderts wurden traditionelle Vorstellungen von interparentalen Konflikten, familiärer Gewalt und IPV hinterfragt, was viele zu der Schlussfolgerung veranlasste, dass überholte Konzeptualisierungen von IPV ein wesentlicher Faktor für die Aufrechterhaltung des Problems der IPV sind und eine wirksame Intervention immer wieder vor Herausforderungen stellt (Saini et al., 2023; Dutton, 2012; Spencer et al., 2022). Das Festhalten an veralteten Ideen wie dem Gender-Paradigma der Häuslichen Gewalt (das davon ausgeht, dass IPV in erster Linie ein unidirektionales Phänomen ist, an dem männliche Täter und weibliche Opfer beteiligt sind, wobei Häusliche Gewalt im Wesentlichen ein patriarchalischer Mechanismus der Kontrolle und Überlegenheit sei) und an auf dem Gender-Paradigma basierenden Interventionen wie dem Duluth-Modell der Intervention bei familiärer Gewalt unterstreicht die Notwendigkeit einer radikalen Umstrukturierung der Art und Weise, wie IPV in der heutigen Gesellschaft behandelt wird (Dutton, 2012; McNeely et al., 2001; Brown, 2004). Mills (2009) zufolge müssen wir uns auch mit dem „Ground Zero“ von IPV befassen: wie persönliche Erfahrungen und Projektionen in Bezug auf familiäre Gewalt das eigene Verständnis beeinflussen. Darüber hinaus sind das Erkennen der systemischen Wurzeln von IPV und die Umsetzung struktureller Reformen entscheidende Elemente, um IPV als soziales Problem zu verstehen und anzugehen (Russell & Hamel, 2022).
Eine Komponente der aktuellen Kontroversen über die Annahme evidenzbasierter Ansätze zur Bekämpfung von Gewalt in der Familie ist die mangelnde Koordinierung zwischen den verschiedenen sozialen Systemen, die in den Bereich der Gewalt in der Familie involviert sind, einschließlich Akademikern und Fachleuten aus den Bereichen Recht und psychische Gesundheit, die sich oft in Bezug auf die notwendigen politischen Reformen und die besten therapeutischen Praktiken polarisiert sehen (Russel & Hamel, 2022). Wie das kanadische Forschungszentrum für Gewalt in der Familie festgestellt hat, liegt der Schlüssel zur Verringerung und Beseitigung von Gewalt in der Familie darin, das Thema offen und direkt anzusprechen (Gill, 2006). Ein offener Dialog ist von entscheidender Bedeutung für die Erreichung der Ziele der Verringerung von Konflikten zwischen den Eltern und der Prävention von Gewalt in der Familie in all ihren Formen, insbesondere von Gewalt in der Familie im Zusammenhang mit der Trennung der Eltern und den Lebensumständen der Kinder in solchen Situationen (International Council on Shared Parenting, 2020).
SIEBEN HINWEISE ZUR ÜBERWINDUNG DER AUSWEGLOSIGKEIT
Bei der gerichtlichen Festlegung der Lebensverhältnisse der Kinder nach der Trennung der Eltern in strittigen Fällen sind das Ausmaß des Konflikts zwischen den Eltern und das Vorhandensein von Gewalt zwischen den Eltern zentrale Erwägungen bei der Bewertung der Bedürfnisse der Kinder und des Wohls der Kinder und Familien. Neben der Sicherheit von Kindern und Eltern als Priorität wird die Bedeutung des Erhalts vitaler Bindungen zwischen Kindern und ihren Eltern als entscheidend für das Wohlergehen sowohl von Kindern als auch von Eltern und als entscheidend für die Prävention von IPV und anderen Formen familiärer Gewalt angesehen (Vowels et al., 2023; Fabricius, 2020; Nielsen, 2018).
Im Mittelpunkt der Debatten im Zusammenhang mit der Überschneidung von interparentalen Konflikten, familiärer Gewalt und Vaterschaft nach einer Trennung steht die Frage, ob die geteilte elterliche Verantwortung nach der Trennung den Bedürfnissen und dem besten Interesse der Kinder entspricht.
Es wurden umfangreiche Forschungsarbeiten durchgeführt, in denen die Ergebnisse für Kinder und Familien bei geteilter elterlicher Verantwortung im Vergleich zu primären Betreuungsarrangements verglichen wurden (Bauserman, 2012, 2002; Nielsen, 2018; Fabricius, 2020), zusätzlich zu Forschungsarbeiten über bewährte Praktiken in Fällen von langwierigen hohen Konflikten zwischen den Eltern und wenn familiäre Gewalt und IPV ein Thema sind (Nielsen, 2018; Bauserman, 2012).
Eine eingehende Untersuchung der jüngsten Forschung im Zusammenhang mit der Überschneidung von interparentalen Konflikten, familiärer Gewalt und Väterlichkeit nach einer Trennung zeigt eine Reihe von Schlüsselergebnissen, die den konventionellen Wissensstand in Bezug auf die Überschneidung von familiärer Gewalt und Familientrennung überschreiten (ver Steeg & Dalton, 2008; Leemis et al., 2022; Fabricius et al., 2020; Nielsen, 2018; Kruk, 2013). Diese Erkenntnisse können als Grundlage für die Reform der aktuellen Politik und Praxis sowie für die Überwindung von Sackgassen im Hinblick auf Maßnahmen für eine sinnvolle Reform dienen. Die folgenden sieben Erkenntnisse aus der allgemeinen Forschung zu Gewalt in der Familie und zu Gewalt in der Familie sowie aus der Forschung zu Gewalt in der Familie nach einer Trennung, sowohl aus empirischer als auch aus klinischer Sicht, sind besonders relevant, um den Weg für eine sozialrechtliche Reform zu weisen.
- DIE UNTERSCHEIDUNG ZWISCHEN INTERPARENTALEM KONFLIKT UND FAMILIÄRER GEWALT/IPV
Ausgangspunkt für die Untersuchung der Überschneidungen von interparentalen Konflikten, familiärer Gewalt und Väterlichkeit nach der Trennung ist eine klare Definition der Schlüsselbegriffe und insbesondere eine Unterscheidung zwischen interparentalen Konflikten und familiärer Gewalt, einschließlich IPV. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Phänomene, die in der wissenschaftlichen Literatur in den letzten zwei Jahrzehnten im Zusammenhang mit Sorgerechtsstreitigkeiten zwischen den Eltern genauer definiert wurden. Dies ist im Interesse der Sicherheit von Kindern und Eltern, da diese unterschiedlichen Phänomene sehr unterschiedliche Ansätze für die rechtliche Festlegung der elterlichen Sorge nach einer Trennung erforderlich machen. Bei Konflikten zwischen den Eltern, die im Zusammenhang mit Sorgerechtsstreitigkeiten fast immer auftreten, handelt es sich in der Regel nicht um Gewalt gegen Kinder (Birnbaum & Bala, 2010). Obwohl es manchmal einen schmalen Grat zwischen „normalen“ Familienkonflikten und IPV gibt, ist es entscheidend, diese Grenze zu ziehen. In konfliktreichen Familien sind die Kommunikation und die Problemlösungsfähigkeiten schlecht, und sie können sehr streitfördernd sein. Oft ist ein hoher Konflikt eher langwierig als kurzfristig, aber er reagiert im Allgemeinen auf therapeutische Interventionen (Fabricius, 2020). Hochkonfliktreiche Familien können erhebliche Ressourcen und spezialisierte professionelle Interventionen erfordern, einschließlich der Dienste von Familienberatern, Mediatoren und Elternschaftskoordinatoren sowie rechtlicher Unterstützung. Ein hoher Konfliktgrad an sich ist jedoch kein ausreichender Grund, die Beteiligung des Vaters am Leben der Kinder einzuschränken. Der Erhalt sinnvoller Beziehungen zu beiden Elternteilen, den die gemeinsame Elternschaft (shared parenting) bietet, wirkt als wichtiger Puffer für Kinder in konfliktreichen Situationen (Fabricius, 2020; Kruk, 2013; Nielsen, 2018).
Familiäre Gewalt und Gewalt in der Familie hingegen äußern sich in vielen Formen, die von körperlichem und emotionalem Missbrauch über Zwangskontrolle bis hin zu rechtlichem und administrativem Missbrauch reichen. Gewalt in der Partnerschaft kann ein Muster von Zwangs- und Kontrollverhalten beinhalten, das körperlichen, emotionalen, psychologischen oder finanziellen Missbrauch einschließt, um Macht und Kontrolle über den Partner zu erlangen und aufrechtzuerhalten, oder sie kann episodisch oder situativ sein (ver Steeg & Dalton, 2008). Gewalt in der Familie kann auch uni- oder bidirektional sein, mit Angst, Einschüchterung und Kontrolle einhergehen und stellt eine eher toxische Situation mit Drohungen und Aggressionen dar. Sie ist auch resistenter gegenüber therapeutischen Interventionen (Johnson, 2008; Karakurt et al., 2019). Gewalt in der Partnerschaft und Kindesmissbrauch können sowohl ein Eingreifen des Kinderschutzes als auch ein Strafverfahren erforderlich machen und zur Feststellung der Schutzbedürftigkeit eines Kindes und/oder zu einer strafrechtlichen Verurteilung führen (Li et al., 2020).
Die Unterscheidung zwischen hohen Konflikten und Gewalt in der Familie ist von entscheidender Bedeutung, denn obwohl die gemeinsame elterliche Sorge von Müttern und Vätern nach einer Trennung ein Schutzfaktor für Kinder in Situationen mit hohen Konflikten ist, ist sie in Situationen familiärer Gewalt kontraindiziert.
Während die gemeinsame elterliche Sorge und die Beteiligung des Vaters die Kinder in hochkonflikthaften Situationen schützen, ist die Sicherheit der Kinder und der misshandelten Ehepartner bei gemeinsamen Betreuungsregelungen gefährdet, wenn Gewalt in der Familie ein Thema ist. Obwohl eine widerlegbare Rechtsvermutung für die gemeinsame elterliche Sorge in Fällen mit hohem Konfliktpotenzial optimal ist, ist in Fällen von Gewalt in der Familie eine widerlegbare Rechtsvermutung gegen die gemeinsame elterliche Sorge erforderlich (Fabricius, 2020; Kruk, 2013; International Council on Shared Parenting, 2020).
Die meisten Wissenschaftler und Praktiker im Bereich Kinder und Familie betrachten Gewalt gegen Kinder als eine strafrechtliche Angelegenheit, und eine strafrechtliche Verurteilung wegen Körperverletzung gegen einen Ehepartner oder die Feststellung, dass ein Kind vor einem Elternteil geschützt werden muss, sollte ausreichen, um einem Elternteil die gleichberechtigte oder gemeinsame elterliche Sorge zu verweigern. Ein unbewiesener Missbrauchsvorwurf ist jedoch selbst im Kontext einer konfliktreichen Trennung kein Grund, einem Elternteil die elterliche Verantwortung zu entziehen, da die routinemäßige Einbeziehung beider Elternteile für das Wohlergehen der Kinder unerlässlich ist (International Council on Shared Parenting, 2020; Fabricius, 2020).
- IN BEZUG AUF GEWALT IN DER FAMILIE/IPV IST DAS GENDER-PARADIGMA WEITGEHEND WIDERLEGT; MÄNNER UND FRAUEN SIND IN ÄHNLICHEM MASSE TÄTER UND OPFER VON IPV.
In der gängigen Literatur über Gewalt in der Familie werden meist Männer als Haupttäter und Frauen als Opfer von körperlicher Gewalt dargestellt. Forschungsdaten aus national repräsentativen Datensätzen und meta-analytische Analysen weisen jedoch auf das Gegenteil hin (Rozmann & Ariel, 2018; Hamel et al., 2012; Archer, 2000; Fiebert, 2014). Folglich fehlt es einer geschlechtsspezifischen Perspektive auf IPV an einer breiteren wissenschaftlichen Grundlage.
Die Forschung zu Familienkonflikten, die auf Selbstauskunftserhebungen basiert, hat im Gegensatz zu geschlechtsspezifischen Analysen festgestellt, dass die IPV-Raten in etwa gleich hoch sind, da Männer und Frauen in etwa gleich häufig Opfer und Täter von IPV sind und die Wahrscheinlichkeit, dass sie IPV und andere Formen von Gewalt in der Familie, einschließlich Kindesmissbrauch, initiieren, gleich hoch ist (Dutton, 2012; Spencer et al., 2022; Li et al., 2020). Es gibt einige Unterschiede (Roebuck et al., 2023), da Frauen im Zusammenhang mit Sorgerechtsstreitigkeiten eher rechtliche und administrative Gewalt anwenden. Mehr Frauen erleiden Verletzungen und Todesfälle durch IPV, da Frauen hinsichtlich der körperlichen Auswirkungen von IPV anfälliger sind (Rozmann & Ariel, 2018).
In der aktuellen IPV-Forschung ist durchweg eine Geschlechtersymmetrie festzustellen. Dies steht im Gegensatz zu dem, was die meisten Menschen annehmen, vor allem weil die Untersuchung von Gewalt gegen Frauen durch Männer von anderen Formen der IPV-Forschung getrennt wurde (Dutton, 2012; Douglas & Hines, 2011). Die Diskrepanzen zwischen den Ergebnissen von Studien über Gewalt gegen Frauen und den Ergebnissen breiter angelegter Erhebungen, die repräsentativere Stichproben verwenden, sind auffällig. Forschungsstudien, die sich auf Studien stützen, die eine geschlechtsspezifische Erklärung von häuslicher Gewalt verwenden, nutzen fast ausnahmslos Stichproben aus Frauenhäusern oder Behandlungsgruppen für Männer, die misshandeln, die dann auf die Gesamtbevölkerung verallgemeinert werden (Dutton, 2012; McNeely et al., 2001). Forschungen, die auf selbst ausgewählten Stichproben von Extremfällen basieren, sind höchst problematisch, da die in Frauenhäusern durchgeführten Forschungen in der Regel nach feministischen Richtlinien durchgeführt werden, die es ausschließen, Fragen nach der Rolle der Frau bei der Gewalt zu stellen, da dies eine Form der „Opferbeschuldigung“ darstellt. Wie Dutton (2012) feststellte, erzeugen Forschungsarbeiten mit solchen selbstgewählten und nicht repräsentativen Stichproben eine verzerrte und potenziell schädliche Wahrnehmung, da sie das Stereotyp aufrechterhalten, dass nur Männer in der Familie gewalttätig sind und dass nur Frauen Opfer von Gewalt sind. Dieses Stereotyp hat sich stark auf die gerichtliche Festlegung der elterlichen Sorge nach einer Trennung vor US-amerikanischen und kanadischen Gerichten ausgewirkt, da es eindeutige Beweise für eine weit verbreitete männerfeindliche Voreingenommenheit im Justizsystem gibt (Millar, 2009).
Darüber hinaus sind die Statistiken der Strafjustiz, auf denen die sozialrechtlichen Maßnahmen beruhen, verzerrt, da es zehnmal wahrscheinlicher ist, dass Frauen in mutmaßlichen Fällen von häuslicher Gewalt die Polizei rufen und eine Antwort erhalten (Dutton, 2012). Wenn die Polizei auf Fälle von häuslicher Gewalt reagiert, werden Männer von den Strafverfolgungsbehörden härter behandelt, insbesondere bei geringfügigen Streitigkeiten, bei denen Männer neunzehnmal häufiger angeklagt werden als Frauen (Brown, 2004). Dies führt dazu, dass die Zahl der männlichen Opfer von Gewalt gegen Frauen zu gering ist, und die Strafverfolgungsstatistiken über Gewalt gegen Frauen spiegeln daher systembedingte Verzerrungen in der Art und Weise wider, wie die Polizei mit häuslicher Gewalt umgeht und sie anschließend erfasst. Auch in der breiten Palette der IPV-Forschung verankert eine fehlerhafte Verallgemeinerung aus nicht repräsentativen Stichproben die Wahrnehmung, dass nur Männer Täter und nur Frauen Opfer von Gewalt im Recht, in der Politik und in der Praxis des Sorgerechts sind (Lysova, 2022; Machado et al., 2020; Hines et al., 2015).
Die Forschung zum Thema Partnermissbrauch hat mehrere Mythen entlarvt, darunter den Mythos, dass die Übergriffe von Männern ein Kontrollmotiv im Dienste der Dominanierung des Weiblichen haben und dass die Übergriffe von Frauen hauptsächlich durch Selbstverteidigung motiviert seien. Tatsächlich entsprechen nur etwa 5 % aller gewalttätigen Übergriffe dem geschlechtsspezifischen Paradigma gewalttätiger Männer, die nicht gewalttätige Frauen angreifen oder schlagen, und nur etwa 15 % der von Frauen initiierten Partnerschaftsübergriffe sind auf Selbstverteidigung zurückzuführen (Dutton, 2012). Laut der National Intimate Partner Violence Survey der US-amerikanischen Centers for Disease Control (Leemis et al., 2022) haben beispielsweise etwa 6,5 % der Männer und 6,3 % der Frauen im vergangenen Jahr Partnergewalt erlebt. In Kanada ergab die Erhebung über die Sicherheit in öffentlichen und privaten Räumen, dass 12 % der Frauen und 11 % der Männer in den vorangegangenen 12 Monaten eine Form von Gewalt in der Partnerschaft erlebt hatten (Roebuck et al., 2023). Die größten meta-analytischen Studien stellen das Gender-Paradigma direkt in Frage: Fiebert (2014) kam zu dem Schluss, dass Männer und Frauen in vergleichbarem Maße Opfer von Gewalt gegen Frauen werden; die metaanalytische Untersuchung von Archer (2000) ergab, dass Frauen mit größerer Wahrscheinlichkeit Aggressionen gegen ihre männlichen Partner auslösen. Seit diesen früheren Studien haben mehrere Meta-Analysen eine geschlechtsspezifische Symmetrie bei den Täter- und Viktimisierungsraten von IPV festgestellt (Rozmann & Ariel, 2018; Li et al., 2020; Spencer et al., 2021; Spencer et al., 2022; Sparrow et al., 2020).
Trotz der weit verbreiteten Fehleinschätzungen im Zusammenhang mit dem Gender-Paradigma wurde in Studien seit Anfang der 1990er Jahre eine Geschlechtersymmetrie bei der IPV festgestellt. Anhand einer landesweit repräsentativen Stichprobe fanden Stets und Strauss (1992) heraus, dass in 28,6 % der körperlich gewalttätigen Paare weibliche Gewalt dominierte, in 23 % männliche Gewalt und in 48,2 % gegenseitige Gewalt, ein Ergebnis, das sich in allen Studien bestätigt (Whitaker et al., 2007). Vergleicht man die Häufigkeit, mit der Männer schwere körperliche Gewalt gegen nicht-gewalttätige Frauen ausüben, mit der Häufigkeit, mit der Frauen schwere körperliche Gewalt gegen nicht-gewalttätige Männer ausüben, so zeigen die Daten der nationalen Erhebung von Stets und Strauss, dass „einseitige schwere Gewalt“ gegen nicht-gewalttätige Partner bei weiblichen Tätern dreimal so häufig vorkommt wie bei männlichen Tätern. In einer neueren Meta-Analyse der Forschung über das Ausmaß und die geschlechtsspezifische Ausrichtung von IPV kamen Rozmann und Ariel (2018) zu dem Schluss, dass es zwar eine große Varianz zwischen den Studien gibt, dass aber im Durchschnitt kein Unterschied zwischen den Geschlechtern hinsichtlich der Gewaltmuster und Viktimisierungsraten besteht.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Vorstellung, dass Männer die Gewalttäter und Frauen die Opfer von IPV sind, einer geschlechtssymmetrischen Perspektive gewichen ist (Spencer et al., 2021, 2022; Russell & Hamel, 2022), die im Vordergrund stehen muss, wenn wir Situationen von IPV im Zusammenhang mit Sorgerechtsstreitigkeiten untersuchen. Dies ist der grundlegende Fehler des Gender-Paradigmas, das die IPV-Forschung verwirft, die festgestellt hat, dass die Missbrauchsraten in Partnerschaften zwischen den Geschlechtern vergleichbar sind: Die Motive variieren, aber die Motive der Frauen sind die gleichen wie die der Männer; die Initiierungsraten sind gleich; die meisten Männer üben keine Gewalt aus; und Kinder, die IPV beobachten, werden mit größerer Wahrscheinlichkeit zu Tätern. Das Ergebnis ist, dass bei den Bemühungen um eine Verringerung der IPV die Hälfte aller Opfer und die Hälfte aller Gewalttätigen vernachlässigt wurde. Umfassendere Analysen des Wissensstandes über IPV (Hamel et al., 2012; Rozmann & Ariel, 2018; Russell & Hamel, 2022) haben das Gender-Paradigma widerlegt.
- DIE MEISTEN FÄLLE VON GEWALT IN DER PARTNERSCHAFT SIND EHER WECHSELSEITIGER MISSBRAUCH ALS EINSEITIGE GEWALT UND EHER SITUATIONSBEDINGT ALS AUSDRUCK EINES KREISLAUFS VON ZWANGHAFTEM KONTROLLVERHALTEN.
Wenn es jedoch Gewalt in der Ehe gibt, handelt es sich in der Regel um bilaterale Gewalt und um Situationen, in denen der weibliche Partner der erste oder einzige Anstifter ist.
Im Gegensatz zum Gender-Paradigma, das von einem unidirektionalen Modell der Gewalt von Männern gegen Frauen ausgeht, ist die meiste IPV bidirektional. Die landesweit repräsentative Stichprobe von Whitaker (2007) ergab im Einklang mit früheren Untersuchungen (Stets & Strauss, 1990), dass etwa die Hälfte aller Gewalttaten auf Gegenseitigkeit beruht. Bei nicht wechselseitiger Gewalt sind jedoch in über 70 % der Fälle die Frauen die Initiatoren. Die Anwendung von Gewalt durch Frauen gegen ihre Intimpartner ist also nicht in erster Linie defensiv; Frauen wenden in intimen Beziehungen doppelt so häufig wie Männer unidirektionale Gewalt an, die jedoch weniger missbilligt wird als Gewalt zwischen Männern und Frauen. Die von Frauen ausgehende Partnergewalt ist der Hauptgrund dafür, dass eine Frau selbst Opfer von Gewalt wird (Stith et al., 2004). McNeely und Kollegen (2004) kommen zu dem Schluss, dass häusliche Gewalt ein menschliches und kein geschlechtsspezifisches Problem ist, da Frauen in häuslichen Beziehungen ebenso gewalttätig sind wie Männer, und weisen insbesondere auf die „rechtliche und soziale Schutzlosigkeit“ von Männern hin; Archer (2000) verweist auf die übersehene Norm, dass Männer sich mit körperlichen Angriffen auf Frauen zurückhalten sollten, selbst wenn Frauen selbst gewalttätig sind.
Obwohl es sich bei Gewalt gegen Frauen um ein Muster zwanghaften Kontrollverhaltens handeln kann, das körperlichen, emotionalen, psychologischen, sexuellen oder finanziellen Missbrauch umfassen kann, um Macht und Kontrolle über einen Intimpartner zu erlangen und aufrechtzuerhalten, handelt es sich bei der Mehrheit der Gewalt gegen Frauen um ein einmaliges, situatives oder episodisches Ereignis, das unter Stressbedingungen wie einer Trennung auftritt und häufig durch Drogen- oder Alkoholmissbrauch verschlimmert wird (Johnson, 2008). Auch dies steht im Widerspruch zu der vorherrschenden Auffassung, dass Gewalt ein Ausdruck patriarchalischer Privilegien und Ansprüche ist, ein Ausdruck des Machtmissbrauchs von Männern gegenüber Frauen, der die Gewalt von Frauen gegen Männer ignoriert – wie Mills (2009, S. 3) feststellt:
„Der Junge, den ich gesehen habe, wie er von seiner Mutter geschlagen wurde, hat eine dreimal höhere Wahrscheinlichkeit, in intimen Beziehungen gewalttätig zu werden, als ein Kind, das nicht geschlagen wurde. In dem Moment, in dem er eine Frau schlägt, wird er per Gesetz aus dem Kontext seiner Biografie herausgelöst und in ein automatisches juristisches Verfahren überführt, in dem er für jede Gewalttat, die er begangen hat, absolut verantwortlich gemacht wird. Er wird als Produkt des Patriarchats definiert, und sein männliches Privileg wird die einzige Quelle seiner Aggression sein.“
- ES GIBT VERSCHIEDENE FORMEN VON IPV, DIE EIN BREITES SPEKTRUM ABDECKEN, UND VERSCHIEDENE SCHWEREGRADE VON IPV.
Es gibt zahlreiche Forschungsarbeiten zu den Schweregraden von IPV. Johnson (2008) unterschied zwischen drei Schweregraden und kam zu dem Schluss, dass die verletzendste und am längsten andauernde Form, der intime Terrorismus, im Vergleich zu situativer Paargewalt (der häufigsten) und gewalttätigem Widerstand relativ selten ist. Die allgemeine kanadische Sozialerhebung ergab, dass von allen Arten der IPV 2% von Frauen initiierter intimer Terrorismus und 3% von Männern initiierter intimer Terrorismus sind, was insgesamt nur 5% der IPV ausmacht (Conroy, 2021).
Johnston und Campbell (1993) untersuchten verschiedene Arten von IPV im Zusammenhang mit Sorgerechtsstreitigkeiten; von den fünf Arten von IPV, die sie identifizierten, waren anhaltende oder episodische männliche Misshandlungen am wenigsten verbreitet. Am häufigsten war wechselseitig kontrollierende interaktive Gewalt, gefolgt von männlicher kontrollierender interaktiver Gewalt, Trennungs- und Scheidungsgewalt sowie psychotische und paranoide Reaktionen. Sie stellten fest, dass das klassische Paradigma des Gewaltkreislaufs auf einen sehr geringen Prozentsatz der IPV-Situationen im Kontext von Sorgerechtsstreitigkeiten zutrifft.
In jüngerer Zeit hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Gewalt in der Partnerschaft in vielen Formen auftritt und ein breites Spektrum an missbräuchlichen Verhaltensweisen abdeckt. Dazu gehört nicht nur körperliche Gewalt, sondern auch psychischer und emotionaler Missbrauch, Zwangskontrolle, sexueller Missbrauch sowie rechtliche und administrative Gewalt, die oft übersehen werden. Eine besonders schädliche Form des emotionalen Kindesmissbrauchs ist, dass Kinder den Missbrauch eines Elternteils miterleben, was einer schweren Form von körperlichem und sexuellem Missbrauch sowie einer Entfremdung der Eltern gleichkommt.
- ELTERN-KIND-ENTFREMDUNG IST EINE VERBREITETE UND HÄUFIG ÜBERSEHENE FORM VON FAMILIÄRER GEWALT UND PARTNERGEWALT.
Eltern-Kind-Entfremdung betrifft überproportional häufig Männer und Väter, da sie als nicht bei den Kindern lebende Elternteile vom Machtmissbrauch der Mütter als Inhaberinnen der Residenz des Kindes, die ihre Macht als Hüter der Vater-Kind-Beziehung missbrauchen, betroffen sind (Hines et al., 2015). Elterliche Entfremdung ist im Wesentlichen die ungerechtfertigte Entfernung eines geeigneten und liebevollen Elternteils aus dem Leben eines Kindes, ein psychischer Zustand, bei dem sich ein Kind (in der Regel eines, dessen Eltern sich in einer konfliktreichen Trennung befinden) stark mit einem Elternteil verbündet und eine Beziehung zum anderen Elternteil ohne triftigen Grund ablehnt (Lorandos & Bernet, 2020). Die Entfremdung von den Eltern führt zu einer Beeinträchtigung der Funktionsweise in den Bereichen Verhalten, Kognition und Affektivität sowie zu negativen Zuschreibungen der Absichten des Zielelternteils, Feindseligkeit gegenüber dem Elternteil oder dessen Stigmatisierung als Sündenbock und zu ungerechtfertigten Entfremdungsgefühlen seitens des Kindes (Harman et al., 2018). Elterliche Entfremdung ist eine Form eines komplexen Traumas und eine Form von häuslicher Gewalt und Kindesmisshandlung. Sie ist auch ein systemisches Problem, da das gegnerische System Eltern in einem Kampf gegeneinander aufbringt, um das Sorgerecht und die Kontrolle über Kinder zu „gewinnen“, und Bedingungen schafft, in denen jeder Elternteil durch den potenziellen Verlust seiner Kinder bedroht ist, was zu einer gegenseitigen Verunglimpfung des anderen Elternteils führt (Kruk, 2018).
Das kontradiktorische System führt zu schlechten Ergebnissen für Kinder und Eltern. Die Hälfte der erstmaligen Gewalttaten ereignet sich während der Trennung im Rahmen einer kontradiktorischen Scheidung, bei der Eltern an der Kommunikation gehindert und in einen kontradiktorischen Kampf um die Kinder manipuliert werden und das Bedürfnis der Kinder nach Sicherheit und unbedrohten Beziehungen zu beiden Elternteilen verdeckt wird (Fernández-Kranz & Nollenberger, 2020; Halla, 2013). In Untersuchungen über getrenntlebende Väter, die von Eltern-Kind-Entfremdung betroffen sind, gaben Väter seltener den Müttern als dem gegnerischen System die Schuld für ihre Entfremdung von ihren Kindern (Kruk, 2011). Eine konfliktreiche Scheidung ist eine Form des kollektiven Missbrauchs von Kindern und ihren Vätern, da Väter systematisch als primäre Bezugspersonen entfernt werden und eher vom Leben ihrer Kinder entfremdet werden (Millar, 2009). Eltern-Kind-Entfremdung ist mit rechtlichen und administrativen Aggressionstaktiken verbunden (Hines et al., 2015), die von einigen entfremdenden Eltern angewandt werden, um Macht über ihre Kinder und den anderen Elternteil zu erlangen und zu behalten (Harman et al., 2018, Harman & Matthewson, 2020).
Die Auswirkungen der Entfremdung der Eltern auf Väter und ihre Kinder sind tiefgreifend. Die Abwesenheit des Kindes führt zu einer ausgeprägten Trauer- und Verlustreaktion des betroffenen Elternteils, was zu einer Situation mit akutem posttraumatischem Stress führt. Während Väter eine Trauerreaktion erleben, die alle wichtigen Elemente eines Trauerfalls enthält, verlieren Kinder die Fähigkeit, einem Elternteil Liebe zu geben und anzunehmen (Kruk, 2018). Sie werden manipuliert, um den betroffenen Elternteil zu hassen, obwohl sie von Natur aus den Wunsch haben, beide Elternteile zu lieben und von ihnen geliebt zu werden. Die Verunglimpfung eines entfremdenden Elternteils führt dazu, dass das Kind den Elternteil emotional ablehnt und einen fähigen und liebevollen Elternteil aus dem Leben des Kindes verliert. Die schwerwiegenden Auswirkungen der Entfremdung der Eltern auf Kinder sind inzwischen gut dokumentiert (Harman et al., 2018). Selbsthass ist bei betroffenen Kindern besonders beunruhigend und eines der häufigsten Symptome in Situationen von Eltern-Kind-Entfremdung. Das Lehren von Hass auf den anderen Elternteil ist gleichbedeutend mit der Vermittlung von Selbsthass beim Kind. Kinder verinnerlichen den Hass, der sich gegen den entfremdeten Elternteil richtet, werden dazu gebracht zu glauben, dass der entfremdete Elternteil sie nicht geliebt oder gewollt hat, und erleben schwere Schuldgefühle im Zusammenhang mit dem Verrat am entfremdeten Elternteil.
Ihr Selbsthass (und ihre Depression) wurzelt in dem Gefühl, von einem Elternteil ungeliebt zu sein, und in der Trennung von diesem Elternteil, während ihnen die Möglichkeit verwehrt wird, um den Verlust des Elternteils zu trauern oder überhaupt über den Elternteil zu sprechen. Entfremdete Kinder weisen aufgrund der elterlichen Entfremdung auch schwere psychosoziale Störungen auf. Dazu gehören eine gestörte sozial-emotionale Entwicklung, mangelndes Vertrauen in Beziehungen, soziale Ängste und soziale Isolation. Sie haben Schwierigkeiten, Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten, und neigen dazu, Menschen fallen zu lassen, sobald diese negativ auf sie reagieren. Sie haben wenig Toleranz für andere. Sie haben schlechte Beziehungen zu beiden Elternteilen. Als Erwachsene neigen sie dazu, früher Partnerschaften einzugehen, sich eher scheiden zu lassen oder ihre nichtehelichen Lebensgemeinschaften aufzulösen, eher Kinder außerhalb einer Partnerschaft zu bekommen und sich eher von ihren eigenen Kindern zu entfremden. Geringe Selbstständigkeit, mangelnde Autonomie und eine anhaltende Abhängigkeit vom entfremdenden Elternteil sind Merkmale entfremdeter Kinder. Sie laufen Gefahr, psychisch verwundbar oder abhängig zu werden. Entfremdete Kinder haben Schwierigkeiten, ihre Impulse zu kontrollieren, und kämpfen mit Sucht und Selbstverletzung. Sie neigen eher dazu, zu rauchen, Alkohol zu trinken und Drogen zu missbrauchen, sowie Verhaltenssüchten zu erliegen, und sind eher dazu geneigt, promiskuitiv zu sein, auf Verhütungsmittel zu verzichten und im Teenageralter Eltern zu werden.
Sie schwänzen eher die Schule und verlassen die Schule in einem frühen Alter. Sie erreichen im Erwachsenenalter seltener akademische und berufliche Qualifikationen. Sie sind eher von Arbeitslosigkeit betroffen, haben ein geringes Einkommen und bleiben auf Sozialhilfe angewiesen. Sie scheinen ziellos durchs Leben zu treiben (Verhaar et al., 2022; Kruk, 2018; Baker, 2005).
Die Häufigkeit von Eltern-Kind-Entfremdung ist viel höher als von der Öffentlichkeit und professionellen Dienstleistern angenommen, und die weit verbreitete Ablehnung von Eltern-Kind-Entfremdung durch Fachleute wurde als ernstes Problem für betroffene Eltern und Kinder gleichermaßen identifiziert. Harman et al. (2019) berichteten, dass 36% der US-amerikanischen und 32% der kanadischen Eltern angeben, Opfer von Entfremdungsverhalten der Eltern zu sein. Wie bei Situationen mit starken elterlichen Konflikten im Vergleich zu Situationen mit Gewalt in der Partnerschaft ist es wichtig, zwischen mäßiger und schwerer Entfremdung der Eltern zu unterscheiden. Eine mäßige Entfremdung der Eltern kann als eine Form von starkem Konflikt angesehen werden; eine schwere Entfremdung der Eltern ist jedoch eine viel pathologischere Form von Gewalt in der Partnerschaft, die auf erzwungener Kontrolle beruht; sie ist eine Art komplexes Trauma sowie eine Form emotionaler Kindesmisshandlung, die mit körperlicher Misshandlung und Vernachlässigung verbunden ist (Kruk, 2018).
Es ist nach wie vor eine Herausforderung, weit verbreiteten Fehlinformationen über die Entfremdung der Eltern entgegenzuwirken, die mit dem Übergewicht des „Woozling“ über Gewalt in der Partnerschaft verglichen wurde (Nielsen, 2014). Die Behauptung, Mütter würden das Sorgerecht für Kinder an missbräuchliche Väter verlieren, die behaupten, Opfer von Eltern-Kind-Entfremdung zu sein, hat eine moralische Panik ausgelöst, die nicht durch wissenschaftliche Beweise gestützt wird (Center for Judicial Excellence, 2023; Meier et al., 2019). Harman et al. (2023) untersuchten die Ergebnisse von Gerichtsentscheidungen über einen Zeitraum von 16 Jahren, in denen Vorwürfe von häuslicher Gewalt und Eltern-Kind-Entfremdung erhoben wurden, in Bezug auf das Geschlecht und das Sorgerecht für Kinder. Bei der Analyse der Gerichtsakten einer repräsentativen Stichprobe von 500 Fällen, in denen eine Entfremdung der Eltern festgestellt wurde, stellte Harman fest, dass die Missbrauchsvorwürfe entfremdender Mütter nicht häufiger als die Entfremdungsvorwürfe entfremdender Väter diskreditiert wurden und begründete Vorwürfe von häuslicher Gewalt selten waren, wobei 90% der Missbrauchsvorwürfe in Fällen von Entfremdung der Eltern als unwahr oder anderweitig unbegründet eingestuft wurden. Darüber hinaus stellten Sharples et al. (2023) fest, dass unabhängig davon, ob der entfremdende Elternteil eine Mutter oder ein Vater war, die Wahrscheinlichkeit, dass gegen ihn ein begründeter Missbrauchsvorwurf erhoben wurde, höher war als gegen den betroffenen Elternteil. Die Leugnung der elterlichen Entfremdung als Form des Missbrauchs dient dem Schutz missbräuchlicher Eltern, unabhängig vom Geschlecht.
Die Anerkennung der Eltern-Kind-Entfremdung als eine Form von Gewalt in der Partnerschaft und Kindesmisshandlung ist für das Wohlergehen von Eltern und Kindern von entscheidender Bedeutung (Rowlands et al., 2023; Templer et al., 2017); und die Reduzierung und Prävention der elterlichen Entfremdung sollte mit dem Ziel der Reduzierung von Gewalt in der Partnerschaft Hand in Hand gehen.
- INTERVENTIONSPROGRAMME FÜR TÄTER SIND GRÖSSTENTEILS UNWIRKSAM UND DIE MEISTEN SCHULUNGS- UND INTERVENTIONSMODELLE FÜR GEWALT IN DER PARTNERSCHAFT SIND VERALTET.
Geschlechtsspezifische Interventionsprogramme für Opfer und Täter, insbesondere das auf dem „Macht- und Kontrollrad“ basierende Duluth-Modell, entbehren einer wissenschaftlichen Grundlage und haben sich als unwirksam bei der Reduzierung der Häufigkeit von Gewalt in der Partnerschaft erwiesen (Dutton, 2012; Karakut et al., 2019). Im Rahmen eines geschlechtsspezifischen Verständnisses von Gewalt in der Partnerschaft wird weiterhin für eine monolithische strafrechtliche Reaktion plädiert, die angeordnete Interventionen und eine fast ausschließliche Fokussierung auf die Bestrafung von Vätern beinhaltet, basierend auf der Ansicht, dass Gewalt in der Partnerschaft ausschließlich von Männern gegen Frauen ausgeübt wird. Interventionsprogramme für Täter häuslicher Gewalt, die auf der Philosophie „Bestrafen, um abzuschrecken“ basieren, Gesetze, die bei Fällen häuslicher Gewalt eine Festnahme und Inhaftierung vorschreiben, eine „no drop“-Strafverfolgung, Festnahmeregelungen für den „primären Aggressor“ bei Fällen von wechselseitiger Gewalt sowie das Fehlen von Diversions- und restaurativen Ansätzen haben eher zu einer Eskalation als zu einem Rückgang der Gewalt in der Familie geführt (Russell & Seisler, 2022)
Was die Opferhilfe betrifft, so werden die Erfahrungen von Männern mit von Frauen verübter häuslicher Gewalt von professionellen Dienstleistern, politischen Entscheidungsträgern und dem Strafrechtssystem weitgehend ignoriert. Der Mangel an Unterstützungsdiensten, die auf die Bedürfnisse männlicher Opfer eingehen, die oft auf eine xxx, wenn sie ihre Viktimisierung offenlegen, macht sie machtlos, Gewalt in der Partnerschaft in ihren laufenden Beziehungen anzugehen (Roebuck et al., 2023; Machado et al., 2020; Douglas & Hines, 2011). Sowohl externe als auch interne Hindernisse bei der Suche nach Hilfe für ihre Viktimisierung machen Männer sehr anfällig für anhaltenden und verstärkten Missbrauch (Lysova et al., 2022; Machado et al., 2020). Es wird oft berichtet, dass falsche Anschuldigungen wegen Gewalt in der Partnerschaft gegen Männer dazu führen, dass öffentliche Systeme den Missbrauch in Situationen, in denen Männer selbst Opfer sind, ausweiten (Roebuck et al., 2023). Männer suchen daher aufgrund fehlender verfügbarer Ressourcen und des sozialen Stigmas, das sie erfahren, seltener als Frauen Hilfe bei formellen und informellen Stellen und berichten durchweg, dass die Dienste für männliche Überlebende von häuslicher Gewalt unzureichend oder nicht vorhanden sind (Rozmann & Ariel, 2018).
- PRÄVENTION IST DIE WIRKSAMSTE STRATEGIE ZUR REDUZIERUNG DER HÄUFIGKEIT VON HÄUSLICHER GEWALT UND FAMILIÄRER GEWALT.
Da die Hälfte aller erstmaligen Fälle von Gewalt in der Partnerschaft im Zusammenhang mit einem kontradiktorischen Ansatz bei der Festlegung des Sorgerechts nach einer Trennung auftritt (Kruk, 2013; Fernández-Kranz & Nollenberger, 2020), ist ein nicht kontradiktorischer Ansatz, der die Eltern zu Zusammenarbeit, Verhandlung und Mediation anregt, dringend erforderlich. Eine widerlegbare rechtliche Vermutung der gemeinsamen elterlichen Verantwortung wird heute als die wirksamste Strategie zur Verhinderung von erstmaliger Gewalt in der Partnerschaft und anderen Formen familiärer Gewalt, einschließlich der Eltern-Kind-Entfremdung, während und nach der Trennung genannt (Fabricius, 2020; International Council on Shared Parenting, 2020). Eine herzliche Beziehung zu beiden Elternteilen im Rahmen einer gemeinsam verantworteten Elternschaft ist ein Schutzfaktor für Kinder in Familien mit hohem Konfliktpotenzial; die Vorteile einer paritätischen Elternschaft (shared parenting) für das Wohlergehen der Kinder bestehen unabhängig von elterlichen Konflikten (Fabricius, 2011).
Wissenschaftler haben sich nachdrücklich für die Notwendigkeit von „Shared Parenting“ als Grundlage des Familienrechts ausgesprochen, als Schutzfaktor für Kinder in konfliktreichen Trennungen (Vowels et al., 2023; Fabricius, 2020; Nielsen, 2018; Kruk, 2013). Dennoch blockieren Argumente für die gegenteilige Position, dass Kinder vor schädlichen Konflikten geschützt werden müssen und mit einem stabilen Elternteil in ihrem Leben viel besser zurechtkommen, weiterhin die Verabschiedung von Gesetzen zur gemeinsamen Elternschaft in vielen Rechtsprechungen (Meier et al., 2019).
Diese letztere Position wurde kritisiert, da sie mehrere problematische Annahmen trifft: dass Konflikte in der Tat kein normaler Bestandteil des täglichen Lebens sind; dass Konflikte zwischen Eltern unlösbar sind und nicht beigelegt werden können; und dass familiäre Gewalt mit der gerichtlichen Anordnung der gemeinsamen Elternschaft zunimmt. Dennoch ereignet sich die Hälfte aller Fälle von Gewalt zwischen Elternteilen während und nach der Trennung im Rahmen einer konfliktreichen Scheidung. Fernández-Kranz und Nollenberger (2020) untersuchten die Auswirkungen der Gesetzgebung zur gemeinsamen Elternschaft auf Gewalt in der Partnerschaft in Spanien und stellten fest, dass die Politik die Gewalt in der Familie erheblich verringerte, wobei die Gewalt in der Partnerschaft um fast 50% zurückging und die Zahl der von Intimpartnern begangenen Tötungsdelikte an Frauen nach der Reform deutlich zurückging. Darüber hinaus waren diese Auswirkungen bei Paaren am größten, bei denen die Mutter vor der Gesetzesänderung eher das alleinige Sorgerecht beantragte, und hatten daher die größten Auswirkungen auf die Politik. Halla (2013) stellte fest, dass Gesetze zur gemeinsamen Elternschaft in den USA die Gewalt in der Partnerschaft in den Bundesstaaten, die diese Gesetze zwischen 1976 und 1984 verabschiedeten, um 23% senkten.
Es gibt kaum Meinungsverschiedenheiten zwischen Wissenschaftlern unterschiedlicher theoretischer Ausrichtung und Befürwortern mit gegensätzlichen ideologischen Standpunkten in der Frage der Gewalt in der Familie und der gemeinsamen Elternschaft. Die Position sowohl der Befürworter der gemeinsamen Elternschaft als auch der Frauenrechtler im Bereich der Gewalt in der Familie ist im Wesentlichen dieselbe: Die Befürworter von „Shared Parenting“ befürworten eine gesetzliche Vermutung von „Shared Pareting“, die in Fällen von Gewalt in der Familie widerlegbar ist, was im Wesentlichen der Position der National Association of Women and the Law entspricht, die eine widerlegbare gesetzliche Vermutung gegen „Shared Pareting“ in Fällen von Gewalt in der Familie vertritt. Es wird allgemein angenommen, dass die Ansichten dieser Gruppen diametral entgegengesetzt sind; tatsächlich handelt es sich um zwei Seiten derselben Medaille (Kruk, 2020).
EMPFEHLUNGEN FÜR POLITIK UND PRAXIS
Die sieben oben genannten Forschungsergebnisse bieten eine Möglichkeit, die derzeitige Sackgasse in Bezug auf die Bekämpfung von Gewalt in der Familie und häuslicher Gewalt im Kontext der Trennung der Eltern zu überwinden. Sie bilden die Grundlage für die folgenden Empfehlungen, die darauf abzielen, Konflikte zwischen den Eltern zu reduzieren und Gewalt in der Familie und Häusliche Gewalt im Zusammenhang mit Trennung der Eltern und Sorgerechtsstreitigkeiten zu verhindern. Sie bilden auch die Grundlage für die verantwortungsvolle Beteiligung von Vätern an der weiteren sinnvollen Beteiligung am Leben ihrer Kinder nach der Trennung. Diese Empfehlungen für sozio-rechtliche Reformen, Richtlinien und Praktiken an der Schnittstelle von familiärer Gewalt/häuslicher Gewalt und gemeinsamer Elternschaft/Vaterbeteiligung nach der Trennung basieren auf den Schlussfolgerungen der Konferenz 2020 des International Council on Shared Parenting (ICSP), einer wissenschaftlichen Organisation, die sich der Untersuchung der Durchführbarkeit der gemeinsamen Elternschaft im Leben von Kindern und Familien nach der Trennung widmet. Der Schwerpunkt der Konferenz und der folgenden Empfehlungen liegt auf dem Grundsatz, dass die Sicherheit von Kindern und Eltern bei der Bewältigung von Konflikten zwischen den Eltern, häuslicher Gewalt und der Vaterrolle nach der Trennung oberste Priorität haben sollte.
Im Bereich des Sorgerechts kommt es zwar in den meisten Fällen von heftigen Konflikten um die Frage der Elternschaft zu keiner Gewalt, doch die Häufigkeit von familiärer Gewalt und häuslicher Gewalt ist während und nach der Trennung deutlich erhöht. Ein hoher Anteil der erstmaligen familiären Gewalt tritt während und nach der Trennung der Eltern auf. Das kontradiktorische „Winner-takes-all“-Sorgerechtssystem scheint geradezu darauf ausgelegt zu sein, die schlimmstmöglichen Folgen zu produzieren, wenn Eltern polarisiert werden, wenn viel auf dem Spiel steht (in Bezug auf die Beziehung zu den eigenen Kindern), und wenn aus anfänglichen Meinungsverschiedenheiten über die Kinderbetreuung heftige Konflikte werden, die in Gewaltsituationen eskalieren können. Die Gefahr, die eigenen Kinder in einem Sorgerechtsstreit zu verlieren, erhöht die Wahrscheinlichkeit von Gewaltanwendung. Daher kam der ICSP zu dem Schluss, dass in zuvor gewaltfreien Familien die Festlegung des alleinigen Sorgerechts und die Festlegung des Hauptwohnsitzes mit der Zuweisung des Alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechtes mit zunehmenden Konflikten und erstmaliger Gewalt verbunden sind (Fabricius, 2020; Kruk, 2013).
Die Annahme, dass in Fällen mit hohem Konfliktpotenzial, die nicht gewalttätig sind, die gemeinsame Elternschaft keine praktikable Option ist, wurde auf der ICSP-Konferenz in Frage gestellt. Tatsächlich hat die Forschung gezeigt, dass die gemeinsame Elternschaft mit einem Rückgang der elterlichen Konflikte verbunden ist. Ein Fall mit hohem Konfliktpotenzial, bei dem keine Gewalt im Spiel ist, hat eine viel höhere Wahrscheinlichkeit, in Gewalt zu eskalieren, wenn die Beziehung zu einem Kind durch den Verlust des Sorgerechts bedroht ist. Das alleinige Sorgerecht/das Residenzmodell erhöht in diesen Fällen das Risiko von häuslicher Gewalt (International Council on Shared Parenting, 2020).
In Fällen, in denen Häusliche Gewalt vorliegt, handelt es sich in der Regel um bilaterale oder reziproke Gewalt. Fälle von Gewalt in der Familie im Zusammenhang mit Sorgerechtsstreitigkeiten treten in unterschiedlichen Formen auf, darunter andauernde oder episodische männliche Misshandlung, von Frauen ausgehende Gewalt, kontrollierende interaktive Gewalt von Männern, Gewalt bei Trennung und Scheidung sowie psychotische und paranoide Reaktionen. Gegenseitige Gewalt ist die häufigste Form, wobei männliche Misshandlung (das klassische Paradigma des „Gewaltkreislaufs“) nur ein Fünftel der familiären Gewalt in Trennungs- und Scheidungsfällen ausmacht (Johnston & Campbell, 1993). Nicht alle Gewalttaten in Paarbeziehungen in Sorgerechtsstreitigkeiten sind auf eine strukturell bedingte männliche Annahme von Ansprüchen und Kontrollbedürfnissen zurückzuführen (Dutton, 2012).
Die Frage falscher Gewaltvorwürfe und die Frage nicht gemeldeter und verdeckter Fälle von Gewalt in der Familie stellen eine große Herausforderung bei der Festlegung der Lebensumstände von Kindern nach einer Trennung dar. Einerseits werden falsche Vorwürfe von häuslicher Gewalt oft dazu benutzt, Kindern den Kontakt zu ihren Eltern zu verwehren; dies ist besonders für Väter ein Problem, da Ehepartner in Scheidungen mit hohem Konfliktpotenzial routinemäßig falsche oder übertriebene Anschuldigungen vorbringen, um sich im Sorgerechtsstreit einen taktischen Vorteil zu verschaffen (Trocmé & Bala, 2005; Birnbaum & Bala, 2010). Andererseits hat die Forschung gezeigt, dass auch falsche Dementis von Missbrauchstätern problematisch sind und dass bei gemeinsamen Sorgerechtsregelungen das Vorhandensein von Gewalt in der Familie in Paarbeziehungen übersehen werden kann (Meier, 2020; Archer-Kuhn et al., 2023).
Die meisten Sorgerechtsfälle mit hohem Konfliktpotenzial betreffen jedoch keine häusliche Gewalt, und in relativ wenigen strittigen Sorgerechtsfällen geht es um begründete Fälle von Kindesmissbrauch, einschließlich Fällen, in denen Kinder Zeugen des Missbrauchs eines Elternteils werden. Weniger als ein Viertel aller Vorwürfe von Kindesmissbrauch in Sorgerechtsfällen werden nach einer Untersuchung bestätigt (Harman et al., 2023). Es wurde der Schluss gezogen, dass das Problem der häuslichen Gewalt in Sorgerechtsfällen durch Untersuchungen durch geschulte Fachkräfte angegangen werden könnte, wenn der Standard „Kind in Schutzbedürftigkeit“ bei Sorgerechtsstreitigkeiten, bei denen Vorwürfe familiärer Gewalt im Raum stehen, konsequent angewendet würde. Ohne diesen Standard wird der derzeitige kontradiktorische Rahmen der Sorgerechtsbestimmung weiterhin die Wahrscheinlichkeit von Gewalt beim ersten Kontakt in sich trennenden Familien ohne vorherige Gewalt- oder Missbrauchshistorie erhöhen.
Es steht außer Frage, dass bei nachgewiesener familiärer Gewalt eine gerichtliche Sorgerechtsentscheidung erforderlich ist. Es ist jedoch falsch anzunehmen, dass in Fällen mit hohem Konfliktpotenzial, in denen sich Eltern nach einer Trennung nicht über die Sorgerechtsregelungen für ihre Kinder einigen können, in der Regel auch schwere familiäre Gewalt vorliegt. Dadurch besteht für Kinder das Risiko, durch eine alleinige Sorgerechts- oder Hauptwohnsitzverfügung einen Elternteil zu verlieren, und in den meisten strittigen Sorgerechtsfällen, in denen zuvor keine Gewalt vorlag, steigt das Risiko familiärer Gewalt.
In Fällen von familiärer Gewalt, in denen festgestellt wird, dass ein Kind vor einem Elternteil geschützt werden muss, erfordert die Sicherheit der Kinder, dass der misshandelnde Elternteil nur begrenzten, überwachten oder keinen Kontakt zu den Kindern hat, da dies den Kindern und dem Ehepartner schaden könnte. Eltern, die nachweislich schwere Gewalttaten begangen haben, benötigen andere Lösungen. Viele Eltern, die sich in einem Sorgerechtsstreit befinden und nicht gewalttätig sind, sind im Interesse der Prävention von Gewalttaten am besten mit einem Ansatz von „Shared Parenting“ für das Sorgerecht für ihre Kinder bedient.
In Bezug auf langwierige elterliche Konflikte besteht kaum Zweifel daran, dass es für Kinder schädlich ist, anhaltenden und ungelösten Konflikten ausgesetzt zu sein. Was zur Debatte steht, ist die Frage, wie viel Zeit mit den Eltern in solchen Konfliktsituationen ratsam ist. Jüngste Studien haben nicht nur ergeben, dass eine gemeinsame Elternschaft in Konfliktsituationen nicht schädlich ist, sondern die schädlichen Auswirkungen von Konflikten mildern kann: Eine herzliche Beziehung zu beiden Elternteilen ist ein Schutzfaktor für Kinder, und die Vorteile von „Shared Parenting“ für das Wohlergehen der Kinder bestehen unabhängig von elterlichen Konflikten. Darüber hinaus korreliert „Shared Parenting“ positiv mit der Zusammenarbeit der Eltern und der Verringerung von Konflikten und Machtungleichgewichten. Angesichts der Tatsache, dass die elterlichen Konflikte während des Trennungsübergangs im Rahmen von „Win-Lose“-Konfliktverfahren am höchsten sind, ist „Shared Parenting“ für Kinder sowohl in Situationen mit geringen als auch mit hohen Konflikten von Vorteil (Fabricius, 2020).
Vergleicht man die elterlichen Ergebnisse in Familien mit gemeinsamem und mit alleinigem Sorgerecht, so ist „Shared Parenting“ mit einer deutlichen Verringerung der elterlichen Konflikte verbunden. Es gibt keine Belege für die Behauptung, dass „Shared Parenting“ zu mehr elterlichen Konflikten führt. Die Forschung unterstützt nicht die Annahme, dass die Zeit, die Eltern mit ihren Kindern verbringen, in Fällen von hohen Konflikten begrenzt werden sollte, und hohe Konflikte sollten nicht als Rechtfertigung für Einschränkungen des Kontakts der Kinder mit einem ihrer Elternteile herangezogen werden (Fabricius, 2020; Nielsen, 2018; Kruk, 2013).
Die Schlussfolgerungen der ICSP-Konferenz 2020 wurden in Empfehlungen für die theoretische Entwicklung und weitere Forschung einerseits und für Rechtsreform, Politik und Berufspraxis andererseits unterteilt. Zu den wichtigsten gehörte die Notwendigkeit einer umfassenderen Konzeptualisierung von familiärer Gewalt, die über das Geschlechterparadigma hinausgeht und verschiedene Formen von Gewalt, einschließlich der Entfremdung von den Eltern, umfasst, sowie die Notwendigkeit, Gewalt in der Partnerschaft, insbesondere Gewalt gegen Frauen, als Straftatbestand anzuerkennen, mit entsprechenden Reformen im Familien- und Strafrechtssystem.
EMPFEHLUNGEN FÜR THEORIEENTWICKLUNG UND FORSCHUNG
Auf der ICSP-Konferenz wurden zwei Empfehlungen in Bezug auf Theorie und Forschung im Bereich der Überschneidung von gemeinsamer Elternschaft und familiärer Gewalt ausgesprochen:
- Die erste Empfehlung warf die Frage auf, die im Mittelpunkt der aktuellen Diskussionen und Debatten über Gewalt in der Partnerschaft als Krise der öffentlichen Gesundheit steht: Sollte das Thema familiäre Gewalt/häusliche Gewalt als geschlechtsspezifisch eingestuft und in erster Linie als „Gewalt gegen Frauen“ betrachtet werden oder eher als geschlechtsneutraler, wie z. B. „Partnermissbrauch“? In Bezug auf Trennungen und Scheidungen von Familien, bei denen familiäre Gewalt ein Problem darstellt, wurde der Schluss gezogen, dass eine ausschließliche Fokussierung auf Väter als Täter und Mütter als ausschließliche Opfer von Gewalt angesichts der Ergebnisse der Forschung zur geschlechtsspezifischen Symmetrie in der Forschungsliteratur zu familiärer Gewalt nicht gerechtfertigt ist. Das Geschlechterparadigma im Bereich der häuslichen Gewalt wurde auf der Konferenz weiter untersucht, und zwar vor dem Hintergrund von Daten, die darauf hindeuten, dass die Hälfte der häuslichen Gewalt wechselseitig ist und dass Gewalt von Frauen gegen Männer nicht, wie angenommen, in erster Linie defensiv ist. Die Tatsache, dass Gewalt von Frauen gegen Männer übersehen wurde, rückt in der Forschung zu häuslicher Gewalt zunehmend in den Fokus.
- Gleichzeitig sind Mütter und Kinder auf andere Weise von familiärer Gewalt betroffen als Väter. Gewalt gegen Frauen führt zu größeren Verletzungen, und geschlechtsspezifische familiäre Gewalt ist ein ernstes Problem bei Trennung und Scheidung der Eltern. Die Auswirkungen familiärer Gewalt sind für Mütter stärker ausgeprägt; von den Opfern familiärer Gewalt, die angeben, verletzt worden zu sein, sind zwei Drittel Frauen (Spencer et al., 2021, 2022). Durch die Ausgangssperren während der Coronavirus-Pandemie waren viele Frauen mit ihren Missbrauchern gefangen und größeren Gefahren ausgesetzt. Alle Arten von Gewalt gegen Frauen, einschließlich familiärer Gewalt, haben seitdem zugenommen.
Die Auswirkungen, die es auf Kinder hat, wenn sie Zeugen familiärer Gewalt werden, sind ebenfalls ein ernstes Problem: Kinder, die Zeugen von elterlicher Misshandlung werden, sind heute die häufigste Form von nachgewiesenem Kindesmissbrauch. In 34% der Fälle von nachgewiesener Kindesmisshandlung in Kanada sind Kinder Zeugen des Missbrauchs eines Elternteils durch den anderen Elternteil oder eine andere Elternfigur (Fallon et al., 2022). Studien über die Folgen für Kinder kommen zu dem Schluss, dass das Miterleben von elterlichem Missbrauch und familiärer Gewalt eine der schwerwiegendsten Formen des Kindesmissbrauchs ist, mit verheerenden Folgen für die Sicherheit und das Wohlergehen der Kinder (Fallon et al., 2022).
EMPFEHLUNGEN FÜR GESETZESREFORMEN, POLITIK UND PRAXIS
Die ICSP-Konferenz gab fünf Empfehlungen in Bezug auf Reformen des Familienrechts, Politik und Praxis im Bereich der Überschneidung von „Shared Parenting“ und familiärer Gewalt ab:
- „Shared Parenting“ ist eine praktikable Elternvereinbarung nach einer Trennung, die für die Mehrheit der Kinder und Familien optimal für die Entwicklung und das Wohlergehen der Kinder ist, auch für Kinder von Eltern mit hohem Konfliktpotenzial. „Shared Parenting“ verhindert auch erstmalige Gewalt in der Familie, da die Hälfte der erstmaligen Gewalt in der Familie zwischen Eltern im Zusammenhang mit einem Streit über die Betreuung der und Kontrolle über die Kinder auftritt. Der ICSP unterstützte daher eine widerlegbare Vermutung von „Shared Parenting“ in strittigen Fällen des Sorgerechts als Grundlage für eine Reform des Familienrechts. Wenn keine Gewalt in der Partnerschaft festgestellt wird, stellen das alleinige Sorgerecht und die Anordnung des Hauptwohnsitzes (Residenzmodell) eindeutig ernsthafte Risiken für Kinder und Eltern dar. Das alleinige Sorgerecht in Fällen, in denen keine familiäre Gewalt und kein Kindesmissbrauch vorliegen, ist eine fehlerhafte und gefährliche Politik, die die Sicherheit und das Wohlergehen von Kindern gefährdet und das Risiko von Gewalt nach einer Trennung in Familien ohne vorherige Gewalterfahrung deutlich erhöht hat.
- Es wurde Einigkeit darüber erzielt, dass die gemeinsame Erziehung (Shared Parenting) für die Mehrheit der Kinder und Familien, auch für Familien mit hohem Konfliktpotenzial, eine optimale Lösung darstellt, jedoch nicht in Fällen von nachgewiesener häuslicher Gewalt und Kindesmisshandlung. Der ICSP sprach sich daher für eine widerlegbare Rechtsvermutung gegen die gemeinsame Erziehung (Shared Parenting) in Fällen von Gewalt in der Familie aus. Dies steht im Einklang mit dem National Council of Juvenile and Family Court Judges und der Position der National Association of Women and the Law: In jedem Verfahren, in dem es um einen Sorgerechtsstreit geht, begründet die Feststellung des Gerichts, dass häusliche oder familiäre Gewalt stattgefunden hat, die widerlegbare Vermutung, dass es für das Kind schädlich und nicht in seinem besten Interesse ist, dem Täter der familiären Gewalt das alleinige Sorgerecht oder das gemeinsame Sorgerecht für die Person zu übertragen.
- Es wurde beschlossen, dass Gewalt in der Partnerschaft als strafrechtliche Angelegenheit betrachtet werden sollte und dass Hindernisse bei der strafrechtlichen Verfolgung von Tätern familiärer Gewalt und beim Schutz von Opfern familiärer Gewalt erkannt und beseitigt werden sollten. Es wurde anerkannt, dass geschlechtsspezifische familiäre Gewalt in dieser Hinsicht ein besonderes Problem darstellt, da Frauen unverhältnismäßig häufig Opfer schwerer Gewalt werden, die zu Verletzungen und zum Tod führt, und den vollen Schutz des Strafrechtssystems benötigen. Das Strafrecht schützt Frauen derzeit nicht so, wie es sollte, und die Anwendung des Familienrechts als Mittel zur Beurteilung, ob häusliche Gewalt stattgefunden hat, birgt große Risiken. Darüber hinaus forderte der ICSP die Kinderschutzbehörden auf, Kinder, die Zeugen von häuslicher Gewalt und Missbrauch eines Elternteils werden, als eine ernsthafte Form des Kindesmissbrauchs und als eine Angelegenheit des Kinderschutzes anzuerkennen, die eine sofortige Untersuchung erfordert, um festzustellen, ob ein Kind vor einem Elternteil oder vor beiden Elternteilen geschützt werden muss, und sofortige Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und des Wohlergehens der Kinder zu ergreifen.
- Die ICSP-Konferenz befasste sich mit Eltern-Kind-Entfremdung als einer häufigen Form von häuslicher Gewalt/Gewalt in der Familie in strittigen Sorgerechtsfällen und kam zu dem Schluss, dass sie von Praktikern, politischen Entscheidungsträgern, Juristen sowie Justiz- und Gesetzgebungsorganen als solche anerkannt werden sollte. Es wurde anerkannt, dass „Shared Parenting“ als Bollwerk gegen erstmalige familiäre Gewalt und elterliche Entfremdung dient. Eine wichtige Schlussfolgerung der Konferenz war, dass die Eltern-Kind-Entfremdung eine ungeheuerliche Form sowohl von familiärer Gewalt als auch von Kindesmissbrauch ist.
- In Bezug auf die Entwicklung von Richtlinien, Leitlinien und Verfahren zur Regelung der Elternschaft und „Shared Parenting“ nach einer Trennung im Kontext familiärer Gewalt machte der ICSP auf notwendige Reformen in der Berufspraxis im juristischen und psychologischen Bereich in vier Schlüsselbereichen aufmerksam:
(1) Häusliche Gewalt und die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften im Bereich psychische Gesundheit und Familienrecht sowie von Gesetzgebern und Entscheidungsträgern im Bereich Kinder und Familie
Die Festlegung von Standards für die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften im Bereich psychische Gesundheit und Recht im Bereich der gemeinsamen Elternschaft sowie für die Ausbildung von Gesetzgebern und Entscheidungsträgern im Bereich Kinder und Familie ist in den folgenden Bereichen dringend erforderlich:
Trauma, häusliche Gewalt und Eltern-Kind-Entfremdung in Partnerschaften und die Folgen für das „Shared Parenting“; Verfahren, Instrumente und Fähigkeiten zur Erkennung von Gewalt in der Partnerschaft und zur Bewertung von Sicherheitsrisiken; spezielle Fähigkeiten und Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und Bereitstellung spezieller Verfahren in Fällen von Gewalt in der Partnerschaft; und Alternativen zu „Shared Parenting“, wenn Gewalt eine Rolle spielt.
(2) Screening auf Gewalt in der Partnerschaft/häusliche Gewalt
Getrennte Eltern müssen in der Lage sein, sicher, freiwillig und kompetent zu verhandeln, um eine faire Einigung zu erzielen. Da Missbrauch die Fähigkeit einer Person, sicher und effektiv zu verhandeln, erheblich beeinträchtigen kann, sollten Fachkräfte im Bereich der Familienarbeit niemals ohne vorheriges Screening auf Missbrauch vorgehen. Die Vermutung gegen eine gemeinsame Elternschaft in Fällen von Gewalt in der Partnerschaft/häuslicher Gewalt deutet darauf hin, dass nur wenige Familien, in denen Gewalt vorliegt oder vorgelegen hat, für „Shared Parenting“ geeignet sind. Familienmitglieder sollten getrennt und in einer sicheren Umgebung befragt werden, um Folgendes zu beurteilen: die Risiken oder Bedrohungen durch familiäre Gewalt; die Sicherheitsbedürfnisse von Kindern; die Fähigkeit jedes Familienmitglieds, freiwillig und kompetent zu verhandeln und seine Bedürfnisse und Interessen zu vertreten; das Ausmaß von Machtungleichgewichten und ihre Auswirkungen auf Vereinbarungen zur gemeinsam verantworteten Elternschaft; und die Notwendigkeit sicherer und angemessener Alternativen zu „Shared Parenting“.
Als Hilfsmittel für die Beurteilung sollten Screening-Instrumente sorgfältig konzipiert werden und sollten nicht ein hohes Maß an investigativen Befragungen und Beurteilungen in Fällen ersetzen, in denen häusliche Gewalt/familiäre Gewalt ein Problem darstellt.
(3) Sicherheit und Fälle von früher familiärer Gewalt, in denen spezialisierte Interventionen eine gemeinsame Elternschaft ermöglichen können
Die Entwicklung von Protokollen, interdisziplinäre Zusammenarbeit und Forschung zur Wirksamkeit der gemeinsam verantworteter Elternschaft sollten darauf abzielen, Risiken zu minimieren und die Sicherheit zu maximieren, wenn häusliche Gewalt/Gewalt in der Familie in der Vergangenheit kein Problem mehr darstellt und Unterstützungsdienste für misshandelte Personen und ihre Kinder verfügbar sind. Bevor die gemeinsame Elternschaft in diesen Situationen als Option in Betracht gezogen wird, sollten Vorkehrungen für die Sicherheit getroffen werden. Diese Vorkehrungen sollten Richtlinien zur Warnung und zum Schutz gefährdeter Parteien sowie Anforderungen zur Meldung von Drohungen enthalten. Die Überprüfung auf Missbrauch und die Aufrechterhaltung von Sicherheitsvorkehrungen sind während des gesamten Prozesses fortlaufende Verpflichtungen. Spezialisierte Interventionen in Fällen von familiärer Gewalt in der Vergangenheit erfordern Sicherheitsüberlegungen für die Opfer sowie die Entwicklung und Anwendung spezifischer Fähigkeiten und Interventionen, um die Sicherheit vor, während und nach den Verhandlungen über die gemeinsame Elternschaft zu gewährleisten, Machtungleichgewichte auszugleichen und die Verhandlungen über die gemeinsam verantwortete Elternschaft sicher und effektiv zu beenden.
(4) Alternativen zu „Shared Parenting“ in Fällen von häuslicher Gewalt/familiärer Gewalt
Die folgenden Grundsätze sollten die berufliche Praxis in Bezug auf die Verpflichtung leiten, sichere Alternativen zu „Shared Parenting“ in Fällen von familiärer Gewalt zu gewährleisten: Sicherheit hat oberste Priorität; und jede Gemeinschaft sollte eine Reihe von Modellen zur Auflösung der Ehe anbieten, die rechtliche Verhandlungen, Gerichtsurteile, Mediation, Verhandlungen und moderierte Schlichtungskonferenzen umfassen. Die Gerichtsbarkeiten sollten über die Vorteile und Risiken der verfügbaren Alternativen aufklären und die erforderlichen Ressourcen bereitstellen, um den Opfern von Gewalt einen sicheren und zeitnahen Zugang zu Alternativen zur Auflösung der Ehe zu gewährleisten. Auch sollten Mittel für die Teilnahme von Anwälten aus der Gemeinschaft an Systemen zur Auflösung von Ehen bereitgestellt werden. Opfer von Gewalt sollten nicht zu gemeinsamen Erziehungsregelungen gezwungen werden, es sei denn, eine rechtliche Vertretung ist genehmigt und wirtschaftlich zugänglich. Die Notwendigkeit, Kinder zu schützen und zu fördern, die im Kontext von familiärer Gewalt/häuslicher Gewalt leben, sollte in strittigen Sorgerechtsfällen besonders berücksichtigt werden.
SCHLUSSFOLGERUNG
Die Reduzierung von Konflikten zwischen den Eltern und die Verhinderung von Gewalt in der Familie/häuslicher Gewalt einerseits und die Fortsetzung der verantwortungsvollen Beteiligung von Vätern am Leben ihrer Kinder im Zusammenhang mit Trennung der Eltern und Sorgerechtsstreitigkeiten andererseits sollten unsere vorrangigen Ziele sein, wenn wir uns mit Fragen im Zusammenhang mit der Überschneidung von Konflikten zwischen den Eltern, Gewalt in der Familie, häuslicher Gewalt und Vaterschaft nach einer Trennung befassen. Um diese Ziele zu erreichen, müssen wir die Grenzen unserer aktuellen Strategien überdenken und unsere aktuellen Theorien zu familiärer Gewalt und häuslicher Gewalt neu formulieren.
Angesichts der Tatsache, dass Gewalt in der Partnerschaft epidemische Ausmaße angenommen hat und eine globale Krise der öffentlichen Gesundheit darstellt, müssen wir anerkennen, dass unsere derzeitigen Bemühungen kaum dazu beigetragen haben, Gewalt in der Partnerschaft zu reduzieren und zu beseitigen. Wir müssen aufhören, diese gescheiterten Versuche zu verdoppeln, und nach neuen evidenzbasierten Lösungen, theoretischen Rahmenbedingungen für das Verständnis von Gewalt in der Partnerschaft und Paradigmenwechseln in Interventionsprogrammen für Kinder und Familien suchen, insbesondere in Zeiten hoher Belastung und hoher Risiken wie der Trennung der Eltern. Traditionelle straforientierte und konfrontative Mittel haben die Krise eindeutig verschärft, und radikale Neuformulierungen sind notwendig.
In diesem Artikel wurden sieben relevante Forschungsergebnisse untersucht, die eine Grundlage für sozio-rechtliche, politische und praktische Reformen bilden. Es wurden neue Wege diskutiert, um die gegenwärtige Sackgasse in Bezug auf Politik und Praxis an der Schnittstelle von interparentalen Konflikten, familiärer Gewalt, häuslicher Gewalt und Vaterschaft nach der Trennung zu überwinden, und zwar in Form von sieben Empfehlungen für theoretische, politische und praktische Reformen. Diese Ergebnisse und Empfehlungen werden jedoch in dem gegenwärtigen polarisierten Klima im Zusammenhang mit familiärer Gewalt und häuslicher Gewalt, Entfremdung der Eltern und gemeinsamer elterlicher Verantwortung nach Trennung und Scheidung der Eltern in Frage gestellt werden.
Die Bemühungen wohlmeinender Organisationen, Wissenschaftler, politische Entscheidungsträger, Praktiker und Befürworter zusammenzubringen, die an eigennützigen Ideologien und falschen Gegensätzen festhalten, Forschungsergebnisse ignorieren, die nicht mit ihren Weltanschauungen übereinstimmen, und sich weigern, gemeinsame Interessen und Konvergenzen anzuerkennen, die eine Grundlage für die Lösung von Divergenzen und Unterschieden bieten, sind gescheitert.
Es ist dieser Mangel an Dialog, der mehr als jeder andere Faktor zu unserer gegenwärtigen Sackgasse und unserer Unfähigkeit geführt hat, die Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit durch Gewalt in der Familie anzugehen. Der Schlüssel zur Verringerung der Gewalt in der Familie liegt darin, das Problem der Gewalt in der Familie offen und direkt anzugehen, und das gelingt uns weiterhin nicht, was auf Kosten der Kinder und Familien geht, die am unmittelbarsten von unserer Untätigkeit betroffen sind.
Angesichts der Fülle neuer Forschungsergebnisse der letzten 25 Jahre zu den Themen familiäre Gewalt und Gewalt in der Partnerschaft, Entfremdung von den Eltern, gemeinsame Elternschaft und die sich wandelnden Rollen von Vätern und Müttern ist es dringend erforderlich, die Auswirkungen dieser Forschungsergebnisse im Hinblick auf Reformen der Gesetzgebung, der Politik und der beruflichen Praxis zu untersuchen. Es ist dringend notwendig, einen Paradigmenwechsel in Bezug auf das Verständnis von familiärer Gewalt und häuslicher Gewalt in ihren vielen Formen als bidirektionale Phänomene, die sowohl Frauen als auch Männer, Mütter und Väter betreffen, herbeizuführen und Maßnahmen zu ergreifen, um häusliche Gewalt als Notfall im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu behandeln, mit Interventionsprogrammen, die darauf abzielen, häusliche Gewalt in all ihren Erscheinungsformen zu reduzieren und zu beseitigen. Wir müssen über das Geschlechterparadigma hinausgehen, um das gesamte Spektrum der familiären Gewalt und der Gewalt in der Partnerschaft (einschließlich der Entfremdung von den Eltern) im Zusammenhang mit der Trennung der Eltern zu verstehen. Es muss unbedingt zwischen Fällen mit hohem Konfliktpotenzial, bei denen es zu relativ geringfügigen, vereinzelten gewaltfreien Handlungen gekommen ist, und Fällen von häuslicher Gewalt, bei denen es zu einem Missbrauchsmuster gekommen ist, das Eltern und ihre Kinder traumatisiert hat, unterschieden werden. Und da es in der Verantwortung sozialer Einrichtungen liegt, Eltern bei der Erfüllung ihrer elterlichen Pflichten gegenüber den Bedürfnissen ihrer Kinder zu unterstützen, sollten Vertreter sozialer Einrichtungen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn eine solche Unterstützung ausbleibt.
Ich habe auf die umfangreiche Auflistung der Literaturangaben an dieser Stelle verzichtet.
Diese kann aber auf
https://newmalestudies.com/OJS/index.php/nms/article/view/423
eingesehen werden.