Ein Gastbeitrag von H.F.
https://www.deutschlandfunk.de/paedagogin-zum-corona-arrest-die-kinder-wollen-einfach-nur.680.de.html?dram:article_id=476063
Da hört man plötzlich von der interviewten NRW-Grundschulverbandsvorsitzenden Christiane Mika ab 4:47: „Die Mütter…“
„Mütter hätten berichtet, die Kinder wollten nicht mehr vor Arbeitsblättern sitzen, nicht mehr am Computer spielen, sie wollten einfach nur in die Schule. Den Kindern fehle der Austausch mit anderen.“
Wo sind die Väter in diesem Bericht? Warum berichten nur die Mütter, selbst wenn sie zahlenmäßig mehrheitlich berichten?
In feministisch regierten Ländern wie Schweden wäre eine solche Formulierung mindestens merkwürdig.
Ich gebe dem DLF und Frau Christiane Mika eine Chance und recherchiere. Könnte vielleicht auch ein zufälliger Versprecher sein, wachsen doch mindestens 40 % der Kinder in Deutschland in Familien nach Trennung und Scheidung auf, mit zwei Sorgeberechtigten meist, auch wenn das Familienministerium im Bundesland mit Doppelresidenz als Idealfall im Koalitionsvertrag weiterhin nach IFG NRW keine Definition von Getrennterziehenden kennt, aber eine Klarheit und Eindeutigkeit suggerierende Definition von Alleinerziehenden hat (gemeint sind Alleinerziehen-Müssende einerseits und Um-jeden-Preis-allein-erziehen-Wollende andererseits, die letztere bilden vermutlich zahlenmäßig eine Minderheit, und dazwischen alle möglichen Abstufungen von Entscheidungen und Dynamiken des Hinsteuerns auf ein sog. „Alleinerziehenden“-Modell, auch im sog. Patchwork).
Ich recherchiere zu der NRW-Grundschulverbandsvorsitzenden Christiane Mika, da es sich um einen Versprecher gehandelt haben könnte, den der DLF abgedruckt hat. Nein, es war – erwartungsgemäß – kein Versprecher:
https://www.ganztagsschulen.org/de/32039.php
„Auf die Frage, was eine der besten Entscheidungen gewesen ist, die sie an der Libellen-Grundschule bisher verantwortet hat, zögert Schulleiterin Christiane Mika keine Sekunde: „Die Einrichtung der Ganztagsklasse.““
Und weiter:
„Die Eltern nehmen unsere Schule nicht nur als Lehranstalt, sondern auch als Familienzentrum wahr. Die Mütter stehen da gewissermaßen im Mittelpunkt. Sie fühlen sich hier bei uns gut aufgehoben.“
Und so geht es fröhlich weiter.
„Angelika Strößner meint, es hätten sich inzwischen Müttergruppen gebildet, die erstaunlich viel miteinander in den Angeboten des Elterncafés unternehmen: (…) Und es gibt sogar einen „Frauenkinoabend“, an dem sich die Mütter anschließend über den Film austauschen.““
Was in feministisch regierten Ländern wie Schweden allein schon sprachlich kaum denkbar wäre (dort wäre vermutlich auch die allein schon historisch schlicht abwegige These[1] einer Alice Schwarzer, Feminismus sei noch nie rassistisch gewesen und könne es nicht sein, eher undenkbar), wird auf der Website des BMBF in guter Tradition des „langen Schattens“ des Mythos „der deutschen Mutter“ (Prof. Barbara Vinken) kommuniziert.
Hier erkennt man aus meiner Sicht auch die Traditionslinie u. a. auch zu dem seit 1934 millionenfach (in BRD wie auch in der DDR) aufgelegten Bestseller über die „deutsche Mutter“, von der Autorin, die auch den von den Alliierten verbotenen Bestseller „Mutter, erzähl von Adolf Hitler“ mit leichten Titeländerungen erfolgreich in die Nachkriegszeit hinüberrettete, und in Teile des bundesrepublikanischen Feminismus hinein, in welchem eine Alice Schwarzer öffentlich verkünden darf, dass Feminismus noch nie rassistisch gewesen sei oder sein könne, und eine Verbandsvorsitzende der NRW-Grundschulen im DLF in einer Sendung über Kontaktbeschränkungen und ihre Folgen für Kinder von Müttern sprechen kann, ohne an einer Stelle das Wort Vater zu erwähnen.
Warum plagiiert das Familienministerium nicht irgendetwas aus Ansätzen der Familien- und Bildungsministerien in feministisch geprägten Ländern wie Schweden?
Immerhin hat der Ehemann unserer Familienministerin jetzt hoffentlich etwas mehr Zeit für die gemeinsamen Kinder, nachdem er disziplinarrechtlich anscheinend seinen Beamtenstatus verloren hat:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/vg-berlin-27-l-4320-karsten-giffey-urteil-entlassung-darf-veroeffentlicht-werden-oeffentliches-interesse/
[1] Vgl. etwa aus der historischen Feminismus- und Rassismusforschung die wegweisende Monografie von Lora Wildenthal zur Verschränkung von Teilen des deutschen Feminismus mit Rassismus in historischer Perspektive: German Women for Empire, 1884-1945, Duke University Press 2001. https://www.dukeupress.edu/german-women-for-empire-1884-1945