Zugrunde liegende Entscheidungen:
Beschluss des AG Waldbröl vom 13.07.2020 – 18 F 139/19
Beschluss des OLG Köln vom 21.09.2020 – 26 WF 104/20
Wie in meinen anderen Artikeln zum Thema Corona schon dargestellt, hat Kanzlerin Merkel durch eine nicht in aller Konsequenz durchdachte Äußerung in ihrer Fernsehansprache vom 22.03.2020 eine Welle von Kontaktabbrüchen durch „alleinerziehende“ Mütter, unterstützt durch viele Jugendämter und andere Unterstützende des Kindesbesitzes, losgetreten.
Die Politik, allen voran das Bundesjustizministerium, brauchte einige Tage Reaktionszeit, um diese bösen Folgen durch eine Klärung in den Griff zu bekommen, was aber einige Jugendämter und weitere HelfershelferInnen noch lange nicht begreifen wollten.
In der Folge kam es zu naiv getarnten Böswilligkeiten von KindesbesitzerInnen, die den Kontakt des Kindes zum Vater rigoros unterbanden und damit familiengerichtliche Vereinbarungen ignorierten. Dieselbe Bösartigkeit zeigten auch Kindesbesitzer, die z.B. den Kontakt des Kindes zur getrennt lebenden Mutter boykottierten. Ich kenne auch einen Fall von Verweigerung des seit langer Zeit laufenden Videotelefonie-Kontaktes wegen Corona(!).
Insbesondere Richterinnen an Provinzgerichten, die mit der gegenüber wohnenden Anwältin regelmäßig beim Kaffeetrinken zusammen sitzen, übten sich anlässlich der darauf folgenden Familiengerichtsverfahren im Decken mütterlicher feudaler Besitz- und Alleinbestimmungsansprüche. Da genügt dann die medizinische Expertise der Mutter, wenn diese durch die Richterin als „glaubhaft und nachvollziehbar“ geadelt wird.
Im Folgenden ein anschauliches Beispiel, wie sowas funktioniert.
Die aufmerksame Lektüre der korrigierenden Entscheidung des OLG Köln lohnt sich.
Amtsgericht Waldbröl
Familiengericht
18 F 139/19
Erlassen am 13.07.2020
Beschluss
In der Zwangsvollstreckungssache
betreffend die minderjährigen Kinder K1 und K2, an der weiter beteiligt sind:
- Herr V
Antragsteller,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwalt RA1
- Frau M
Antragsgegnerin
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin RAin2
hat das Amtsgericht Waldbröl auf die mündliche Verhandlung vom 22.06.2020 durch die Richterin am Amtsgericht Bischoff beschlossen:
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Verfahrenswert wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
Der Antragsgegnerin ist durch gerichtlich genehmigte Vereinbarung gemäß § 156 Abs. 2 FamFG des Amtsgerichts-Familiengericht-Waldbröl vom 11.11.2019, Az. 18 F 139/19, zugestellt am 19.11.2019, aufgegeben worden, die Kinder K1 und K2 zum Zwecke der Ausübung des Umgangsrechts an den Antragsteller herauszugeben.
Die Antragsgegnerin hat die Kinder sowohl am 30.03.2020 als auch am 04.04.2020 nicht zur Ausübung des Umgangs an den Antragsteller herausgegeben.
Der Antragsteller beantragt, ein Ordnungsgeld gegen die Antragsgegnerin festzusetzen.
Er trägt vor, die Festsetzung eines Ordnungsgeldes sei gerechtfertigt, da die Antragsgegnerin keinerlei Gründe gehabt habe, die Kinder nicht zum Umgang herauszugeben. Das Berufen auf die Erkältung der Kinder und die Coronapandemie habe dieses Verhalten nicht gerechtfertigt.
Der Antrag ist unbegründet.
Ein Ordnungsgeld wird nicht festgesetzt.
Gemäß § 89 Abs. 1 FamFG kann bei Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel ein Ordnungsgeld festgesetzt werden.
Gemäß § 89 Abs. 4 FamFG unterbleibt die Festsetzung eines Ordnungsmittels, wenn der Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat.
Die Antragsgegnerin hat vorgetragen und bei ihrer Anhörung glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass die Kinder an dem Wochenende ab dem 20.03.2020 erkältet waren und sie wegen der bestehenden Coronapandemie unsicher war, ob die Kinder Umgang mit dem Antragsteller hätten haben dürfen. Auch an dem Wochenende ab dem 04.04.2020 sei sie noch so unsicher gewesen, dass sie nicht gewusst habe, ob es verantwortbar gewesen sei, die Kinder herauszugeben.
Diese Einschätzung der Kindesmutter ist aufgrund der Pandemielage nachvollziehbar und rechtfertigt nicht die Festsetzung eines Ordnungsgeldes.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben.
Sie steht jedem zu, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht- Familiengericht- Waldbröl, Gerichtsstr. 1, 51545 Waldbröl oder dem Beschwerdegericht, dem Oberlandesgericht Köln, Reichenspergerplatz 1, 50670 Köln schriftlich in deutscher Sprache oder, sofern die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht geboten ist, zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen: Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb von zwei Wochen bei dem Amtsgericht – Familiengericht – Waldbröl oder dem Oberlandesgericht Köln eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
Bischoff
Amtsgericht Waldbröl
Oberlandesgericht Köln
Familiensenat
Beschluss
26 WF 104/20
Erlassen am 21.09.2020
ln der Vollstreckungssache
betreffend die minderjährigen Kinder K1 und K2,
an der beteiligt sind:
- Herr V
Beschwerdeführer, Antragsteller und Kindesvater,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwalt RA1
- Frau M
Kindesmutter, Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin RAin2
hat der 26. Zivilsenat-Familiensenat- des Oberlandesgerichts Köln
durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Brögelmann als Einzelrichter
am 21. September 2020 beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts Waldbröl vom 13. Juli 2020 dahingehend abgeändert, dass gegen die Kindesmutter ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 € und ersatzweise, für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von zwei Tagen festgesetzt wird.
Die Kindesmutter hat die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
Dem Kindesvater wird für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Cakir in Frankfurt ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes durch das Amtsgericht wird aufgehoben.
Gründe
- Die nach §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und insbesondere gemäß § 569 Abs. 1 ZPO fristgerecht innerhalb von zwei Wochen eingelegt worden. Über die sofortige Beschwerde entscheidet nach§§ 87 Abs. 4 FamFG, 568 S. 1 ZPO der Senat durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter.
- Die sofortige Beschwerde hat in der Sache ebenfalls Erfolg.
Weil die Mutter entgegen dem gerichtlich gebilligten Umgangsvergleich vom 11. November 2019 (Az. 18 F 139/19) die Kinder sowohl für das Wochenende 21./22. März 2020 (12. Kalenderwoche) als auch für das Wochenende 4./5. April 2020 (14. Kalenderwoche) dem Vater nicht zur Ausübung des Umgangsrechts übergeben hat, ohne an der Befolgung des Umgangsvergleichs gehindert gewesen zu sein, ist gegen sie ein Ordnungsmittel zu verhängen. Gemäß § 89 Abs. 1 FamFG kann bei Zuwiderhandlungen gegen einen Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs das Gericht gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld oder Ordnungshaft anordnen.
a) Ein gerichtlich gebilligter Vergleich nach § 156 Abs. 2 FamFG ist Vollstreckungstitel gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG und kann als solcher Grundlage für die Festsetzung eines Ordnungsgelds nach § 89 FamFG sein. Laut dem vom Amtsgericht Waldbröl gerichtlich gebilligten Umgangsvergleich vom 11. November 2019 findet beginnend mit dem 15. November 2019 jedes Wochenende einer geraden Kalenderwoche von Freitag, 14 Uhr, bis Sonntag, 18 Uhr, Umgang zwischen dem Vater und seinen beiden Söhnen statt. Eine ordnungsgemäße Belehrung über die Folgen einer Zuwiderhandlung im Sinne von § 89 Abs. 2 FamFG ist erteilt Die Antragstellerin hat die Kinder aber zur Durchführung des Umgangs an beiden Wochenenden in der 12. und 14. Kalenderwoche jeweils nicht übergeben.
b) Nach § 89 Abs. 4 S. 1 FamFG unterbleibt die Festsetzung eines Ordnungsmittels nur, wenn der Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat. Gelingt es dem Verpflichteten nicht, detailliert zu erläutern, warum er an der Befolgung der gerichtlichen Anordnung gehindert war, kommen ein Absehen von der Festsetzung des Ordnungsmittels oder die nachträgliche Aufhebung des Ordnungsmittels nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 19.02.2014- XII ZB 165/13, FamRZ 2014, 732 ff., juris Rn. 22).
Gründe, welche die Durchführung des Umgangs an den beiden Wochenenden der 12. und 14. Kalenderwoche undurchführbar gemacht hätten, lagen nicht vor. Die Kontaktbeschränkungen [wg. Corona] standen der Durchführung des Umgangs nicht entgegen, weil diese nicht die Kernfamilie erfassten, selbst wenn die Eltern in verschiedenen Haushalten leben. Ein gesetzliches Verbot des Umgangs bestand zu keinem Zeitpunkt. Denn der Umgang zwischen dem nichtbetreuenden Elternteil und dem Kind gehört zum absolut notwendigen Minimum zwischenmenschlicher Kontakte und unterfällt damit einem Ausnahmetatbestand (OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.07.2020 – 1 WF 102/20, juris Rn. 19 mwN). Auch eine (leichte) Erkältung stand dem Umgang nicht von vornherein entgegen. Da sich grundsätzlich auch der Umgangselternteil um das kranke Kind kümmern kann, steht eine Erkrankung dem Umgang nur entgegen, wenn das Kind krankheitsbedingt nicht transportfähig ist (Rake in: Johannsen/Henrich/Althammer, 7. Aufl. 2020, § 89 FamFG Rn. 12), wofür im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte bestehen.
Zwar hätten die Eltern einvernehmlich den Umgang ausfallen lassen können. Der Mutter·stand aber kein Recht zu, einseitig zu entscheiden, ob der Umgang entsprechend dem Umgangsvergleich durchgeführt wird oder wegen neu eingetretener Umstände unterbleiben sollte. Die Durchführung des Umgangs steht nicht in ihrem Ermessen. Will sich der Verpflichtete auf neu eingetretene Umstände berufen, aus denen sich seiner Auffassung nach eine Kindeswohlgefährdung durch den angeordneten Umgang ergibt, muss er durch einen Antrag auf Abänderung des Ausgangstitels gemäß §§ 166 FamFG, 1696 BGB ein neues Erkenntnisverfahren eröffnen und im Falle der Eilbedürftigkeit zugleich die einstweilige Einstellung der Vollstreckung nach § 93 Abs. 1 Nr. 4 FamFG beantragen (BGH, Beschluss vom 19.02.2014 – XII ZB 165/13, FamRZ 2014, 732 ff., juris Rn. 26), was jedoch nicht geschehen ist.
Der Umstand, dass die Mutter sich aus gesundheitlichen Gründen – irrtümlicherweise – berechtigt gefühlt hat, aus einem ihrer Auffassung nach wichtigen Grund die Umgangsregelung abzuändern, lässt ihr Verschulden nicht entfallen, denn im Rahmen des § 89 Abs. 4 FamFG und nach dem anzuwendenden Verschuldensmaßstab reicht auch Fahrlässigkeit (OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. Juli 2020- 1 WF 102/20, juris Rn. 18).
c) Bei der Ausübung des durch § 89 Abs. 1 S. 1 FamFG eingeräumten Ermessens („…kann“) ist vor allem zu berücksichtigen, dass das Vollstreckungsverfahren der effektiven Durchsatzung einer gerichtlichen Entscheidung dient, die im Erkenntnisverfahren unter umfassender Beachtung der Vorgaben des materiellen Rechts – und mithin auch des Kindeswohls – getroffen wurde. ln den meisten Fällen ist das Ermessen deshalb dahingehend ausüben, dass ein Ordnungsmittel anzuordnen ist (BT-Drucks. 16/9733, S. 292). Das trifft auch auf den vorliegenden Fall zu.
d) Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – einschließlich der wirtschaftlichen Situation der Mutter – erscheint ein Ordnungsgeld von 200 € zunächst ausreichend, aber auch erforderlich, um die Einhaltung des Umgangsvergleichs durchzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs. 5, 81 FamFG. Die Wertfestsetzung des Amtsgerichts ist aufzuheben, weil die Voraussetzungen für die Wertfestsetzung des §§ 55 Abs. 2, 54 FamGKG mangels wertabhängiger Gerichtsgebühren fehlen.
Dr. Brögelmann
Richter am Oberlandesgericht
Ich bitte um Zusendung weiterer positiver wie negativer Entscheidungen von Familiengerichten zu Umgangsboykotten mit der Begründung „Corona“ an
krieg@vafk-karlsruhe.de