Der Kontakt zu unserer großen Tochter ist leider wieder sehr eingeschlafen. Ich kann wie immer nur rätseln, woran es liegen könnte. Sie ist einfach wahrscheinlich ganz in ihrem Tun und Wirken, “in einer anderen Welt”. Für die meine hat sie sich auch schon vor der Pubertät sehr wenig interessiert, zum Beispiel, als ich ihr von der Reise nach Indien erzählen wollte und meine kleine Tochter alle Geschichten und Bilder förmlich aufgesaugt hat. Dieses eklatante Desinteresse interpretiere ich als eine klare Folge der Entfremdung von mir als Elternteil.
Ich habe inzwischen zumindest – so meine ich – durchdrungen, wie es zu der Situation des letzten nun fast schon eineinhalb Jahrzehnts gekommen ist.
Und ich muss eingestehen: Ich könnte nicht mehr behaupten, dass ich als Frau und Mutter mich nicht hätte ebenso korrumpieren und beeinflussen lassen.
Da ich ja jetzt bei der Kleinsten zuhause bin, diese Phase des Kleinkindes also intensiv mitbekomme und die Mutter manchmal auch unter der Woche tagelang bei ihrer großen Tochter in der Stadt bleibt, weiß ich zu gut, wie sehr es sich vereinfacht, wenn mensch als ein Elternteil den Alltag ohne Absprache mit dem anderen Elternteil frei gestalten kann. Wenn ich – so wie über das letzte Wochenende – vier Tage am Stück mit der Kleinen zusammen bin, dann “flutscht” die Sache, wir haben unseren Rhythmus, die Kleine hört einigermaßen auf mich (jedenfalls deutlich besser, als wenn Mama da ist), ich finde die Anziehsachen ohne großes Gesuche, etc., etc.
Wenn ich dann erlebe (zumeist von älteren Damen im Zug), wie bewundernde, wohlwollende Blicke und begeisterte Worte über diese liebevolle Zuwendung eines Vaters zu seiner kleinen Tochter wirken und mir vorstelle, das paart sich dann noch mit den vielfachen “Begünstigungen” und Zuwendungen für eine “Alleinerziehende”, dann, ja dann ist es fast schon selbstverständlich, sich “sein eigenes Kind” zu nehmen und den nervenden Anderen außen vor zu halten.
Hätte ich meine vier Kinder bei mir wohnen – so wie ihr Mütter es machen könnt und es mein tiefster Wunsch ist, dann würden mir etwa 2000.- EUR im Monat gesichert an staatlichen Zuwendungen bzw. an Unterhaltsleistungen des anderen Elternteils zufließen (Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld, Unterhaltsvorschusskasse oder Unterhalt).
Das sind starke Argumente, sich – wie ich finde – tatsächlich davon korrumpieren zu lassen.
Mein Verhalten ist ja keine Reaktion auf irgendein Verhalten einer anderen Person, sondern jeder trägt für seine Handlungen die eigene Verantwortung. Ich bin schon immer daran, meine Verantwortung umfassend wahrzunehmen. Ob mir das gelingt, das wird sich wohl erst in der Rückschau erweisen. So, wie es sich zeigen wird, ob es unserer großen Tochter vielleicht doch einfach nur gutgetan hat, konstant nur bei ihrer Mutter aufzuwachsen, ohne ein Hin- und Hergependel.
Als so netter, liebevoller, umgänglicher und zugewandter Mensch, wie Deine Freunde von Dir berichten, da müsste man ja davon ausgehen, dass ich Dir sonst was angetan haben müsste, dass Du mich aus Deinem Leben bis zur Gänze gelöscht hast! Dass ich da etwas “Enormes” bei dir getriggert habe und Auslöser für eigene traumatische Anteile bin, das ist bestimmt so.
In Bezug auf meine Möglichkeiten, ein vorhandener Vater für meine erstgeborene Tochter zu sein, gibt es für mich keine Rechtfertigung des Zustands. Dass ich mehr Zeit damit verbringe, Gerichtsschreiben zu beantworten, als mit meiner Tochter die Welt zu entdecken … sehr, sehr traurig. Mein Trauma, sicherlich eines, das sich – so wie die Unterhaltsschulden (Zwangshypotheken) – auch in die Psyche der nächsten Generation weiterträgt.
Ich erwarte keinerlei Antwort. Wenn Du allerdings Vorschläge für eine andere Wahrnehmung und einen anderen Blick auf die Dinge hast (frei von den immer gleichen Vorwürfen), dann bin ich da sehr offen für.