Dieser Artikel ist relevant für Wahlentscheidungen von Vätern und Müttern
Liebe Bündnis 90/die Grünen,
ich bin 37, Familienvater von zwei Kindern (5, 8) und interessiere mich entsprechend stark für eure Familienpolitik. Bereits zu Beginn der Themenseite „Familie“ findet man in euerem Wahlprogramm eine Abbildung, auf welcher ein Vater sich mit seinen Kindern beschäftigt. Das stimmt sehr positiv!
Darunter finde ich Blöcke zu Themen wie Kinderrechten, Kinderschutz oder meinem Herzensthema Bildung. Ich finde gleich vier Themenblöcke zu Ihren Zielen bezüglich gleichgeschlechtlicher Beziehungen zwischen Frauen mit Kinderwunsch (Diskriminierung lesbischer Elternpaare, Regenbogenfamilien mit anderen Herkunftsfamilien gleichstellen, Rückschlag für Regenbogenfamilien, wenn die Mutter lesbisch lebt). Der Punkt „Alleinerziehende“ wird in „Bessere Bedingungen für Alleinerziehende schaffen“ aufgegriffen.
Väter bleiben völlig außen vor. Mich interessiert, welche Rolle Sie dem Vater in der Familie zuschreiben. Rechtlich gibt es derzeit enorme Missstände:
– Wird ein nicht eheliches Kind geboren, ist die Rolle des Vaters auf „Erzeuger“ reduziert. Er hat weder Anspruch auf Betreuungszeit noch irgendein Mitspracherecht bei Entscheidungen. Nur, wenn die Mutter schriftlich zustimmt, ist der Vater auch erziehungsberechtigt.
– Nach der Trennung einer Ehe werden die Kinder automatisch der Mutter zugeschrieben und der Vater fällt ins veraltete Rollenbild des Versorgers durch Alimente. Mitspracherecht des Vaters, wie Betreuungszeiten eingeteilt werden, ist null. Auch sonst hat der Vater keinerlei Rechte bei Entscheidungen zum Kind. Sein Job ist – er zahlt. Auch wenn er sich während der Beziehung hälftig um seine Kinder gekümmert hat. Das interessiert nach der Trennung keinen mehr.
– Eine Mutter kann einen Kindesentzug spielend umsetzen. Sie zieht einfach 200 km mit dem Kind weg, ohne den Vater zu informieren. Nach zwei Wochen gilt das als eingefahrener Zustand (Begründung einer neuen Kontinuität) und wird nachträglich rechtlich legitimiert, anstatt diesen Gewaltakt als das zu bezeichnen, was es real ist: Kindesentziehung bzw. Kindesentführung.
– Überlässt eine Mutter dem Vater großzügigerweise doch 48% der Betreuungszeit, hat dieser beide Rollen inne. Er zahlt voll nach Düsseldorfer Tabelle und übernimmt seinen Teil der Betreuung. Erst bei exakt 50% muss die Mutter auch auf die finanziellen Konsequenzen des Wechselmodells eingehen.
Das derzeitige Familienrecht drängt Frauen nach der Trennung ins Hausfrauenmodell – sie allein hat die Kinder, sie allein entscheidet über die Kinder. Zwar ist sie finanziell durch die Alimente vom Vater (bzw. vom Papa Staat) abgesichert, jedoch auch abhängig und hat null Altersvorsorge. Sind die Kinder 18, bekommt die Mutter ein großes Problem.
Ich plädiere dafür, Väter nach der Trennung mehr in die Verantwortung zu nehmen. Kinder brauchen einen Vater und eine Mutter. Gleichberechtigung in der Beziehung, Gleichberechtigung beim Job und bitte auch Gleichberechtigung nach der Trennung. Das Wechselmodell muss zum Standard werden.
Ja, ich bin betroffen: Lebe in Scheidung, betreue >45% und zahle voll. Während der Ehe habe ich meine Exfrau (Physikerin) bei einem Zweitstudium unterstützt, habe Erziehungszeit genommen und meinen Job als Vater ernst genommen. Heute, als Trennungsvater, habe ich „Umgangsrecht“ und Zahlungspflicht – das wars.
Derzeit finde ich mich als Vater noch nicht in Ihrem Parteiprogramm wieder. Bitte belehren Sie mich eines Besseren. Weisen Sie offen aus, dass aus Sicht von Bündnis 90/die Grünen auch Väter zur Familie gehören (nicht nur auf dem Bild der Startseite).
Kinder brauchen beide Eltern.
Ich brauche Argumente, warum ich als Vater ausgerechnet Sie wählen könnte.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Müller