„Karlsruher Kind“, Ausgabe September 2003, Seite 3
Gemeinsame Sorge – für den „Väteraufbruch“ die allein adäquate rechtliche Form von Elternschaft
Sie lernten sich als Lehrer im selben Kollegium kennen und starteten einen gemeinsamen Lebensweg. Nach 17 Jahren ehegleichen Zusammenlebens ohne Trauschein und zwei Kindern im Alter von elf und zwei Jahren trennte sich die Mutter vom Vater ihrer Kinder, um sich weiterhin selbst verwirklichen zu können. Sie wusste, dass das Familienrecht dafür sorgte, dass der Vater dabei zum alleinigen „Zahlvater“ würde und wusste sich im Karlsruher Umfeld in der Situation, auch dann noch alle Institutionen hinter sich zu wissen, wenn sie sich rücksichtslos egoistisch gebärdete. In der Folge ließ sie die Kinder regelmäßig vier Tage pro Woche allein bei gleichzeitigem Kontaktverbot zum Vater, der im nächsten Haus wohnte. Das Jugendamt war darüber informiert, meinte aber, dass man da nichts machen könne, „die Mutter wünscht keine Veränderung“.
Dies sei kein Einzelfall. Es sei ein Muster, das politisch mit System genau so gewollt sei, so Franzjörg Krieg, Gründer und Sprecher vom „Väteraufbruch für Kinder“, Kreisgruppe Karlsruhe. Der §1626 BGB bestimmte bis zum 01.07.1998, dem Datum des Inkrafttretens der Kindschaftsrechtsreform, dass im Fall einer nicht ehelichen Geburt grundsätzlich die Mutter das alleinige Sorgerecht hat. Die Kindschaftsrechtsreform brachte als Änderung, dass jetzt nicht verheiratete Eltern die Chance haben, die gemeinsame Sorge zu erklären. Allerdings ist hierbei allein die Zustimmung der Mutter maßgeblich. Verweigert sie dem Vater ihrer Kinder (und damit auch ihren Kindern selbst) diese Rechtsform, bleibt es beim alleinigen Sorgerecht der Mutter. Dies widerspricht nach Ansicht des „Väteraufbruchs“ nicht nur der UN-Kinderrechtskonvention, sondern auch eindeutig dem Grundgesetz.
In seinem Urteil vom 29.01.2003 bestimmte das Bundesverfassungsgericht, dass diese Regelung weiter Bestand haben solle. „Nicht ehelich geborenen Kindern wird per Gesetz der Vater vorenthalten und nicht eheliche Väter werden pauschal sexistisch diskriminiert“, so Krieg. Die Begründung: Überwiegend drückten Väter durch die Weigerung, zu heiraten, damit ihre Weigerung aus, Verantwortung zu übernehmen. „Selbst wenn das so wäre, würden alle verantwortungsbewussten Väter in Sippenhaft genommen. Dieser Tatbestand ist im Familienrecht Regel. Obwohl es nachweislich verantwortungslose Mütter gibt, bekommen alle Mütter pauschal alle Rechte und kostenlose Beratungs- und Hilfsangebote. Weil es aber auch verantwortungslose Väter gibt, werden Väter alle pauschal entrechtet und werden in der Beratung kurz und restriktiv auf den kostenpflichtigen Klageweg verwiesen.“, so Krieg weiter. „Jeder Mann wird zum potentiellen Täter, jede Frau zum Opfer.
Da sowohl das Bundesfamilienministerium als auch das Bundesjustizministerium von Ministerinnen geführt wird und diese der bundesdeutschen Frauenszene verpflichtet sind, wundert es nicht, wenn Väter außen vor bleiben. Sogar das Bundesverfassungsgericht verdeutlichte in seinem Urteil zum §1626, dass es eben nicht unabhängig ist, sich dieser Szene verpflichtet fühlt und benutzte die Tatsache, dass statistische Untersuchungen über die Situation nicht verheirateter Paare immer noch verhindert werden, dazu, zu behaupten, dass nicht ehelich geborene Kinder weit überwiegend in eine Situation hineingeboren werden, in der der Vater eh nicht mehr anwesend sei. Frau Schwab, die Vertreterin des Verbandes allein erziehender Mütter (und einigen Alibi-Vätern) spricht öffentlich von 96% und fordert deshalb das alleinige Sorgerecht für Mütter. Dieser Forderung gab das BVerfG nach. Dabei wurde in der Verhandlung von „Faschingsprinzen“ gesprochen, Kindern, deren Geburt die Folge eines one night stand am Schmutzigen Donnerstag war. Auch die Kinder aus eingangs zitiertem Fall werden als solche pauschal diffamiert, indem das für sie geltende Gesetz von der behaupteten überwiegenden Existenz solcher Faschingsprinzen bestimmt ist.“, so Krieg.
Das BVerfG meinte, so Krieg, dass nicht verheiratete Mütter, die den Vater real mit sorgen lassen, natürlich so fair seien und einem gemeinsamen Sorgerecht zustimmen. „Es ignorierte die Tatsache, dass die meisten Mütter den Vater zwar mit sorgen lassen, aber sich eifersüchtig davor hüten, das Privileg des alleinigen Sorgerechtes, das ihnen als Geschenk ins Wochenbett gelegt wurde, aus der Hand zu geben. Selbst wenn sie sich aus grundsätzlichen Überlegungen im Interesse des Kindes trotzdem für das gemeinsame Sorgerecht entscheiden, werden sie in der Beratung beim Jugendamt meist von der Unrichtigkeit ihres Vorhabens überzeugt. Das System hebelt sich selbst aus – es geschieht das Gegenteil dessen, was das Bundesverfassungsgericht meint, voraussetzen zu müssen.“
Das BVerfG machte ein kleines Zugeständnis: Nicht verheiratete Väter, die sich vor dem 01.07.1998 trennten, können gerichtlich überprüfen lassen, ob auch ohne die Zustimmung der Mutter das gemeinsame Sorgerecht dem Kindeswohl dient. Bis Ende dieses Jahres muss eine gesetzliche Anpassung vorgenommen werden.
Warum hat das gemeinsame Sorgerecht überhaupt eine Bedeutung? Selbst bei Vorlage eines solchen kann der Elternteil, bei dem sich das Kind überwiegend aufhält, in allen Fragen der Alltagssorge selbst entscheiden. Nur bei wichtigen Entscheidungen (Schulwahl, Taufe, etc.) müssen die Eltern in der Lage sein, die Paarebene von der Elternebene zu trennen und werden zum konstruktiven Dialog im Interesse des Kindes verpflichtet. Krieg: „Das alleinige Sorgerecht stigmatisiert ein Kind als Trennungskind mit nur einem ,richtigen’ Elternteil. Es wird ihm z.B. verdeutlicht, dass der Vater zwar ein netter Kerl aber ansonsten ein Trottel ist, der außer dem Erarbeiten einer monatlichen Überweisung nichts zu sagen hat.
Seit der Kindschaftsrechtsreform werden die Eltern dazu angehalten, ihre Rolle als Eltern auch nach Trennung oder Scheidung ernst zu nehmen, trotz Trennung Eltern zu bleiben und in der Lage zu sein, alles, was ihre gemeinsamen Kinder betrifft, selbst regeln zu können. „Dies allein berücksichtigt die Interessen des Kindes unter den ungünstigen Voraussetzungen einer Trennung am besten. Richter, die diesem Geist der Kindschaftsrechtsreform dienen, sprechen nicht pauschal „Recht“ und küren damit unter Erwachsenen einen Gewinner und einen Verlierer, sondern fördern durch ihre Entscheidungen die gemeinsame selbstverantwortliche Elternschaft, machen im Grundsatz das Kind zum alleinigen Gewinner.“, so Krieg abschließend.
Der Väteraufbruch hält das „Sorgerecht“ als Recht von erwachsenen Eltern für nicht schlüssig. Für ihn hat allein das Kind ein Recht auf Sorge, auf Umsorgtwerden, was für beide Eltern nicht vorrangig ein Recht begründet, sondern die Pflicht, für das Kind zu sorgen. Diese Änderung in der Sichtweise müsse sich zunehmend auf allen Ebenen durchsetzen.