Ich konnte in den letzten Jahren an verschiedenen OLGs Beschwerden initiieren, die geeignet waren, unser System von familialer Gerichtsbarkeit an seine Grenzen zu bringen.
Wo wird dieses System seinem in der Beratung geforderten Anspruch gerecht und ab welchem Punkt zieht es sich nur noch auf Paragrafen oder auf ideologische Standpunkte (unter Missbrauch von Vorgaben) zurück?
Das Familienrecht besteht aus einem Dschungel von juristischen Vorgaben, sozialpädagogischen sowie psychologischen Ansprüchen und ideologischen Haltungen, was eben dieses Geschäft einerseits so interessant, andererseits aber auch so schmutzig macht.
Ich konnte auf der erstinstanzlichen Ebene bedeutende Beschlüsse wesentlich mitbestimmen, die von mutigen Richterinnen und Richtern erlassen wurden und sich danach auch immer als richtig – oder besser als „weise“ – erwiesen haben.
Wenn eine komplett an die Wand gefahrene Elternbeziehung als Entscheidung der ersten Instanz beim OLG landet und nochmals auf den Prüfstand kommt, erfolgt meist eine Abweisung der Beschwerde. Es kommt also darauf an, das Problem so darzustellen, dass die in der ersten Instanz gefundene nachvollziehbare Entscheidung nicht als Lösung, sondern als der Kern des Problems gesehen werden kann.
Die OLGs werden in einem solchen Fall meistens dem in sie gesetzten angemessenen Format gerecht. Das will sich keine/r entgehen lassen: Es erscheint der volle Senat.
Sie verstehen, dass es in diesem Fall darum geht, die Grenzen der Leistungsfähigkeit unserer familialen Gerichtsbarkeit abzustecken.
Wie weit können sie mithalten? Ab welchem Punkt geben sie auf?
In einer solchen Verhandlung sehen reine Juristen meistens schlecht aus.
Sie denken allein in ihren eigenen Kategorien, und das auf eine Weise, die nicht mehr nur juristisch zu verstehen ist, sondern allein als Folge einer pervertierten Rechtspraxis verstanden werden kann. Die Formel „Kindesmutter“ kommt in keinem Gesetzestext vor, ist aber üblicher Sprachgebrauch. „Umgang gewähren“ ist kein Inhalt von Gesetzestext, sondern allein alltäglicher juristischer Sprachgebrauch.
Wird in einer OLG-Verhandlung diese pervertierte Rechtspraxis auf den Prüfstand gestellt und der hehre Anspruch – z.B. das wirkliche Interesse des Kindes statt der semantischen Hure „Kindeswohl“ – zum Inhalt gemacht, entstehen Verhandlungen, die so nur am OLG ablaufen können.
Ich werde Beispiele aus dieser Schublade demnächst hier einstellen.
Am 12.07.2020 schreibe ich an einen Vater, der von seiner pubertierenden Tochter in einer unsäglichen Art geliebt und dominiert wird (Absagen, mit Herzchen und Blümchen garniert…):
Du bewegst Dich schon seit Jahren an der Grenze dessen, was unser System leisten kann.
Damit ist auch bestimmt, was die Richterin in diesem Fall als Ergebnis liefert, was das Jugendamt dazu sagt und was in der Beratung geschwafelt wird.
Lies Dir nochmals meine Einstellung zum Thema SYSTEM durch.
Wir haben mütterzentriertes Residenzmodell, in dem die Befindlichkeit der Mutter alles steuert und in dem das Kind dazu benutzt wird, die narzisstischen Befindlichkeiten der Mutter umzusetzen. Dabei geht jede Erziehung den Bach runter. Kinder werden als Entscheider missbraucht, ihnen wird die Last der Schuld auferlegt, weil sie schließlich die Entscheidung bestimmt haben und sie werden dazu angehalten, einen Elternteil zu dominieren.
Das ist alles absoluter Blödsinn – aber es ist Fakt und Methode in unserem System.
Genau damit musst, kannst und darfst Du rechnen.
Wenn etwas besser läuft, dann nur, wenn es Einzelpersonen im System gibt, die den ideologischen Rahmen sprengen, die Rückgrat haben, die Haltung zeigen und auch den Mut haben, ihre Schlüsse umzusetzen.
Darauf hast Du aber kein Anrecht. Das ist möglich oder eben nicht.
Genau dafür habe ich die Artikelreihe GRENZERFAHRUNGEN begonnen.