Initiative von Bündnis 90 / Die Grünen Baden-Württemberg
Antwort des VAfK, Landesverband Baden-Württemberg
Prolog:
Viele Fragen erinnern mich an eine Info-Veranstaltung zur Vorgehensweise der familialen Intervention in Cochem mit 2 Vertretern der dortigen Protagonisten für die familiale Interventionsszene in Karlsruhe. Die beiden Referenten erzählten von ihrer Arbeit und führten aus, dass sie sich immer noch in einem Prozess befinden, der im Fluss ist und dass fertige Rezepte in diesem Kontext kaum existieren und vermittelbar sind. Trotzdem rankten sich alle Fragen um das Problem: Wie macht ihr das?
In meiner Wortmeldung vertrat ich die Ansicht, dass die erste Aufgabe nicht die Frage nach dem Weg sein muss, sondern die konsensuale Verständigung auf ein Ziel. Wenn das Ziel klar ist, ist der Weg im Einzelfall plötzlich logisch und klar – und vor allem, er kann sich jeder Situation anpassen, was bei der Vielfalt der individuellen Fall-Konstellationen nötig ist.
Manche haben große Probleme mit einem Paradigmenwechsel und fragen deshalb nach einer neuen Methode, die sie erlernen wollen. Es handelt sich aber nicht um eine neue Methode, sondern um einen grundlegenden Wechsel der Sicht- und Bewertungsweisen.
Die Abteilungsleiterin eines Jugendamtes im Bereich Karlsruhe, gleichzeitig Anlaufstelle für Frauenfragen, missverstand deshalb auch konsequenterweise die Tatsache, dass in Cochem schon seit 15 Jahren so gearbeitet wird und meinte veranstaltungsöffentlich, dass wenn sie dort 15 Jahre lang gebraucht hätten, dass es dann nicht verwundern muss, wenn wir hier in Karlsruhe dafür länger brauchen würden….
Einen ähnlichen Ansatz erkenne ich in den Fragestellungen. Die Antworten darauf sind meist nicht kurz möglich, sondern bedürfen näherer Erläuterungen von Kontext und Hintergründen.
Meiner Meinung nach müssten wir zuerst nach den Zielen fragen. Wohin wollen wir? Die Antwort fängt praktischerweise wohl damit an, auszudrücken, was wir nicht bzw. nicht mehr wollen und was wir dafür als besser erachten.
Der Kern einer konsequenteren Sichtweise ist inzwischen wohl allen klar:
Kinder brauchen für eine gesunde Entwicklung die engagierte Begleitung beider Eltern.
Diese Erkenntnis hat sich inzwischen durchgesetzt und bestimmt auf breiter Ebene die Vorgaben von ideologiefreier Intervention.
Unter den heutigen Vorraussetzungen von Trennungsfunktionalismen in Beziehungen mit Kindern hat diese Feststellung weit reichende Konsequenzen.
Die erste:
Elternschaft darf nicht mehr in Abhängigkeit von vielen anderen Prämissen definiert und bewertet werden, sondern muss das sein, was sie in der Realität auch ist: Eine unabänderbare lebenslange Tatsache.
Die zweite:
Elternschaft muss aus dem Blickwinkel des Kindes betrachtet werden. Es geht in den Überlegungen und Auseinandersetzungen bei Trennungen mit Kindern nicht in erster Linie um die Gewichtung von Rechten der erwachsenen Beteiligten, sondern in erster Linie um die Bedürfnisse der Kinder, denen sich beide Eltern zu unterwerfen haben.
Die dritte:
Mutter und Vater sind gleichermaßen wichtig für eine möglichst umfassend konfliktarme Entwicklung von Kindern und ihre direkte gelebte Beteiligung an Erziehung und Entwicklung der Kinder muss Grundlage aller weiteren Intervention sein.
Alle weiteren Überlegungen müssen diesen Prämissen nachgeordnet sein.
Zu den Antworten:
- Wie können wir Vaterschaft in intakten Beziehungen und nach Trennungen stärken?
Indem man ihr endlich auch rechtlich und gesetzlich den Wert beimisst, den sie hat.
In Bezug auf das Kind gibt es keinen wichtigeren oder weniger wichtigen Elternteil. Grundlegende Menschenrechte und die Bedeutung beider Eltern für eine gelungene Entwicklung des Kindes erfordern im Grundsatz die Einbindung beider Eltern in allen Bereichen von Betreuung und Erziehung.
Es geht also nicht um Kosmetik: Hier eine kleine Änderung und dort ein Zugeständnis. Es geht um eine grundlegende Neuorientierung, die natürlich gegen eine seit Dekaden gültige political correctness verstoßen muss.
Manche aufenthaltsbestimmungsberechtigte Elternteile (meist Mütter) sehen die Kinder als ihren persönlichen Besitz, mit dem sie nach persönlichem Gutdünken verfahren können – und das nicht nur, um mit den Kindern auch das Geld zu erhalten, nicht nur, um in manchen Fällen den anderen Elternteil destruktiv demütigen zu können, sondern auch – und das ist ein immer wieder ignorierter Faktor – um mit den Kindern das Testat „gut“, „fehlerlos“ und „moralisch im Recht“ auf ihrer Seite zu wissen. Es haben sich in der familialen Beratung Strukturen etabliert, die vor allem den Müttern dieses Privileg erhalten wollen. Das ist der Gegenwind, der eine Reform gerade während der letzten Jahre hartnäckig verhinderte.
Mindestens 9 Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschrechte haben der Bundesrepublik inzwischen bescheinigt, dass sie in familienrechtlichen Entscheidungen gegen allgemeine Menschenrechte verstößt (www.pappa.com/recht/EuGH-MR-Rechtsprechung-deutsches-Familienrecht.htm). Dass Deutschland sich die Beibehaltung dieses Makels immer noch leistet, ist für weite Bevölkerungskreise unverständlich und nicht mehr erklärbar.
Mutter ist diejenige Frau, die das Kind geboren hat. Und Vater ist der Mann, der es gezeugt hat. Die Möglichkeit, dies festzustellen, haben wir inzwischen. Und wir können weiterhin nicht so tun, als hätten wir sie nicht. Zum ersten Mal wird ein Rechtsgrundsatz, der seit dem jus romanum bis heute Recht und Gesetz prägt, überflüssig.
Man muss wohl in einer Umbruchphase Möglichkeiten schaffen, behutsam damit umzugehen.
Beispiel:
Wenn eine Frau außerehelich schwanger wurde und alle drei betroffenen Erwachsenen sind sich einig, dass das alte Rechtsprinzip beibehalten werden soll, wonach dieses Kind als ehelich dem sozialen und nicht dem biologischen Vater zugeordnet wird, so könnte dies möglich sein. Allerdings darf nicht so getan werden, als sei der soziale Vater auch der biologische. Das Kind hat das Recht, seine tatsächliche biologische Herkunft zu erfahren.
- Was ließe sich tun, um das „Cochemer Modell“ so schnell wie möglich deutschlandweit zum Standard-Verfahren zu machen?
Hinter der Frage ist die Haltung zu vermuten, „Cochem“ sei eine Methode, die man erlernt und als Patentrezept einübt. Es geht aber nicht um die Einführung einer neuen Methode. Es geht auch nicht darum, der ganzen Bundesrepublik den Stempel „Cochem“ aufzudrücken.
In Cochem wurde nur schon Jahre vor der Kindschaftsrechtsreform das umgesetzt, was dann erst zum 01.07.1998 gesetzlich festgeschrieben wurde. Dass der Rest der Republik das noch nicht einmal umsetzte, als es Gesetz war, zeigt, wie hartnäckig an bestimmten alten Mustern festgeklammert wird.
Man muss zunächst definieren, was man unter „Cochem“ versteht. Kurz:
- kompromisslose Umsetzung der Kindschaftsrechtsreform unter Einschluss der bis heute immer wieder missachteten Paragraphen wie z.B. dem § 1684
- interprofessionale Vernetzung und konsensuale Verfolgung eines gemeinsamen Zieles
Ich habe die Cochemer Protagonisten schon 2003 persönlich kennen gelernt und kenne das Charisma, das sie in ihren Darstellungen und Fortbildungen zeigen können. Zum Erfolg der Arbeitsweise in Cochem gehört eine von den einzelnen Persönlichkeiten getragene Entschiedenheit, die auf der Überzeugung fußt, dass das allein am Kind orientierte Ziel richtig ist, was sich im Verlauf der letzten Jahre immer wieder bestätigte: Die deeskalativ arbeitenden Anwälte berichten von hoher Mandantentreue, die Sozialen Dienste berichten von einer auch nach Jahren hohen Zufriedenheit der jeweiligen Eltern mit den gefundenen Lösungen.
Die originäre Vermittlung durch die Vertreter aus Cochem ist ein Luxusgut, das wir uns in der bundesweiten Verbreitung nicht leisten können. Somit steht und fällt die Umsetzung mit der sorgfältigen Auswahl der Multiplikatoren.
Sozial- und Justizministerium BW haben im Sommer 2005 den richtigen Weg eingeschlagen und viele Beteiligte an den Fortbildungen in den vier Regierungsbezirken sind begeistert und überzeugt an ihre Arbeitsplätze zurück gekehrt. Dort aber stoßen sie oftmals auf Mitarbeiter, die ihre Begeisterung nicht teilen können und daher lieber an den überkommenen Verfahrensweisen festhalten, statt sich dem Geist der Kindschaftsrechtsreform von 1998 zu öffnen.
Wir brauchen wissenschaftlich fundiert vorgeprägte und ideologisch nicht einseitig determinierte, charismatische Multiplikatoren, die den Geist der Cochemer Arbeitsweise zu vermitteln verstehen und die weitere Fortbildung nach einer initialen Schulung, wie in BW geschehen, weiter tragen.
Um die veralteten Denk- und Verhaltensstrukturen aufzubrechen (die noch in vielen Jugendämtern vorherrschen) muss der Gesetzgeber neue Signale in Richtung eines Paradigmenwechsels setzen:
- Rolle der Väter und Mütter ausbalancieren
- „Sorgerecht“ ersetzen durch „elterliche Verantwortung“. Ein Recht hat das Kind, beide Eltern haben daraus erwachsende Pflichten
- eheliche und nicht eheliche Kinder müssen gleich bewertet und behandelt werden
Ob die regional gelungene Umsetzung dann „Cochem“ heißt oder „Stuttgart“ oder „Karlsruhe“ ist nebensächlich. Fakt ist, dass in Cochem der Mut aufgebracht wurde, schon Jahre vor der Kindschaftsrechtsreform Nägel mit Köpfen zu machen. Nicht mehr und nicht weniger.
- Wie ließen sich die Möglichkeiten verbessern, die juristische Bewertung einer Eltern-Kind-Beziehung dynamisch den jeweiligen Realitäten anzupassen?
Ich habe große Mühe mit der Fragestellung und meine, wenn alle anderen Fragen beantwortet sind, auf die Beantwortung dieser Frage verzichten zu können.
- Wie lassen sich Neuerungen im Kindschaftsrecht so gestalten, dass auch bei bereits bestehender getrennter Elternschaft Kinder und Eltern von den mittlerweile erreichten Verbesserungen profitieren?
Das ist ein rechtliches Problem. In wie weit kann eine gesetzlich und juristisch bewertete Konstellation im Nachhinein eine Bewertungsänderung erfahren?
Möglich ist das schon. Das BVerfG hat am Rande seiner Entscheidung vom 29.01.2003 in Sachen § 1626a (der ersatzlos gestrichen werden müsste) eine „Altfallregelung“ eingeführt: In Fällen, in denen nicht verheiratete Eltern sich vor dem 01.07.1998 trennten und es deshalb nicht möglich war, eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abzugeben, kann das fehlende Einverständnis der Mutter durch eine Entscheidung des Familiengerichtes ersetzt werden. Und in spärlichen Ausnahmefällen wird das gemacht. Daneben wird eine Bewegung aber dadurch verhindert, dass in fast allen Fällen die Alleinsorge der Mutter bestätigt wird.
(Dies mit der gleichen Scheinheiligkeit, mit der das BVerfG am 29.01.2003 feststellte, dass „der Gesetzgeber davon ausgehen durfte“, dass eine Mutter, die den Vater aktiv mitsorgen lässt, ihm doch auch selbstverständlich die gemeinsame Sorge zugestehen wird. Dass gerade die Jugendämter als „staatliche Wächter“ die Annahme des Gesetzgebers boykottieren, indem sie Müttern dringend davon abraten, das Privileg der Alleinsorge aus der Hand zu geben, das wissen alle, tun aber so, als sei es eine böse Unterstellung.)
Vielen Vätern würde schon genügen, wenn z.B. Familiengerichte bestehende Gesetze beachten würden. Wenn eine Mutter jede Kommunikation mit dem Vater der Kinder hartnäckig ablehnt (oft auf Anraten ihres/r Anwaltes/Anwältin!), wird sie dafür mit der Alleinsorge belohnt, anstatt infolge fehlender Eignung zur Erziehung ihre Sorgeberechtigung in Zweifel zu ziehen (Bindungstoleranz – das Tolerieren der Bindung des Kindes an den anderen Elternteil – und Kooperation im Interesse des Kindes sind Merkmale der Erziehungsfähigkeit). Wenn sie den Umgang des Kindes mit dem Vater hartnäckig boykottiert, wird dies achselzuckend hingenommen, anstatt sie auf ihren fortgesetzten Verstoß gegen § 1684 BGB hinzuweisen.
„Väterrechtler“ wollen nicht die Alleinsorge. Ihnen genügt, wenn ihren Kindern zu ihrem Recht verholfen wird. Dann sind meist auch sie ausreichend berücksichtigt. Aber im derzeitigen Klima werden viele Väter menschenrechtswidrig behandelt und wenn sie sich dagegen wehren – mit moderaten Forderungen wie z.B. der nach der gemeinsamen Sorge – werden sie als Extremisten verunglimpft.
(Die abendfüllende arte-Sendung vom 22.03.2005 ist dafür ein klares Zeugnis. Als einziger Studiogast wirkte dabei in Vertretung für die gesamte feministisch orientierte Beratungsszene die Leiterin des Karlsruher kommunalen sogenannten „Kinder“-Büros mit (ein Mütterbüro, das zur erleichterten Zuwendung von Steuermitteln als Kinderbüro getarnt ist). Immer dort, wo Frauenförderinstanzen mit familialer Intervention verknüpft sind und dies noch dazu staatlich oder kommunal gesteuert und direkt finanziert geschieht, sind die Ergebnisse für Kinder immer wieder kontraproduktiv. Das Aufbrechen dieser Verknüpfungs-Strukturen würde allein schon viel bewegen.)
Es geht also zunächst nicht darum, Neuerungen auch unten ankommen zu lassen. Es geht schlicht darum, wenigstens bestehende Gesetzgebung umzusetzen. Das allein schon wäre ein gewaltiger Fortschritt.
- Soll § 1671 BGB abgeschafft werden und durch eine reine Härtefallregelung z.B. in § 1626a BGB ersetzt werden? Wenn ja, wann?
Nicht nur 1671 muss weg. Auch die Streichung von 1626a ist längst überfällig.
Weitere Vorschläge für Änderungen sind gesammelt von Thomas Sochart, Stuttgart, auf seiner HP www.vaeter-aktuell.de
Diese HP ist zwar von einer Person betrieben, einige Aktionen auf dieser Seite sind aber als Sammelort vieler individueller Engagements ausgebildet. So auch die
Vorschläge der FNC (Fathers National Coaliton) für eine Gesetzesinitiative unter
www.vaeter-aktuell.de/FNC/welcome.htm
- Soll die Vorbehaltserklärung der Bundesregierung zur UN-Kinderrechtekonvention zurückgenommen werden?
Wenn wir wissen, dass, was grün aussieht auch grün ist, dürfen wir´s dann auch sagen?
Mehr unter
www.vaeter-aktuell.de/un-kinderrechtekonvention/welcome.htm
- Wie kann das Recht des Kindes auf seinen Vater gestärkt werden? Gemeinsames Sorgerecht auch ohne vorausgegangene Lebensgemeinschaft (z.B. Ehe)?
Dass diese Frage überhaupt so gestellt wird, zeigt unser Dilemma.
Natürlich Gleichbehandlung von ehelichen und nicht ehelichen Kindern.
Natürlich Gleichgewichtung von Vater- und Mutterrolle.
So müssen z.B. nicht eheliche Väter darauf warten, bis nicht verheiratete Mütter die selben finanziellen Vorteile wie geschiedene Mütter erstritten haben, um im Nachtrag mit entsprechender Verzögerung ihre Gleichstellung in Bezug auf das Sorge- und Aufenthaltsbestimmungsrecht mit einer gewissen Erfolgserwartung reklamieren zu können.
- Wie kann die Entscheidung für Sorgerecht und Umgangsrecht bei denjenigen Männern geregelt werden, die mit der Mutter nicht in einer Lebensgemeinschaft leben oder dies zum Zeitpunkt der Geburt nicht mehr tun? Sollte dem Vater für seine Entscheidung eine Optionsfrist ab Geburt (z.B. drei Monate) eingeräumt werden?
Auch hier gelten die von mir schon formulierten Prämissen: Vater ist, wer das Kind gezeugt hat. Auch im Fall eines nicht mit der Mutter in Lebensgemeinschaft lebenden Vaters gilt seine Verpflichtung zur Sorge. Die Rechte, die sich aus dieser Pflicht ergeben, können bei hartnäckiger Weigerung (bzw. auch bei konsensualer Einigung zwischen den Eltern) entzogen werden. Und diese Regelungen müssen auch jederzeit wieder veränderbar sein. Alle drei Beteiligten – Kind, Vater und Mutter – könnten ein Interesse an einer Veränderung haben.
Da Väter oft Vollzeit arbeiten müssen, um den Unterhalt verdienen zu können, muss natürlich auf die Beschränkungen durch ihren Berufsalltag Rücksicht genommen werden. Sehr oft müssen wir erleben, dass Mütter einseitig die Bedingungen von „Umgang“ (hat so was von „Freigang“) diktieren und dann noch draufsetzen: „So oder gar nicht“. Auch ein Vater, der wenig Zeit hat und die Kinder (mit-)finanziert, ist ein wichtiger Vater.
Das mit der Optionsfrist (und dann noch „ab Geburt“) ist unrealistisch. Wenn schon, dann natürlich erst ab der Information, dass er überhaupt als Vater in Frage kommt. Wir haben immer wieder Fälle, in denen Mütter nicht nur ihrem Kind nach Belieben wechselnde Väter zuordnen, sondern die sich aussuchen, wer als Ernährer ein Maximum an geldwerter Versorgung garantiert und diesem das Kind unterschieben. Rechtliche Regelungen müssen diese von manchen Müttern geübte Praxis in die Überlegungen einbeziehen.
Und dann: „Optionsfrist“. Option auf was? Die Option, ein Recht des Kindes zu bedienen oder auch nicht? Vater zu sein oder auch nicht?
Also wieder: Ein Recht auf Sorge haben nicht die Eltern, sondern das Kind.
- Umgangsrecht verbessern – wie? Wie können rechtskräftige Entscheidungen zeitnah durchgesetzt werden?
Indem die Institutionen nicht durch Verzögerung Fakten zum Wohle der Mutter schaffen, sondern indem sie konsensual dem Wohl des Kindes dienen, was sie ja auch immer behaupten zu tun und damit das Kindeswohl zur pervertiertesten Formel in unserem Rechtssystem verkommen ließen.
In Frankreich ist das Problem gelöst. Wenn es sein muss, auch Haftstrafe für boykottierende Sorgerechtsinhaber. In Deutschland sind davon die ersten zaghaften Ansätze zu vernehmen:
Zehn Tage Zwangshaft für umgangsboykottierende Mutter, Richterin am Amtsgericht Sabine Heinke, Bremen, KindPrax 2005, 150.
Wenn diese Konsequenz einmal Fakt ist, erledigen sich viele Probleme von selbst. Der größte Teil der Probleme in der deutschen Familienrechtspraxis (und das ist was anderes als Familienrecht) kommen daher, dass unvernünftigen und egoistischen Sorgerechtsinhabern von Jugendämtern und leider auch von Gerichten suggeriert wird, sie seien im Recht. Unrechtsbewusstsein wird nicht nur gedämpft, sondern mit System verhindert.
Ich habe zur Zeit einen Fall in der Beratung, in dem eine Mutter das Gewaltschutzgesetz missbrauchte, um den Vater ihrer Kinder zu entsorgen. Zwei Monate Umgangsboykott hat die Mutter genutzt, um die Kinder, die vorher eine enge emotionale Beziehung zum Vater hatten und von diesem auch weitreichend betreut wurden, soweit zu indoktrinieren, dass diese bei Befragungen aussagten, sie hätten Angst vor ihrem Vater. Es wird jetzt ein betreuter Umgang installiert, der in diesem Zusammenhang vom Jugendamt „geschützter Umgang“ genannt wird. Vorschlag des Jugendamtes: Alle zwei Wochen eine Stunde für eine Dauer von sechs Monaten! Der Vater möchte wöchentlich zwei Stunden, was ihm schon im Ansatz verweigert wird. Der Vater will nach der Feststellung des Status der Vater-Kind-Beziehungen durch den betreuenden Kinderschutzbund möglichst frühzeitig ein Gespräch über die Art und Weise der weiteren Gestaltung des Umgangs, was ihm ebenfalls verweigert wird. Der Vater muss das böse Spiel mitspielen, um nicht vollends ins Abseits gestellt zu werden. Das Jugendamt fühlt sich als ritterliche Institution, die Mutter und Kinder vor dem bösen Vater schützt, tatsächlich aber bietet es der Mutter das Aktionsfeld für ungehinderte weitere Indoktrinierung und Instrumentalisierung der Kinder.
Es bedarf entsprechender Aus- und Weiterbildung von SachbearbeiterInnen der Jugendämter, um eine Intervention auf einer wissenschaftlich fundierten Grundlage zu etablieren und nicht als Ergebnis von ideologischen Vorurteilen, vermischt mit naiven Empathien und praktischen „das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht“-Rezepten.
- Wie können Entscheidungen der Gerichte in Kindschaftsfragen beschleunigt werden?
Z.B. wie in Cochem:
Nur Anträge, keine ausschweifenden Begründungen.
Und dann eine Verhandlung, die innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang in einem ersten Verhandlungstermin eine Lösung mit persönlicher Beteiligung des Jugendamtes sucht und bei Schwierigkeiten unverzüglich an die Beratung weitergibt.
Eltern werden informiert, was sie vor dem Familiengericht zu erwarten haben und was sie nicht erwarten können (siehe Merkblatt des Holzmindener Familienrichters Ziehm, u.a. auf der HP des VAfK Karlsruhe, www.vafk-karlsruhe.de/download/Infobroschuere.pdf – Infobroschüre zu Holzminden und Cochem).
Ich weiß von Verfahrensterminen, in denen der Richter einen Weg und ein Ziel im Kopf hatte, darüber nicht informierte, die Parteien nicht hörte, diese beschimpfte und nach 8 Minuten den nächsten Termin auf 2 Monate später festsetzte. Diese Fehlleistungen liegen nicht nur in der Persönlichkeit des einzelnen Richters/der einzelnen Richterin begründet. Unser System begünstigt solche Vorgehensweisen. Es ist auch nicht verwunderlich, wenn die meisten Akteure in den Professionen keinen Spaß an ihrer Arbeit haben. Richter Rudolph und Jugendamtsleiter Lengowski aus Cochem sagen auch, dass sie vor 20 Jahren mit den Ergebnissen ihrer Arbeit nicht zufrieden waren. In den letzten Jahren befriedigt sie das, was sie erreichen.
- Sollten Väterorganisationen institutionell stärker in die Fortentwicklung der Gesetzgebung zum Familienrecht einbezogen werden? Wenn ja, wie?
Natürlich.
Das BMFSFJ vertreibt Publikationen des VAMV, der mit seiner Forderung nach dem Alleinsorgerecht für „allein“-erziehende (statt getrennt-erziehende) Mütter und mit dem Unwort „Einelternfamilie“ extremistische Positionen vertritt. Den Verband der Väterseite, der mit seiner Forderung nach dem gemeinsamen Sorgerecht moderate Forderungen vertritt, in Entscheidungsprozesse mit einzubinden, ist vor diesem Hintergrund eine Selbstverständlichkeit.
Es gibt nicht viele Väterorganisationen. Die einzige flächenhaft verbreitete ist der VAfK. Manche sind nur Ein-Mann-Internet-Präsenzen wie z.B. pappa.com oder Väter-aktuell.
Und wir wurden und werden inzwischen in Berlin gehört:
- Unterhaltsgesetz
- Internationales Familienrechtsgesetz
- Gesetz zur Änderung des Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetz und des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes
- Unterhaltsvorschussgesetz
- FGG – familiengerichtliches Verfahren
- BVG Stellungnahme zur Frage der Verfassungswidrigkeit des Verbots „heimlicher“ Vaterschaftstests (aufgefordert)
Dies entspricht dem usus, vom Thema betroffene Verbände grundsätzlich in Gesetzgebungsverfahren einzubinden.
Eine weitere Möglichkeit der Einbeziehung ist z.B. die Einbindung des VAfK Landesverbandes BW in die geplante Veranstaltung der GRÜNEN BW im nächsten Jahr.
- Sehen sie eine spezifische Benachteiligung der Vater-Kind-Beziehung durch die Strukturen unserer Arbeitswelt? Wenn ja, was wäre zu tun?
Leider, ja.
Einer Umsetzung z.B. der Vorstellungen von Frau von der Leyen stehen entgegen:
- einerseits das Festhalten von Frauen an der traditionellen Mutterrolle und den damit verbundenen Vorteilen im Rahmen der heutigen Familienrechtspraxis
- andererseits ein Bestreben von Männern, in ihrem Job aufzugehen und ihre Identifikation nur darauf zu gründen
- Auf unserer Industrie lastet der Zwang, mit Billiglohnländern konkurrieren zu müssen, was dazu führt, dass jede Störung eines Ablaufs „in einem Guss“ als unökonomisch abgelehnt werden muss. Wer als Fachmann in die Abläufe innerhalb eines Unternehmens eingebunden ist, kann nicht jederzeit für eine variable Zeit ersetzt werden, ohne die Abläufe zu stören.
Wir brauchen:
- Informationen für Frauen, die ihnen verdeutlichen, dass ein Klammern an die Mutterrolle allen Beteiligten schadet
- Informationen für Männer über die Bedeutung von Vaterschaft und die Folgen von nicht gelebter Vaterschaft für alle Beteiligten
- die Einbindung von Arbeitgeberorganisationen für die Erprobung von Modellen
Franzjörg Krieg
Jürgen Griese
Henning Schläger
Vorstand des VAfK Baden-Württemberg