Referat anlässlich des 1. Beistands-Seminars des VAfK Karlsruhe am 28.11.2003
Ab dem Jahr 2000 begann ich, mich intensiv in die Väter-Thematik einzuarbeiten, nachdem ich damals schon auf eine seit 6 Jahren andauernde problemgeschwängerte Trennungsvita zurückblicken konnte, die auch keine Anzeichen bot, dass sich in absehbarer Zeit – unter den Bedingungen unseres Familienrechtes und vor allem den besonderen Bedingungen der Familienrechtspraxis in unserem örtlichen Bereich – irgend etwas zum Positiven ändern könnte. Ich hatte endlich entdeckt, dass es eine Väterszene gibt, musste aber auch akzeptieren, dass diese zu schwach war, um darauf vertrauen zu können, dass sie die Möglichkeit und die Kraft hätte, an meiner Problematik auch nur ansatzweise etwas in Richtung auf eine Entschärfung bewegen zu können.
Ich erkannte, dass ich selbst aktiv werden musste und so änderte sich mein täglicher Lebensablauf grundlegend. Alle meine Tätigkeitsbereiche neben den beruflichen Verpflichtungen wurden auf ein Minimum zurückgefahren und die Hälfte meiner Wachzeit widmete ich von nun an dem „Väteraufbruch für Kinder“.
Nach zwei Jahren der Einarbeitung begann ich, Väter als Beistand zu Terminen beim Jugendamt und schließlich auch vor Gericht zu begleiten.
Die Erkenntnisse, die ich dabei gewann, möchte ich wie folgt zusammenfassen:
- Väter sehen sich bei Terminen im Jugendamt immer wieder mit einer mehr oder weniger feindseligen Atmosphäre konfrontiert. Die Auswirkungen eines die Väterausgrenzung fördernden Familienrechtes und besonders die von Frauenförder-Maximen geprägte Familienrechtspraxis haben sie in eine oft hoffnungslose Lage gebracht und die Szene, der sie sich jetzt gegenüber sehen, ist oft für diese Situation mit verantwortlich und absolut nicht gewillt, daran etwas zu ändern. In einer solchen Situation ist auch für einen „lonesome wolf“ psychologisch oft das Ende der Fahnenstange erreicht und er benötigt existenziell das Bewusstsein, dieser Situation nicht allein ausgesetzt zu sein, jemand neben sich zu wissen, der hinter seiner Sicht der Dinge steht und als nur mittelbar Beteiligter die Nerven bewahrt.
In diesem psychologischen Kontext hat der Beistand die Aufgabe
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- einfach nur in personam präsent zu sein
- mit nüchternem Blick die Fäden in der Hand zu halten
- Argumente mit klarem Verstand parat zu haben
- dem Betroffenen Signale zu geben sich zurück zu halten, weiter zu machen, sich zu beruhigen, zu ermuntern…
2. Durch die Präsenz eines Beistandes wird eine heilige Kuh der familienrechtlichen Interventionsszene geschlachtet: die Nicht-Öffentlichkeit.
Auch eine der Sache absolut nicht gewachsene Fachkraft innerhalb der Beratungsszene kann im Vier-Augen-Gespräch so lange drauflos dilettieren, wie sie sich mit einer einzelnen subjektiv hoch emotional betroffenen Partei konfrontiert sieht, deren Aktion oder Reaktion immer auch mit deren nervlicher Anspannung und deren egoistischer Parteinahme begründet werden kann.
Ist mit der Hinzuziehung einer nicht direkt betroffenen Person eine Bresche in diese Nicht-Öffentlichkeit geschlagen, kann ein solches Muster nicht weiter funktionieren. Durch die Hinzuziehung eines persönlich nicht betroffenen Beobachters werden Qualitätsstandards angemahnt.
Ich war in diesem Zusammenhang schon mit einem Sachbearbeiter konfrontiert, der meinte, aus einer überzogenen Verteidigungshaltung heraus handeln zu müssen. Ich musste meine Tasche vor dem Betreten seines Büros in einen anderen Raum einschließen lassen. Den Grund dafür erklärte er nicht. Es ist nur denkbar, dass er wohl befürchtete, dass irgendwelche Abhöreinrichtungen seine Äußerungen festhalten könnten.
3. Die positive Wirkungskomponente dieser Nicht-Öffentlichkeit drückt sich souveräner aus. Mitarbeiter des Jugendamtes werden durch die Hinzuziehung eines Beistandes, von dem sie eine gewisse Kompetenz erwarten und der dieser Erwartung auch gerecht wird, an ihre eigenen qualitativen Ansprüche an sich selbst erinnert. Sie werden ermuntert, zu zeigen, was sie können. Der Trott des täglichen Ablaufes wird unterbrochen und eine geschärfte Wachheit macht Gespräche möglich, die eine entsprechende Tiefe und die Bereitschaft, nach Lösungen zu suchen, ansonsten nicht erreicht hätten.
4. Ein weiterer wichtiger Nebeneffekt unserer Einmischung als Beistand liegt in den Einsichten, die wir dabei gewinnen in das Funktionieren von Abläufen, denen wir uns ansonsten als Außenstehende nur ausgeliefert sehen.
5. Die jugendamtliche Szene hat ein Repertoire von Handlungsmustern auf Lager, mit denen sie Standardfälle behandelt und auch geneigt ist, jeden einzelnen Fall so hinzubiegen, dass er zum Standardfall wird. Sobald ein Fall davon abweicht und komplizierter wird, passen diese Muster nicht mehr, was meist achselzuckend zur Kenntnis genommen wird. Die Erklärung: Die Eltern müssen eben kooperieren. Und wenn sie das nicht können, müssen sie eben die Konsequenzen tragen, wobei natürlich ignorant übergangen wird, dass in vielen Fällen nur ein Elternteil die Kommunikationslosigkeit zu verantworten hat – in der Regel der „kindbesitzende“ Elternteil – und das Kind als passiv beteiligtes Element allein gänzlich unverschuldet mit leidet. Die Interventionsszene versagt in dem Bereich, für den sie geschaffen ist. Sie soll Hilfe geben bei Problemen, setzt aber Problemlosigkeit für ein Funktionieren ihrer Hilfestellung voraus.
In einer solchen Situation kann ein als Beistand von außen Beteiligter neue Impulse geben, die aus den eingefahrenen Gleisen herausführen und den Blick öffnen für weitere bis jetzt nicht begangene Wege.
Dazu ein Beispiel aus meiner Beistandstätigkeit:
Im Fall einer Mutter, die in Sachen Umgangsboykott schon alle Register bis zum ungerechtfertigten Vorwurf des sexuellen Missbrauchs gezogen hatte, kam eine Expertenrunde von 4 Mitarbeiterinnen eines Karlsruher Jugendamtes (Sachbearbeiterin, deren Praktikantin, Psychologin + Familientherapeutin) zwar zu der Erkenntnis, dass eben diese Mutter verantwortlich sei für die desolate Situation. Die Konsequenz war aber für sie nicht, diese Mutter dafür zu sanktionieren. Sie kapitulierten vor deren Verweigerungshaltung und hatten nur noch die Idee, den Umgang für mehrere weitere Monate auszusetzen und die Zeit zu nutzen, die Einsicht der Mutter für die Bedeutung des Umgangs des Kindes zum Vater zu wecken, obwohl alles gegen einen solchen plötzlichen Gesinnungswandel der Mutter sprach. Dem Vater wurde damit signalisiert, dass die Mutter den schon seit 1 ½ Jahren andauernden Umgangsboykott erfolgreich weiter aussetzen konnte.
Ich schlug vor, dem Vater wenigstens Signale vom Bemühen mit der Mutter zu senden und ihn z.B. zur Weihnachtsfeier des Kindergartens einzuladen, was von der Sachbearbeiterin als ein Eingriff in eine zu sensible Zone abgelehnt wurde. Mein Einwand, dass damit dem Kind signalisiert würde, dass der Vater in das soziale Umfeld des Kindes mit einbezogen wird, überzeugte aber die Psychologin, so dass der Vorschlag nach Diskussion aufgenommen wurde.
Objektiv gesehen ist es natürlich absurd, dass ein von außen kommender, ehrenamtlich tätiger Laie den Profis zeigen muss, wo Ressourcen in der kreativen Behandlung von schwierigen Abläufen liegen. Es zeigt aber damit deutlich, wie eingefahren die Lösungsmuster letztendlich sind.
6. Wenn wir uns als Beistände nicht nur als Kontrahenten eines Systems sehen, das wir ablehnen müssen, sondern es schaffen, uns konstruktiv einzumischen, haben wir die Chance, uns vom Image der Radikalität zu emanzipieren und uns als ernstzunehmende Partner anzubieten. Wenn erkannt wird, dass wir unsere Präsenz nicht in erster Linie dazu benutzen, Spionage zu betreiben und die Fehler im System gnadenlos offen zu legen, sondern dass wir uns konstruktiv und kompetent um positive Veränderungen mit bemühen, ist dies für die Erreichung unserer Ziele von enormem Wert.
Am 22.10.2003 (noch zur Zeit des §90 ZPO – das FamFG kam erst 2009) hatte ich als Beistand meinen ersten Termin vor Gericht in einer Umgangssache. Die nicht eheliche Mutter als Gegenpartei war eine Vertreterin aus dem Personal des Jugendamtes und ihre Anwältin eine renommierte Karlsruher Frauenanwältin, die schon im Vorfeld erkennen ließ, dass sie sich mit Zähnen und Klauen gegen meine Beteiligung als Beistand wehrte. Sie führte § 157 ZPO an und nahm Ausdrucke aus der Homepage unserer Gruppe und der Homepage des Bundes-VAfK mit Gerichtsurteilen zum Thema Umgang zum Anlass, mir „Geschäftsmäßigkeit“ in meiner Beistandstätigkeit zu unterstellen. Da ich versichern konnte, dass dies mein erster Auftritt vor Gericht als Beistand war, entschied die Richterin für meine Anwesenheit, was eine Beschwerde und die Beantragung einer Sitzungsunterbrechung durch die Anwältin zur Folge hatte. Ein weiteres für die Mutter wichtiges Argument war, dass die Nicht-Öffentlichkeit mit meiner Teilnahme nicht gewahrt würde.
Allein das Faktum der Organisation eines Seminars für Beistände im Jahr 2003 im Rahmen eines Angebotes des VAfK Karlsruhe bietet einigen Akteuren der Karlsruher Familienrechtsszene den Beweis für die mögliche Geschäftsmäßigkeit einer Beistandstätigkeit. Strategien, sich dagegen zur Wehr zu setzen, sind also für uns von existenzieller Bedeutung. Ausschlaggebend ist dabei die Interpretation des Begriffes „geschäftsmäßig“.
Väter stellen seit vielen Jahren fest, dass sie unter belastenden Bedingungen leiden müssen, deren Komponenten sie dann auch zunehmend detailliert beschrieben haben. Inzwischen stellt sich heraus, dass an vielen einzelnen isolierten Stellen lokal auch gute Arbeit geleistet wird. In vielen Fällen reichen die Mittel, die das Familienrecht nach der Kindschaftsrechtsreform zur Verfügung stellt, aus, um auch schwierige Situationen positiv zu unterstützen und deutliche Signale z.B. gegen Missbrauch zu setzen.
In der Realisierung des im Kindschaftsrecht formulierten Anspruchs zeigt sich aber, dass Mutter-Ideologien, Lobby-Doktrin, Frauen-Förder-Mentalität, schematisches Denken, Überlastung, schlechte Ausbildung und viele weiteren Gründe allzu oft dafür sorgen, dass der Anspruch eben nicht umgesetzt wird, ja oft das Gegenteil erreicht wird. Statt den Kindern beide Elternteile zu erhalten, werden mit tatkräftiger Unterstützung der gesamten Interventionsszene therapiebedürftige, psychisch labile und geschädigte Halbwaisen erzeugt.
Familienrecht und Familienrechtspraxis klaffen in einer unerträglichen Art auseinander. Gerade dieses Feld ist der Tummelplatz von LobbyistInnen, hier werden die Grabenkämpfe ausgetragen, hier werden die Referenten eingesetzt, die den jeweiligen Lagern nahe stehen.
Genau dieses Feld ist aber auch der Raum, in dem wir als Beistände tätig werden müssen. Unsere Aufgabe ist, dem Anspruch der Kindschaftsrechtsreform zu mehr Geltung zu verhelfen, Brücken zu bauen über die Kluft zwischen Theorie und Praxis.
„Kinder brauchen beide Eltern – auch nach Trennung und Scheidung“ darf nicht nur ein Aushängeschild sein, das als Etikette einen vernünftigen Eindruck machen soll. Die Ergebnisse aller Bemühungen, von Beratung, jugendamtlicher Intervention, Begutachtung, rechtsanwaltlicher Arbeit und richterlicher Kompetenz und Macht müssen an diesem Anspruch ständig gemessen werden.
Als Beistände können wir dazu beitragen, die Ernsthaftigkeit im Bemühen um die Realisierung dieses Anspruchs zu unterstützen.