Ein Vater hat die Situation seines Sohnes mit Hilfe der KiMiss-Studie untersucht und hat das Ergebnis seiner zuständigen Sachbearbeiterin im Jugendamt mitgeteilt.
Diese meldet zurück:
Bzgl. der „KiMiss-Studie“ kann ich Ihnen folgendes rückmelden:
Ich halte die Studie für nicht geeignet, eine Kindeswohlgefährdung festzustellen.
In der Studie ist die „Umgangszeit“ am höchsten gewichtet. Ist diese nicht hälftig (im Sinne eines Wechselmodells) aufgeteilt, so tritt in der Bewertung bereits eine „schwere Kindeswohlgefährdung“ ein. Was ist eine „schwere Kindeswohlgefährdung?“
Entweder ist das Kindeswohl gefährdet oder nicht…
Im Grunde werden in der Studie Elternbedürfnisse in „Kindeswohl“ umgedeutet.
Es werden auch keine Gründe hinterfragt, warum es beispielsweise zu einem Umgangsausschluss gekommen ist.
Es fehlt an Wissenschaftlichkeit und ich halte diese Studie bzw. den Selbsttest für absolut nicht aussagekräftig.
Der Vater antwortet:
Ihre Bewertung der Validität der KiMiss-Studie habe ich mit Interesse gelesen.
Gehen wir einmal davon aus, dass Sie Recht haben.
Dann würde sich die KiMiss-Studie doch auf derselben Plattform bewegen wie alle derzeitigen geltenden familienpolitischen Glanzpunkte:
- Das Residenzmodell wurde noch nie einer Evaluation unterzogen. Vor der Einführung gab es keine Studie dazu. Folglich wird es familienpolitisch und in Folge familienrechtlich so behandelt, als wäre es gottgegeben und naturrechtlich verankert. Vor einer Prüfung der Auseinandersetzung mit dem Doppelresidenzmodell dagegen wird aber gefordert, dass zusätzlich zu den über 50 internationalen Studien mit einer untersuchten Anzahl von bis zu n = >150.000 und klaren Ergebnissen eine deutsche Studie nötig sei, weil deutsche Kinder und deutsche Eltern natürlich völlig anders funktionieren als alle anderen Familien der Welt.
- Diese sehr deutsche Studie wurde schon 2016 in Auftrag gegeben – mit einem n um 2000. Während dem Verlauf dieser Studie wurde vom Bundesfamilienministerium machtpolitisch und am Wissenschaftlichen Beirat vorbei ins Studiendesign eingegriffen, um „alleinerziehenden Müttern“ mehr Einfluss auf das Ergebnis zu sichern. Allein damit wurde die Wissenschaftlichkeit beschädigt. Und das politisch und auf Kosten des Steuerzahlers. Cui bono?
- Und weil das Ergebnis dem Bundesministerium für alle außer für Männer zwischen 18 und 65 nicht passt, liegt diese Studie seit Ende April 2019 fertig im Tresor des BMFSFJ und wird dem diese Studie bezahlenden Wähler vorenthalten.
Selbst wenn Ihre Einschätzung zur KiMiss-Studie stimmen sollte, befindet sie sich in prominenter Gesellschaft. Außerdem: Zumindest wurde von Herrn Dürr an der Uni Tübingen kein Wissenschaftlicher Beirat auf Kosten des Wählers ignoriert.
Die KiMiss-Studie identifiziert „Kindeswohl“ mit „Lebensqualität“.
Das ist mehr als jeder bisherige Versuch, das Kindeswohl zu definieren.
Der DFGT (Deutscher Familiengerichtstag) erklärte auch, warum: Das Kindeswohl soll nicht definiert werden, um den Familiengerichten nicht ihren „Interpretationsspielraum“ zu nehmen.
Bei so viel gottgegebener Parteilichkeit kann die KiMiss-Studie – so parteilich sie Ihrer Meinung nach ist – sich nur in guter Gesellschaft befinden.
Alles Weitere macht sie immer noch besser als alles, was wir politisch-ideologisch als gottgegeben zur Verfügung haben.