Ein Vater sendet nach einer ganzen Serie von Verfahrensterminen und nach Beratungen und Gemeinsamen Gesprächen ein abschließendes Schreiben ans OLG.
Dem Schreiben ist zu entnehmen, dass sich dieser Vater tief in die fachlichen Aspekte der Thematik eingearbeitet hat.
Deutlich wird, dass es – wie immer im deutschen Familienrecht – um eine kindesbesitzende umgangsboykottierende Residenzmodellmutter geht, die ihren Missbrauchsspielraum ausnutzt.
Ebenso deutlich wird, dass ihr dieser Missbrauchsspielraum von allen Professionen zugestanden wird. Es darf nicht offen ausgesprochen werden, dass es diesen Missbrauchsspielraum überhaupt gibt, sondern er wird hinter einem unausgesprochenen „Recht jeder Mutter“ verborgen, das einfach vorausgesetzt und offen bedient wird. Über diese Selbstverständlichkeit darf auch nicht diskutiert werden. Was ist, ist eben.
Dieser Vater tastet sich in seinem Schriftsatz an die Schnittstellen heran, an denen der mütterliche Missbrauch zu erkennen ist. Er deckt damit das korrupte System von Mütterzentrierung in der deutschen Familienrechtspraxis auf.
Deutlich werden folgende Strukturen:
- Das sorgsame Verbergen der tatsächlichen Motivationen des boykottierenden Elternteils
- Die Ambivalenz des Kindes zwischen Leben von Bindung zum entfernten Elternteil und Ausführung des vom missbrauchenden Elternteil übernommenen Auftrags
- Die Delegierung der Verantwortung für den Kontakt zum anderen Elternteil auf das Kind
- Die Mutter stellt alle Kontakte des Kindes zum Vater über Handy, Post, etc. unter ihre Kontrolle bzw. unterbindet diese
- Das eifersüchtige Negieren eines zweiten Zuhause im Erleben des Kindes
- Anpassung des Kindes an den Anspruch im Bereich der Verfügungsgewalt des indoktrinierenden Elternteils
- Die Divergenz von Kindeswohl und aktuellem Kindeswillen
- Die von der Politik geschaffene und bewusst inszenierte Konkurrenz von Vaterfiguren
- Die Befindlichkeit des indoktrinierenden Elternteils auf der Beziehungsebene und dessen Unvermögen, sich allein auf der Elternebene zu bewegen, was in der Reaktion auf Beziehungsfaktoren zu erkennen ist (Geburt eines Kindes)
- Die selbstverständliche Ignoranz einer kindesbesitzenden Mutter familiengerichtlichen Entscheidungen gegenüber
- Das politisch und familienrechtlich unterstützte Fehlen jeglicher Bindungsfürsorge oder Bindungspflege, was den §1684 BGB zum ignorierbaren Feigenblatt für ein defizitäres System degradiert
- Die Verleugnung der Hälfte der eigenen genetischen Wurzeln als von außen gesteuerte Kindesmisshandlung
April 2021
In Sachen XX wegen Umgangsregelung
betreffend das Kind Claudia, geb. 2012
nehme ich Stellung
(1) zum Vorwurf des Vertrauensmissbrauches,
(2) zum Verlauf der vergangenen Wochen und dann
(3) zum Bericht des VB Stellung und skizziere
(4) mögliche Handlungsoptionen.
(1) Vorwurf des Vertrauensmissbrauches durch Wiedergabe der zentralen Gesprächsinhalte aus den Gesprächen mit dem Verfahrensbeistand
Der Vorwurf ist ein Versuch, von den Inhalten der Äußerungen abzulenken und stattdessen deren wahrheitsgemäße Wiedergabe als unredlich darzustellen. Es lag vielleicht nicht in der Absicht der Mutter, dass ihre Haltung in so klarer Sprache dem Gericht bekannt wird. Ein Vertrauensmissbrauch liegt aber nicht vor. Es gab formelle Absprachen zum Rahmen der Gespräche, die „Vegas-Regel“ oder eine andere Form der Vertraulichkeitsvereinbarung wurde zu keiner Zeit vorgenommen und das wäre für Gespräche beim Verfahrensbeistand, der dem Gericht zum Bericht verpflichtet ist, auch schwierig. Darauf habe ich von Anfang an und wiederholt hingewiesen und habe das eben gerade als einen Vorteil z.B. der kooperativen Praxis genannt, dass die Gesprächsinhalte dort vertraulich sind und nicht dem Gericht berichtet werden. Herr Arnold hat der Mutter im Verlauf auch öfters nahegelegt, dass sie mit dieser oder jener Aussage vermutlich nicht beim Gericht zitiert werden wollte, diese Aussagen habe ich in den Zusammenfassungen auch nicht wiedergegeben. Herr Arnold hat sich mit viel Engagement eingesetzt, aber es gab keine schriftliche oder mündliche Mediationsvereinbarung, Herr Arnold ist kein zertifizierter Mediator und mir ist keine Mediation bekannt, bei der eine Seite den Mediator gegen den ausdrücklich erklärten Willen der anderen Seite festlegt. Ich habe mich auf die Gespräche eingelassen, weil die Mutter sagte, dass sie zu keiner anderen Gesprächsstelle bereit sei und habe von Anfang an klargemacht, dass ich ein neutrales Setting mit mehreren professionellen Beratern für notwendig halte.
(2) Verlauf des Kontaktes mit Claudia nach dem Wiederaufnahmeantrag
Es haben noch drei Kontakte von 2-4h Dauer im Februar und März stattgefunden. Der erste Kontakt fand mit mir und meinen drei jüngeren Kindern statt, wo wir auf der Fahrt zu Claudias Großmutter einen Zwischenstopp gemacht haben. Zur Großmutter mitzukommen hatte Claudia im Vorfeld abgelehnt. Beim zweiten Kontakt kamen meine Frau, die drei Kinder, meine Mutter und ich. Diese beiden Kontakte fanden in Spazierentfernung zum Haus der Mutter statt, wir machten jeweils ein Picknick auf den umliegenden Weiden, der letzte Kontakt dauerte wegen Wind, Kälte und Schneeregen nur zwei Stunden. Wie schon beim ersten Treffen hatte Claudia Angst, ins Auto einzusteigen, teilweise blieb die Mutter in Hörweite auf einer Bank sitzen. Beim dritten Kontakt hatte ich der Mutter vorgeschlagen, Claudia auf den Markt mitzunehmen, weil das früher ein Samstags-Ritual von Claudia und mir gewesen war. Die Mutter stimmte zu und in diesem Fall (nachdem die Mutter das Claudia gegenüber guthieß) stieg Claudia auch ohne Hemmnis ins Auto ein. Bei allen drei Treffen zeigte sich Claudia teils völlig ausgelassen, fröhlich, entspannt, suchte Nähe, Körperkontakt und schmiegte sich an und dann wieder zeigte sie sich zurückgenommen, gehemmt, bedrückt, fragte besorgt nach der Uhrzeit, wirkte traurig und unfrei auf uns. Als bei der ersten Wiederbegegnung mit meiner Dreijährigen diese fragte: „Claudia, warum kommst Du nicht mehr zu uns?“ blickte Claudia traurig zu Boden und sagte dann: „Wollen wir nicht lieber die Zeit genießen, anstatt über dieses Thema zu sprechen?“ Ich sagte dann: „Ich glaube, es ist für Claudia schwer, darüber zu sprechen, weil es vielleicht einen Teil in ihr gibt, der sehr gerne kommen will und der uns vermisst, und einen anderen Teil, der denkt, sie sollte besser nicht kommen.“ Darauf nickte Claudia und sagte: „Ja. Und jetzt komm, spielen wir.“
Für uns war in allen drei Begegnungen deutlich spürbar, dass Claudia einerseits die Kontakte noch genießen kann und auch Sehnsucht nach uns hat. Wird aber andererseits das Konfliktthema in ihr lebendig, dann führt sie einen kontaktabwehrenden Auftrag aus, den sie bekommen zu haben glaubt. Besonders deutlich wurde dies beim Versuch, in den Osterferien noch eine Begegnung mit den Kindern und mir zu ermöglichen, was Claudia sich beim Kontakt am 27.3. noch stark gewünscht hatte, bereits am 29.3. dann aber mit dem Verweis auf andere Termine (nicht schiebbare Verabredung mit einer Klassenkameradin, Friseurbesuch…) ablehnte. Die Mutter war nicht willens, in den Osterferien einen Kontakt hier bei uns herbeizuführen und verweist mich jeweils zur Verabredung direkt an Claudia. Ich will das zwar nicht und sehe die Terminabsprachen als unsere elterliche Aufgabe, weil es mir aber als einzige Möglichkeit schien, den Kontakt zu ermöglichen, und auch um diesem Vorschlag der Mutter eine Chance zu geben, habe ich mich darauf nun wiederholt eingelassen. Ich finde mich dadurch aber in einer Situation wieder, wo Verabredungen nun wie unter Schulkameraden stattfinden und ich mich hinter alle anderen bereits reichlich geplanten Aktivitäten einreihen muss. Dementsprechend sind diese Kontakte nur „Erinnerungskontakte“, nicht aber lebendiger Ausdruck eines Familienlebens oder einer Vater-Kind-Beziehung.
Damit, dass Claudia im letzten Telefonat auch angab, sie wolle nur Kontakte unmittelbar um das Haus der Mutter herum, erscheinen regelmäßige Besuchskontakte mit dem Ziel einer langsamen Wiederanbahnung und Ausdehnung der Kontakte aussichtsarm. Das Halten eines autonomen Kontaktes über ein eigenes Mobiltelefon, in dem nur die Kontaktmöglichkeiten zu mir freigeschaltet sind und das Claudia nutzen könnte, um die Kommunikation in ihrem eigenen Tempo und Rhythmus zu gestalten, wird von der Mutter untersagt, weil Claudia noch zu jung für ein eigenes Telefon sei. Auf 15 Briefe und Postkarten, die ich seit dem Herbst an Claudia geschrieben habe, habe ich keine Reaktion erhalten. Ich weiß nicht, ob und wann Claudia sie erhält. Eine „Wiederanbahnung“ des Kontaktes nur mittels Telekommunikation und ohne verlässlichen regelmäßigen physischen Kontakt wird bei der fehlenden Bindungsfürsorge im mütterlichen Umfeld nicht möglich sein.
(3) Zum Bericht des Verfahrensbeistandes möchte ich vier Aspekte ergänzen
- Herr Arnold hat die vierjährige Claudia am 15.1.2017 bei einem ca. ein- bis zweistündigen Besuch in meiner „Umgangs“-Wohnung erlebt. Seither hat er sie nur im häuslichen Umfeld der Mutter erlebt. Das erklärt vielleicht, warum es in seiner Wahrnehmung nur ein Zuhause für Claudia gibt, nämlich bei der Mutter. Was dabei unzureichend gesehen wird, ist, dass Claudia seit ihrer Geburt ein weiteres Zuhause bei uns hat: Sie ist selbstverständlicher Teil unserer Familie, sie ist hier eine vielgeliebte Tochter, Stieftochter (seit 2014), Schwester (seit 2015), Enkeltochter, Cousine und Nichte und sie wird auch von der Familie meiner Frau ebenso betrachtet. Mit all diesen Menschen hat sie in den letzten 8 Jahren intensive Bindungen aufgebaut, die sie nun aus der realen Welt in die Welt der Erinnerung verlegen muss. Sie hat bei uns ein eigenes Zimmer, eigene Kleidung in ausreichender Menge für einen mehrwöchigen Urlaub, sie hat ihre Spielsachen und Bücher, ihre Fahrräder, ihre Reitausrüstung, ihren Reitunterricht und hätte sie im Jahr 2020 mehr als nur einzelne Tage bei uns verbracht, hätte sie auch nach unserem Umzug aufs Land mit seinen vielen Reitställen hier Freundschaften knüpfen können. Am wichtigsten ist aber: Claudia fühlt sich bei uns wohl, sie ist fröhlich, vergnügt, sie genießt die Zeit, sie verhält sich sicher und autonom, eben nicht wie ein „gern gesehener Gast“ (so die Empfehlung aus dem Bericht des Verfahrensbeistandes im Verfahren von 2017) sondern wie ein ganz normales Familienmitglied. Dies kann durch zahlreiche Fotos und Videos belegt werden. Sie hat keine schlechten Erlebnisse oder Erfahrungen hier gemacht und das wird auch nicht zum Vorwurf gemacht. Sie konnte bei mir seit 2014 die Erfahrung machen, dass das Einschlafen mit einem schönen Ritual ohne Angst und problemlos stattfindet, und dass an der Art, wie sie gerne einschläft, nichts „Schlechtes“ ist. Noch im Sommer 2020, unter dem Eindruck der von der Mutter verhinderten Sommerferien, sagte Claudia uns wiederholt, dass sie Angst habe, uns nicht mehr sehen zu dürfen. Natürlich gibt es hier im Familienleben auch Konflikte und manche haben vermutlich damit zu tun, dass die Geschwister untereinander ihren Platz finden und behaupten müssen, aber diese Konflikte gehören zur menschlichen Entwicklung und sie sind zumutbar und lösbar – mit mehr gemeinsamer Zeit zufriedenstellender als mit weniger gemeinsamer Zeit.
- Claudias Willensstärke: Seit dem Beginn des ungeliebten Kindergartens hat Claudia ihren autonomen Willen immer weniger ausdrücken können. Seit dieser Zeit gab es auch eine für mich deutlich spürbare Einschränkung in Claudias Selbstwahrnehmung und in ihrer Fähigkeit, ihre Gefühle wahrzunehmen und benennen zu können. Gleichzeitig zeigte sie aber eine verstärkte Sensitivität dafür, was von ihr erwartet wird und eine Bereitschaft, sich dem anzupassen. Sie spürt zunehmend, dass sie sich die Anerkennung im Haus der Mutter durch braves und gehorsames Verhalten verdienen muss. Diese vorzeitige Bewegung weg von einer gesunden Egozentrik hin zu einem frühen Konformismus hat die Mutter mit ebenso viel Freude wie mich mit Sorge erfüllt. Während ich die Ursache zunächst in den früh eintretenden Anpassungsleistungen in den unterschiedlichen Fremdbetreuungseinrichtungen gesehen habe, habe ich nicht ausreichend beachtet, dass die Bewältigung der Konfliktspannung, der Claudia exponiert war, sie mehr beansprucht hat als ich annahm. Die Stellen, an denen Claudia dann sehr laut und sehr stark ihren Willen artikuliert, sind nicht die, in denen Claudia nah an ihren zentralen Bedürfnissen ist, sondern in denen sie nah an ihren momentanen Wünschen und ihrer Lust/Unlust ist. Wie immer, wenn solche Lüste/Unlüste inadäquat laut artikuliert werden, geht es nicht um das Objekt der Lust/Unlust an sich, sondern um ein darunterliegendes Bedürfnis und es ist unsere Aufgabe als Eltern, in solch einer Situation zu erkennen, was eigentlich gebraucht wird, und halt- und orientierungsgebender „Leuchtturm“ zu sein. Nur den vordergründigen Wunsch zu erfüllen, wird dem Kind nicht helfen, das dahinterliegende Bedürfnis zu erkennen und zu erfüllen. Claudia ist nicht 14 Jahre alt, auch nicht 12 oder 10 Jahre alt, sie ist acht. Den Kontakt zu den eigenen Eltern zu verweigern, ist für ein achtjähriges Kind kein geeignetes Spielfeld für Autonomieerkundungen, und es ist auch nicht gut, Claudia in diesem Bereich diese Entscheidungsfreiheit zu überlassen – zumal sie, mitten im Loyalitätskonflikt stehend, gar nicht in der Lage ist, einen eigenständigen Willen zur Frage der Kontakthäufigkeit zu entfalten. Der geäußerte Wille ist hier nicht kongruent mit dem, was Claudia braucht. Sie ist aktuell das Sprachrohr derjenigen Erwachsenen, von denen sie im täglichen Leben essentiell abhängig ist und mit denen sie sich gut stellen muss.
- Der Stiefvater spielt eine sehr wichtige Rolle in Claudias Leben und nach Überzeugung aller Beteiligter ist er (als Hauptbetreuender) eine engere Bindungsperson für Claudia als die Mutter. Ich bin froh, dass er als väterliche Bezugsperson in Claudias Leben an der Seite der Mutter ist und ich bin dankbar dafür, dass er sich um sie kümmert. Er tut das auch in meinem Namen.
Eine neutrale Rolle in dem Konflikt ist aber, vor allem im Verlauf des letzten Jahres, bei ihm nicht zu erkennen, ganz im Gegenteil. Seine Haltung mir gegenüber ist unverhohlen ablehnend und er hat sich selbst als die Hauptperson in den Vorgängen um Claudias Kontaktablehnung bezeichnet. Der Stiefvater ist es auch, der besonders versucht, mich moralisch abwertend darzustellen, z.B. indem er meine Ortswechsel, die primär aus dem Versuch entstanden sind, Claudia geographisch näher zu sein, entweder als „pathologisches Hinterherrennen“ oder als unsteten Lebenswandel darstellt. Claudia erlebt in der mütterlichen Familie einen Stiefvater, der sich als ihr Papa bezeichnet und bezeichnen lässt, während der (biologische) Vater dort nur beim Vornamen genannt werden darf. Sie wird Dritten als Tochter des Stiefvaters und er als ihr Vater vorgestellt und es gibt ein starkes Bestreben, den „sozialen Vater“, von dem es scheinbar, so wie beim genetischen, als der ich bezeichnet werde, nur einen geben kann, als vollwertigen Vaterersatz anzunehmen und die Stieffamilie als Herkunftsfamilie zu betrachten. Dies ist geschehen durch eine Delegation der Mutter an den Stiefvater und an Institutionen der Fremdbetreuung, obwohl ich von Anfang auch im Alltag mehr Betreuung übernehmen wollte.
Demgegenüber hat Claudia in der väterlichen Familie ab dem Frühjahr 2014 eine Frau als Stiefmutter kennengelernt, die die Rolle einer mütterlichen Freundin ausübt und sich nie als Ersatzmutter versucht hat. Ich will nicht bewerten, ob eine der beiden Verhaltensweisen die „bessere“ oder die „richtige“ ist. Aber ein Stiefvater, der Mühe mit dieser Bezeichnung hat, der sich als Papa fühlen und wahrgenommen werden will, der dem Vater die Rolle des biologischen Vaters abspricht, ist keine neutrale Zufluchtsperson, sondern es wird dort ein neuer, zusätzlicher Konflikt zwischen „den Vätern“ im System erschaffen, der Claudia zusätzlich belastet.
- Es gibt einen empirisch klar gesicherten umgekehrt proportionalen Zusammenhang zwischen gemeinsam verbrachter Zeit und dem Risiko für Entfremdung. Die seit dem OLG Beschluss 2017 zusammenhängenden Ferienzeiten haben es ermöglicht, Elemente von Alltagsnormalität zu erleben. Dies war die Zeit, in der Claudia sich am stärksten bei uns auch „zu Hause“ erlebt hat und in der sie von sich aus immer wieder ansprach, am Sonntagnachmittag nicht zur Mutter zurückkehren zu wollen.
Nach dem Zurückbringen am 14.7.2019, dem ersten Wochenende nach der Geburt ihres jüngsten Halbbruders, hat sie das nach meiner Abfahrt unter Tränen zur Mutter und zum Stiefvater gesagt. Das veranlasste die Mutter dazu, mich anzurufen, zu beschimpfen und zu verlangen, ich solle Claudia am nächsten Tag selbst zur Schule bringen, ihr Mann mache das nun nicht mehr mit und „Claudia brauche einen Psychiater“. Als ich ankündigte, zurückzufahren, und mit Claudia und der Mutter zu sprechen, wurde das Telefon an Claudia gegeben und sie wurde angeherrscht: „Sag ihm sofort, dass er nicht kommen soll, sonst kommt der jetzt wieder her!“ An diesem Tag, an dem für Claudia sehr deutlich erkennbar war, dass ihre Zuneigung zu mir nicht erwünscht war und mit Liebesentzug beantwortet wurde, wurde Claudia auch verantwortlich gemacht für die Steuerung des Kontaktes. In den folgenden Monaten war die Entfremdung langsam aber zunehmend wahrnehmbar.
Die Kontaktverhinderungen mit den Begründungen Corona und Ordnungsgeldantrag, das Weitergeben des Druckes, den ich der Mutter gegenüber zur Einhaltung der Vereinbarungen aufbaute, und vor allem die vielen Ängste, die in Claudia gesät wurden (vor „schlechten Augen“ durch den Gebrauch eines Tablets auf den Autofahrten zwischen den Eltern, vor dem Corona-Tod der Großeltern oder des Stiefvaters im Falle eines Kontaktes mit mir, Schusswaffengebrauch bei Nichteinhaltung der Ausgangssperre, Quarantäne nach Rückkehr aus der Schweiz, Unfall durch Einschlafen am Steuer, Absturz mit dem Flugzeug, Zahnausfall bei Verwenden der falschen Zahncreme, Entführung durch mich) trugen ebenso weiter zur Entfremdung bei wie das erste Narrativ, das Claudia „eben leider zu mir gehen müsse, weil das Gericht es so entschieden hat“, gefolgt vom zweiten Narrativ, dass man gerichtliche Beschlüsse nicht befolgen müsse, wenn man das nicht wolle. Dass es in Ordnung sei, einfach vorzeitig in die Ferien zu fahren oder zur Abholzeit abwesend zu sein, anstatt das (moderierte) Gespräch über etwa notwendige Anpassungen zu suchen.
Diese entfremdenden Strategien konnten aber erst von da an ausreichend fruchten, als Claudia immer weniger und schließlich keine Zeit mehr in meiner Familie verbrachte, in der sie wahrnehmen konnte, dass ihr Gefühl in meiner Familie eines der Geborgenheit und Verwurzelung und des Anerkennens der 2-Familien-Realität war, mitsamt den dazugehörenden Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund anzunehmen, Claudia seien die Kontakte „zu viel“ gewesen, ist ebenso abwegig wie die Annahme, sie könne in dieser Situation überhaupt zu einer eigenen Willensbildung kommen. Im August 2020 wird im anwaltlichen Schreiben noch dargelegt, Claudia wolle nicht kommen, weil man ihr gesagt hatte, dass ich arbeiten müsse und tagsüber nicht bei ihr sein könne, im Dezember sprach Claudia von allen 6 Wochen, aktuell wünscht sie sich gar keinen Kontakt mehr. Fakt ist, dass sich Claudia umso weniger Kontakt wünscht, je weniger Kontakt sie hat. Mit ihren eigenen Bedürfnissen hat das nichts zu tun.
(4) Handlungsoptionen
Ich habe bisher in diesem Vermittlungsverfahren keine konkreten Anträge gestellt (außer der Bestellung einer nicht prädisponierten Verfahrensbeistandschaft) und werde das auch heute nicht tun. Ich will aber darlegen, welche verschiedenen Verläufe ich mir von hier aus vorstellen kann und welche Folgen sich daraus ergeben würden.
Das, was Claudias Wohl am meisten beeinträchtigt, ist der ungelöste Konflikt ihrer Eltern. Claudia braucht, wie alle Kinder, eine spannungsarme (wenn schon nicht spannungsfreie) gelebte Beziehung zu ihren beiden Eltern, um von den individuellen Eigenschaften profitieren zu können, die sie jeweils nur in der mütterlichen und väterlichen Sphäre findet und so zu einem Erleben von Ganzheit zu kommen, von Angenommen- und Liebenswertsein und von sich selbst annehmen können. Wenn sie erlebt, dass von dem Umfeld, in dem sie lebt, eine Hälfte ihrer Herkunft und damit auch eine Hälfte von ihr selbst ablehnenswert ist, wird das langfristig gravierende Auswirkungen auf Claudias seelische Gesundheit, die ein Teilaspekt des Kindeswohls ist, haben.
Betrachtet man einerseits die (hinter den Positionen stehenden) allseitigen Bedürfnisse und andererseits die in den beiden Systemen vorhandenen Ressourcen, so gibt es keine Zweifel, dass Lösungen möglich sind, die für alle Beteiligten gut sind. Sie müssen nur gewollt werden. In dieser Situation ist es fatal, wenn eine Seite den Eindruck gewinnen kann, dass fehlender Einsatz, fehlende Kommunikation und fehlende Kooperation damit „belohnt“ werden, dass einseitig das eigene Ziel erreicht werden kann. Langfristig ist in familiären Systemen ohnehin keine Lösung vorstellbar, die nur für eine Seite gut wäre, sondern „win-loose“-Szenarien werden am Ende „loose-loose“-Situationen sein. Es ist auch fatal, wenn der Eindruck gestärkt wird, dass gerichtliche Entscheidungen nach Gutdünken oder unter Vorschützen von Nichtwissen ausgesetzt werden können. Es darf auch nicht sein, dass ein Konflikt einseitig befeuert wird, weil der Konfliktstifter im Ergebnis vom Anheizen des Konfliktes profitiert. Und es ist ein Unding, wenn dies die Art ist, wie wir als Eltern unseren Kindern den Umgang mit Konflikten vorleben und sie dann noch erleben, dass das eine erfolgreiche Strategie ist.
Wird der aktuelle Verlauf nicht aufgehalten, so wird es zwar kurzfristig zu einer „win-loose“-Situation kommen, in der ein Elternteil (der Vater) aus Claudias Leben verschwindet. Damit wird sich zwar, wie das schon seit Oktober angeblich der Fall ist, die akute Konfliktspannung für Claudia mildern, langfristig ist ein solches Eliminieren aber so wenig möglich wie die Elimination der eigenen Wurzeln in der Innenwelt. Claudia wird sich weiter damit auseinandersetzen müssen, dass der Vater, den sie liebt, von ihrer Umgebung abgelehnt wird. Sie wird wieder eine Kongruenz zwischen ihrer kontaktablehnenden Haltung und ihrer Zuneigung herstellen müssen und wenn das nicht durch die Wiederherstellung des Kontaktes möglich ist, dann wird es durch eine innere Dämonisierung erfolgen, die dann auch kongruent mit den Zuschreibungen aus ihrem Umfeld ist. Die Dämonisierung eines Elternteils ist aber nicht möglich, ohne gleichzeitig auch einen Teil in sich selbst zu dämonisieren. Die Folgen dieser inneren Ablehnung eines eigenen Persönlichkeitsanteiles sind in der Literatur gut beschriebene psychische oder psychiatrische Störungen, von Verhaltensauffälligkeiten über Essstörungen, selbstverletzendem Verhalten, psychosomatischen Erkrankungen bis hin zur Depression und Suizidalität und der transgenerationalen Wiederholung von Lebensskripten. Sollte auch der Stiefvater durch Trennung oder Tod aus Claudias Umfeld verschwinden und damit keine männliche väterliche Bezugsperson in Claudias Alltag präsent sein, gehören auch frühe Beziehungen zu deutlich älteren Männern und Teenager-Schwangerschaften zu den assoziierten Phänomenen. Langfristig ist das Fortführen der aktuellen Situation mit dem Zulassen des Kontaktabbruches eine „loose-loose“-Situation für alle Beteiligten. Ob die von der Schule jüngst berichtete Verschlechterung der Lernbereitschaft mehr auf die Konfliktspannung oder die Verlustsituation zurückzuführen ist, kann ich noch nicht sagen.
Was hier aktuell geschieht, ist ein Attentat auf Claudias Beziehungen zu ihrer väterlichen Familie. Der Kontaktabbruch zu den lebenden Eltern macht aus Kindern kranke Erwachsene. Induzierte Eltern-Kind-Entfremdung ist eine Form psychischen Missbrauches, egal, ob sie bewusst oder unbewusst geschieht. Wer dies zulässt oder fördert, handelt gegen das Kindeswohl.
In unserer konkreten Situation sind alle 5 Faktoren aus dem Identifikationsmodell von Bernet und Lorandos (Lorandos D, Bernet W: Parental alienation: science and law. Springfield, Illinois, Charles C Thomas, 2020) erfüllt.
Von den 17 Entfremdungsstrategien aus dem Modell von Amy Baker (Baker AJL, Sauber SR. Working with alienated children and families: a clinical guidebook. New York: Brunner-Routledge, 2013.) sind 10 Faktoren gegeben und zwei weitere mutmaßlich gegeben, drei sind unklar und nur zwei sind nicht gegeben.
Die Anwendung des KiMiss-Instruments ergab für Claudia einen Verlust des Kindeswohls von über 100% entsprechend der Stufe 5a der KiMiss-Klassifikation und somit eine möglicherweise vorliegende Form von Kindesmissbrauch oder Kindesmisshandlung (Zusammenfassung des Befundes und Klassifikation angefügt).
Im Modell der Bindungsfürsorge (Temizyürek K. Das Stufenmodell der Bindungsfürsorge. Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 2014;9:228-31) bzw. im neueren Sprachgebrauch der Bindungspflege (Temizyürek K. Die richterliche Kindesanhörung: Bindungsfürsorge, Bindungstoleranz, Bindungsblockade. Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 2018;8:301-306) haben wir es heute klar mit einer Situation der Bindungsblockade zu tun.
Kinder können sich aus einer solchen Entfremdungssituation nicht alleine befreien. Sie brauchen dafür Hilfe. Echte Ruhe wird erst dann einkehren, wenn sich Claudia in einem bindungsfürsorglichen oder zumindest deutlich bindungstoleranten Umfeld bewegen kann. Am anderen Ende des Spektrums steht daher mit der Herausnahme aus der gefährdenden Situation eine Lösung, die Claudias Zugang zu beiden Eltern und damit zu ihren Wurzeln langfristig sichern würde, die kurzfristig aber eine deutliche Anpassungsleistung von Claudia fordern würde. Zu dieser wäre sie fähig, aber es würde ihr nicht gefallen und diese Entscheidung kommt erst in Betracht, wenn weniger einschneidende Lösungen ausgeschöpft sind.
Denn von diesen beiden Extremen abgesehen gibt es die Vielzahl von Möglichkeiten, die wir als Eltern miteinander finden können, wenn wir uns gemeinsam und konstruktiv auf einen Prozess einlassen, in dem wir wieder Claudia mit ihrem Bedürfnis nach ebenso sicherem Zugang zu beiden Eltern wie ihrer freien und zunehmend autonomen Lebensentfaltung in den Blick nehmen und bereit sind, über entstandene Wunden hinweg wieder den liebenswerten Menschen mit seinen achtenswerten Bedürfnissen im Gegenüber zu sehen. Das wird ohne fachkundige Hilfe zunächst nicht möglich sein, aber fachkundige Hilfe gibt es ja und was nun noch fehlt, ist die Motivation auf beiden Seiten.
Anders als das gemeinsame Sorgerecht und ein Umgangsbeschluss kann diese Motivation nicht gerichtlich verordnet werden und von daher waren Ordnungsgeldantrag und auch das Vermittlungsverfahren Verzweiflungshandlungen von mir, weil ich mir nicht anders zu helfen wusste und weiß.
Das Gericht hat die Möglichkeit, die Gefährdung für Claudia zu benennen, die aus der Fortführung der aktuellen Situation langfristig entstehen wird und es kann benennen, dass eine solche Gefährdung so wenig geduldet wird, wie eine schwerwiegende Gefährdung der körperlichen Gesundheit geduldet werden würde. Wenn uns Eltern die Illusion genommen wird, dass wir durch fehlende Kooperation unser Ziel erreichen werden, sondern dass wir auf diese Weise relevante Nachteile für unser Vorhaben riskieren, dann wird sich die Motivation von selbst einstellen. Dann können statt Konfliktgesprächen Lösungsgespräche geführt werden, die dann auch Lösungen (und nicht Konflikte) generieren. Einzig das Gericht ist in der Lage, den entscheidenden Impuls dafür zu geben.
Damit würden wir uns in einem Verfahren nach §157 FamFG – Erörterung der Kindeswohlgefährdung – befinden.
Ein konkreter Plan, der den Bedürfnissen aller Beteiligten in angemessener Weise Rechnung trägt, und der von allen eingehalten werden müsste, weil sonst Auswirkungen auf Teilbereiche des Sorgerechts zu besprechen wären, könnte z.B. sein:
- Inanspruchnahme von Beratungsgesprächen im Rahmen der Hilfen zur Erziehung, verpflichtend im Rahmen eines Gefährdungsverfahrens
- Umsetzung einer Zwischenvereinbarung des Kontaktes bis zur gemeinsamen Erarbeitung einer Elternvereinbarung mit
- reduzierter Wochenend-Kontaktfrequenz nur alle 4 Wochen (um Claudias Wunsch nach weniger Fahrten und weniger Wechseln Rechnung zu tragen),
- verlängerten Wochenend-Kontakten von Freitag nach Schulende bis Montag zu Schulbeginn (das bedeutet einmal frühes Aufstehen pro 4 Wochen und ist zumutbar, entlastet aber den Stiefvater von den Schwierigkeiten, Claudia zum Schulbesuch zu motivieren; die verlängerte Kontaktzeit erlaubt zwei ganze Tage in Folge in der väterlichen Familie und damit etwas mehr Akklimatisierung und die Aufnahme regelmäßiger Aktivitäten hier),
- einer asymmetrischen Ferienaufteilung, um die fehlende Kontaktzeit durch die Reduktion der Wochenenden zu kompensieren im Sinne von mehr zusammenhängender Alltagszeit, z.B. in dem alle durch Brückentage verlängerten Wochenenden, die Pfingstferien immer und nicht jährlich wechselnd beim Vater verbracht werden und die Sommerferien im Verhältnis 4 Wochen zu 2,5 Wochen aufgeteilt werden,
- den Faschingsferien grundsätzlich bei der Mutter, die Herbstferien grundsätzlich beim Vater, weil das den Urlaubswünschen nach gemeinsamen Skiferien in der mütterlichen Familie besser entspricht.
- Zur Wiederherstellung der Kontakte könnte eine Umgangspflegschaft eingerichtet werden oder die Mutter könnte verpflichtet werden, mit gutem Beispiel voranzugehen und Claudia den Weg zum Vater zu zeigen und mit ihr zu gehen