Ja, es ist schade, dass ein frisch gebrochener Mittelfußknochen mich daran hinderte, auf der Demo des VAfK Köln zu sprechen.
Als ich darüber informiert wurde, dass ich Zielperson eines Flugblattes am Rande der Demo war, interessierte mich dies zunächst nicht. Mir wurde das Flugblatt aber zugesandt und ich wurde gebeten, dazu Stellung zu nehmen.
Das muss ich ja nicht. Ich reagiere nicht auf jede Sau, die jemand durchs Dorf treibt.
Ich stellte aber fest, dass die Argumentationslinie nicht nur eine Kopie der üblichen Denkmuster derer ist, die sich mit uns als ihren Lieblingsfeinden beschäftigen, sondern dass daran auch beispielhaft die brüchigen Stellen im Denkgebäude aufgezeigt werden können.
Gut. Die Ehre, die mir durch ihre Aufmerksamkeit zuteil wird, gebe ich zurück.
Wenn ich bisher von den Erstellern des Flugblattes im Plural geschrieben habe, so geschah dies, weil ich die Argumente kenne und weil sie von einigen auch immer wieder radikal auftretenden Gruppen geteilt werden.
Konkret gibt es auf dem Kölner Flugblatt aber keinen Hinweis auf eine Gruppe. Verantwortlich zeichnet:
Clara Fall, mit angegebener Adresse in Köln (Hanni H.)
Ich spreche also Clara Fall an und vermeide die Anrede „Frau“, weil ich nicht dadurch in den Verdacht einer Diskriminierung kommen möchte, dass ich durch eine falsche sexuelle Zuordnung diskriminieren würde.
Ich kann auf jeden Fall klarstellen:
Ich bin kein Feminist, bin eindeutig männlich und heterosexuell orientiert (leide also auch nicht unter eine Identitätskrise zwischen den multiblen Geschlechtern). Damit entspreche ich im Sinne dieser Zuordnungskriterien einer weit überwiegenden Mehrheit in unserem Land. Und natürlich achte ich darüber hinaus die Rechte von Minoritäten.
Ich bin nicht homophob (für mich kann sich jede Person nach Lust und Laune mit wem auch immer konsensual verwirklichen, solange andere dadurch nicht in ihrer Freiheit behindert werden), bin kein Frauenhasser (es gibt genug Frauen, die das bestätigen können, was allerdings nicht heißt, dass ich Weiblichkeit als Qualitätsgarantie erkenne – ebenso wenig wie Männlichkeit) und habe mit politischer Rechtsorientierung nun gar nichts zu tun – im Gegenteil; von einem klassischen 68er ist das auch nicht zu erwarten – was nicht bedeutet, dass links oder grün für mich Qualitätsgarantien ausmachen.
Zu den Inhalten des Flugblattes.
Es startet mit einer Solidaritätsbekundung mit bestimmten Forderungen der Demonstrierenden: Z.B. „Geschlechtsstereotypes Denken (nicht nur) in Paarbeziehungen überwinden“.
Dabei wird aber klar unterschieden in Väter, die „Sorgearbeit gleichberechtigt mittragen können und wollen“ und Mütter, die „selbstbestimmt entscheiden, wieviel davon·sie übernehmen“.
Das hat mit Geschlechterbalancierung nichts zu tun. Zwischen „mittragen können“ und „selbstbestimmt entscheiden“ liegen Welten.
Diese klitzekleine Unterscheidung prägt aber die Wertewelt von Clara Fall.
Ich zitiere aus dem Flugblatt:
„Gleichzeitig wollen wir den Blick auf problematische Aspekte dieser Demonstration lenken:
Zum einen bildet diese eine Plattform für bestimmte Gruppen und Personen, die sich väterrechtliche Themen aneignen, um Propaganda für ihre eigenen diskriminierenden Inhalte unterbreiten zu können. Wir kritisieren, dass sich somit in diesen Netzwerken Homophobie, Frauenfeindlichkeit und -hass sowie Verstrickungen mit rechtspopulistischen Zusammenhängen finden.
Außerdem erhalten auf dieser Demonstration Menschen das Wort, die ebenfalls aktiv derartige Inhalte publizieren:
Franzjörg Krieg“
Was müsste ich über Clara Fall mutmaßen, um da mithalten zu wollen?
Fruchtbarer ist die Beschäftigung mit dem, was an eigenen Inhalten von Clara Fall publiziert wird:
„Durch das Motto der Demo wird ein heteronormatives Bild der Kleinfamilie transportiert.“
Nein, Clara Fall. Wir sind absolut gegen die Kleinstfamilie, die in einer betonfeministischen Zeit „Einelternfamilie“ genannt wurde – was inzwischen in Literatur und Medien auch kaum mehr auftaucht.
Wir präferieren auch nicht die Kleinfamilie aus Papa, Mama und Kind(ern), sondern wollen die gesamten Familien der beiden Eltern mit einbeziehen. Die Großfamilie ist eine zwar seltene, aber sehr gute Option.
Das Pendant von „heteronormativ“ bedeutet in Konsequenz wohl, dass heute Kinder nicht nur von einer Frau und einem Mann gezeugt werden, sondern dass zwei Frauen oder zwei Männer oder auch zwei oder mehrere geschlechtlich eindeutig oder weniger eindeutig zuzuordnende Personen sich ein Kind zu eigen machen, um damit ihre Lebensplanung zu verwirklichen.
Das ist allein erwachsenenorientiert und bezieht Kinder allein als Objekte, aber nicht als (genetisch eindeutig zuzuordnende) Subjekte ein.
Logisch wird dadurch die nächste Äußerung:
„Es sind nicht·alle Kinder, die „beide Eltern“ brauchen. Es gibt Menschen, die sich von Beginn an dazu entscheiden, alleinerziehend zu sein.“
Und weil sich ein „Mensch“ dazu entscheidet, alleinerziehend zu sein, braucht das Kind, das sich dies *Mensch* beschafft, logischerweise nicht „beide Eltern“?
Der, die, das *Mensch* strickt sich das Kind nach eigener Lebensphilosophie?
Ich meine, unter des Denkens Mächtigen muss ich nicht weiter erläutern.
„Weiterhin gibt es Familien mit mehr als zwei Hauptbezugspersonen und Familien, in denen Kinder adoptiert wurden.“
Ja, das gibt es. In einer Großfamilie mit Opas und Omas und evtl. noch mehr Verwandten und evtl. weiteren Mitbewohnenden gibt es auch mehr als zwei Bezugspersonen. In Afrika braucht es ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen, was vor 100 Jahren auch bei uns noch so funktionierte.
Und bei Adoptionen? Sind das mit den biologischen Eltern gleiche Familien?
Darin liegt wohl der wichtigste Unterschied in der Denkwelt von Clara Fall und der meinigen.
Sie meint, ja. Ich meine, nein.
Für mich sind Adoptionen nicht mit der Ursprungsfamilie gleiche Familien, sondern Behelfskonstruktionen, die allerdings ebenfalls eine hohe Norm von Fürsorglichkeit leben können.
Dem Lesenden überlasse ich die weitere Einordnung.
„Eine spezifische Vorstellung von “normalen“ Familienverhältnissen entspringt den politischen Idealen von Erwachsenen, nicht vermeintlich natürlichen Bedürfnissen von Kindern.“
Clara Fall weißt natürlich, was die „natürlichen Bedürfnisse“ von Kindern ausmacht.
Ich hatte in den letzten vier Tagen fünf Gerichtsverhandlungen vor Familiengerichten, teilweise hoch besetzt, auch mit Sachverständigen und vor dem OLG. Wir hätten mit der Expertise von Clara Fall wohl bedeutend bessere Lösungen gefunden als wir es ohne deren sachverständige Erkenntnisse finden konnten.
„Wir fordern die Veranstaltenden dazu auf, sich von antifeministischen, homophoben und frauenfeindlichen Gruppen und Themen abzugrenzen!
Der Frust über familienpolitische Schieflagen darf nicht in generelle Frauenfeindlichkeit und weitere Diskriminierung von marginalisierten Personen umschlagen. Dies sollte sowohl von den Verantwortlichen als auch Teilnehmenden dieser Demonstration reflektiert werden.“
Ich gehörte zwar nicht zu den Veranstaltenden, sondern war nur als Redner vorgesehen, kann aber beruhigen:
Ich grenze mich von „antifeministischen, homophoben und frauenfeindlichen Gruppen und Themen“ ab!
Mein „Frust über familienpolitische Schieflagen“ schlägt nicht um in „generelle Frauenfeindlichkeit und weitere Diskriminierung von marginalisierten Personen“.
Und „reflektiert“ habe ich ja nun….