Badisches Tagblatt vom 28.01.2005, Nr. 22, Blick ins Land
Franzjörg Krieg vom „Väteraufbruch für Kinder“ über heimliche Vaterschaftstests, gemeinsames Sorgerecht und Rollenklischees bei Behörden
Gaggenau – Die aktuelle Debatte um das Verbot heimlicher Vaterschaftstests hat eine generelle Frage aufgeworfen – nämlich die nach den Rechten von Vätern überhaupt. Der 1989 gegründete und bundesweit aktive Verein „Väteraufbruch für Kinder“ macht sich seit Jahren für Änderungen im Familienrecht stark, gerade auch mit Blick auf Sorge- und Umgangsrechte nach Trennungen. Unser Redakteur Armin Broß sprach mit Franzjörg Krieg (56). Der Realschullehrer und gebürtige Gaggenauer gründete 2001 die Kreisgruppe Karlsruhe des „Väteraufbruchs“.
Frage: Herr Krieg, Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) will heimliche Vaterschaftstests verbieten lassen und unter Strafe stellen. Wie ist die Position des „Väteraufbruchs für Kinder“ dazu?
Krieg: Meine Haltung ist: Ein solcher heimlicher Test kann natürlich kein Beweis vor Gericht sein. Aber als Anfangsverdacht für ein Vaterschaftsverfahren müsste er ausreichen. Dass der Bundesgerichtshof nun jüngst geurteilt hat, das Ergebnis eines solchen Tests dürfe überhaupt nicht verwertet werden – das ist realitätsfremd.
Frage: Welche Chancen auf Realisierung räumen Sie dem Vorschlag von Frau Zypries überhaupt ein?
Krieg: Ich glaube nicht, dass es so kommen wird. Denken Sie nur an die Online-Abstimmung, die bei einer SWR-Fernsehsendung stattgefunden hat: 11 000 Leute haben sich gemeldet, 96 Prozent waren gegen die Strafbarkeit eines solchen Tests.
Frage: Glauben Sie, dass sich die Politik danach richten wird?
Krieg: Das kommt ganz darauf an, wie stark die Frauenlobby auftritt. Die Politik übernimmt allzu oft unkritisch die Vorgaben, die aus der Frauenszene kommen.
Frage: Das Kernthema ihres Vereins ist das Sorgerecht beziehungsweise die Benachteiligung von Vätern. Wo sehen Sie den größten Schwachpunkt beim bestehenden Recht?
Krieg: Der größte Schwachpunkt liegt im Bereich des nicht-ehelichen Sorgerechts. Hier hat das Bundesverfassungsgericht am 29. Januar 2003 immer noch so geurteilt: Eine nicht verheiratete Mutter hat a priori das alleinige Sorgerecht, und der Vater bekommt ein Sorgerecht nur dann, wenn die Mutter zustimmt. Das heißt: Eine Partei entscheidet vor Gericht über das Ausmaß an Rechten, das die andere Partei hat – ein starkes Stück! Inzwischen haben wir etwa zehn Urteile, in denen der Straßburger Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) familienrechtliche Urteile aus Deutschland für menschenrechtswidrig erklärt hat. In diesem Bereich haben wir den Status einer Bananenrepublik. Viele Väter in Deutschland sagen inzwischen: Wenn ich Recht will, muss ich nach Straßburg.
Frage: Wobei das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe aber kürzlich – gerade bei einem familienrechtlichen Urteil – sinngemäß gesagt hat: Urteile des EGMR sind nicht eins zu eins umzusetzen, sondern sie sind in der deutschen Rechtsprechung nur „gebührend“ zu berücksichtigen.
Krieg: Der Europarat hat ganz anders reagiert. Er sagt: Was der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sagt, ist für alle gültig und für alle bindend. Wir wollen doch Europa, und dann müssen wir auch die europäische Harmonisierung wollen. Eines ist sicher: Europa wird im Familienrecht nicht den deutschen Weg gehen.
Frage: Sie haben als Kritikpunkt das Sorgerecht bei nicht-ehelichen Kindern genannt. Bei ehelichen Kindern hat es ja 1998 Reformen gegeben. Das gemeinsame Sorgerecht nach der Trennung greift hier doch inzwischen bei rund 80 Prozent der Fälle…
Krieg: Es gibt aber dennoch ein Problem, und das hängt wieder mit der alten Sichtweise zusammen: Unsere Jugendämter haben sich nicht von heute auf morgen geändert. Sie sind in der Regel Mutterämter. Und wie läuft es denn in der Realität nach einer Trennung ab? Die Kinder werden einem Partner zugeordnet, und das ist meistens die Mutter. Und wer die Kinder hat, bekommt auch das Geld. Scheidungen werden zu 75 Prozent von Frauen eingereicht. Wieso wohl? Beim gemeinsamen Sorgerecht wird das Problem auf den „Umgang“ verlagert. Meist ist der Vater derjenige, der die Mutter hofieren muss, um seine Kinder überhaupt noch sehen zu dürfen. Eine umgangsverweigernde Mutter wird in Deutschland in der Regel immer noch unterstützt.
Frage: Der „Väteraufbruch für Kinder“ beruft sich bei seinen Forderungen ja ausdrücklich auf das Kindeswohl. Wie definieren Sie denn das Kindeswohl?
Krieg: Das Recht auf Sorge hat das Kind und nicht die Eltern. Ich darf nicht Sorgerechte zwischen Eltern verteilen wollen, sondern das Kind hat das Recht auf Umsorgtwerden – und daraus erwächst immer für beide Eltern eine gleichmäßige Verpflichtung. Das ist der Grundgedanke. Und das heißt: Gemeinsames Sorgerecht ab Geburt – ganz selbstverständlich.
Frage: Wie soll das beim Umgangsrecht nach einer Trennung konkret aussehen?
Krieg: Ich kenne Fälle von paritätischem Aufenthalt der Kinder bei den beiden Elternteilen, Fälle, wo die Kinder an einem erweiterten Wochenende beim Vater sind und unter der Woche bei der Mutter. Von montags nach der Schule bis freitags in die Schule bei der Mutter und von freitags nach der Schule bis montags in die Schule beim Vater. Und das regelmäßig. Und die Ferien sind hälftig geteilt. So kenne ich viele Fälle, und sie funktionieren sehr gut.
Frage: Ein Patentrezept für alle Situationen…?
Krieg: Dieses Konzept ist sicher nicht bei allen möglich. Also muss man sich zusammensetzen und unter den gegebenen Voraussetzungen das für die Kinder Beste ermitteln. Gemacht wird das im Landkreis Cochem in Rheinland-Pfalz – Stichwort Cochemer Weg.
Frage: Das Cochemer Modell sieht vor, dass sich Behörden von vorne herein einschalten und auch Druck auf die Eltern ausüben für ein gemeinsames Sorgerecht und eine faire Lösung.
Krieg: Ja. Und sie vernetzen sich miteinander. Alle sind zusammengeschaltet: Jugendamt und Familiengericht. Dann die Anwälte. Denen muss klar gemacht werden: Schmutzige Wäsche waschen und über das Kindeswohl wegbügeln, das ist out. Alle sind in das gemeinsame Konzept eingebaut, und das Kind steht an vorderster Stelle.
Frage: Wie stehen Sie zu staatlichen Sanktionen beim Sorgerecht? Es gibt doch genug Fälle, wo Mütter oder Väter ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. Wo Kinder misshandelt werden oder wo kein Unterhalt gezahlt wird – da muss doch der Staat eingreifen.
Krieg: Richtig. Aber eben nur, wenn jemand seiner Verantwortung nicht gerecht wird.
Frage: Der „Väteraufbruch für Kinder“ bemängelt, dass das Vorgehen von Behörden häufig stark an bestimmten Klischees über Väter und Mütter orientiert ist.
Krieg: Ja. Zum Beispiel: Wenn bei einem Streit in der Wohnung eine Frau die Polizei holt, ist von vorneherein der Mann der Täter – egal was die Frau gemacht hat. Dann wird gesagt: Raus mit dem Kerl für ein paar Tage. Und damit ist er als gewalttätig abgestempelt. Uns liegen auch Urteile von Familiengerichten vor, in denen ausschließlich die Befindlichkeit der Mütter bedient wird. Es wird einfach unterstellt: Sie ist die Mutter, also ist sie gut, und man muss gar nicht mehr untersuchen, ob sie etwas falsch macht. Frauen wird auch oft zugestanden, dass sie ihren Kindern nach Belieben wechselnde Väter zuweisen. Hauptsache, der Erzeuger hat zu zahlen.
Frage: Gibt es europäische Staaten mit Regelungen, die Sie als vorbildlich ansehen?
Krieg: Frankreich hat beim Umgangsrecht eine Praxis, die sicherlich auch für uns etwas wäre. Da kommt eine Mutter, die den Umgang verweigert, schon mal ins Gefängnis. Die Mütter in Deutschland wissen dagegen, sie können den Umgang boykottieren, und es passiert ihnen nichts. Sie wissen: Ich kann den Vater meines Kindes des sexuellen Missbrauchs bezichtigen, ich kann sogar eine Straftat vortäuschen – es passiert mir nichts. Ich kann von meinem Partner behaupten, er hat mich geschlagen – ich muss es nicht nachweisen können. Wenn ich es behaupte, dann reicht es, und er wird vor die Tür gesetzt. Dann wird vielleicht hinterher die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen, aber dass ich ihn zu Unrecht bezichtigt habe, wird mir nicht angelastet. Und der Mann bleibt als Gewalttäter in der Statistik drin.
Frage: Ihre Schätzung: Wie oft wird der Umgang boykottiert?
Krieg: Es gibt grobe Zahlen für die Bundesrepublik: Die Hälfte aller Kinder verliert nach der Trennung innerhalb eines Jahres den Kontakt zum anderen Elternteil.
Frage: Was dann aber auch heißen kann, dass ein Elternteil überhaupt kein Interesse am Umgang hat…
Krieg: Richtig. Das kann natürlich sein. Das müssen wir uns ja auch ständig sagen lassen: Wir Väter sind deshalb nicht gleichberechtigt, weil es unter uns viele gibt, die ihr Vatersein nicht ernst nehmen. Und jetzt werden wir in Sippenhaft genommen. Ich muss aber einem Vater, der seine Vaterrolle ernst nimmt, die Möglichkeit dazu geben – im Interesse des Kindes. Und ich darf ihm die Möglichkeit nicht nehmen, nur weil es andere Männer gibt, die nachweislich Schweine sind.
* Zum Thema:
Die Kreisgruppe Karlsruhe des „Väteraufbruchs für Kinder“ hat nach eigenen Angaben 60 ordentliche Mitglieder und 200 Interessenten. Die meisten stammen aus den Kreisen Karlsruhe Stadt und Land; das Einzugsgebiet umfasst aber auch die Kreise und Städte Germersheim, Heilbronn, Pforzheim, Rastatt und Bühl. Die Gruppe trifft sich jede Woche. Laut Krieg ist vorgesehen, in diesem Frühjahr auch einen Landesverband des „Väteraufbruchs“ zu gründen. Informationen und Kontakt: Franzjörg Krieg, Tel (0173) 9 29 00 09.