Familiengericht
In einer rheinland-pfälzischen Kleinstadt.
Unweit von Cochem…
Mutter
Hohe Abhängigkeit von ihrer eigenen Familie mit Sektenhintergrund und Vermögen.
Seit dem Teenageralter psychiatrische Auffälligkeiten, Selbstverletzungstendenzen, Suizidalität, Therapien stationär und ambulant.
Die Beziehung zum Vater des Kindes, 120 km weg vom Elternhaus, war der Versuch einer Distanzierung aus der Enge.
Sobald sie schwanger wurde, wurde die Mutter aber wieder von ihrer Familie eingefangen, die das Kind für sich sichern wollte.
Seither versucht der Vater, über diese Entfernung möglichst intensiven Kontakt zum Kind zu halten, was für ihn emotional, psychisch und finanziell desaströs ist.
Gäbe es nur die Mutter, wären Einigungen sicher möglich. Da diese sich aber als instabile und unsichere Persönlichkeit auf ihre Familie stützen muss und diese alles tut, um Macht und Kontrolle auszuüben, gibt es ein explosives Gemisch von Unsicherheit und Misstrauen. Dies wird durch die Sektenanbindung verstärkt.
Es war sicher kein Zufall, dass die Leiterin der örtlichen Sektengemeinde während der Verhandlung auf dem Flur wartete. Sie arbeitet im Krankenhaus und hat Zugang zu Medikamenten, von denen der Vater behauptet, dass sie eine Rolle spielen sollten.
Kind
Knapp vier Jahre alte Tochter, die von allen als altersgemäß gut entwickelt, geschickt und intelligent beschrieben wird.
Damit hat der Vater wenig Chance, eine evtl. Kindeswohlgefährdung im mütterlichen Umfeld glaubhaft zu machen.
Vater
Für ihn ist sicher: Das Kind muss bei der Mutter raus. Anders ist seine Tochter nicht zu retten.
Er hatte sich mit für ihn eindeutigen Beobachtungen und Aussagen seiner Tochter, die ungeheuerliche Vorkommnisse beschreiben, wegen ihrer Ungeheuerlichkeit von allen Professionen aber als unbelegte Behauptungen zurückgewiesen werden müssen, zu weit aus dem Fenster gelehnt und erntet nun Kritik auf breiter Front an seinem Urteil zum Verbleib des Kindes im mütterlichen Haushalt.
Setting in der Verhandlung
Richterin
Mutter mit Anwältin
Vater mit mir als Beistand (die Richterin hatte vorher schriftlich die Akzeptanz meiner Anwesenheit signalisiert)
Jugendamt
Ergänzungspfleger
Verfahrensbeistand
Sachverständiger
Mit 9 Personen also große Besetzung.
Insgesamt angenehme Atmosphäre, problembezogen und lösungsorientiert.
Vorhergehender Verfahrensablauf
Der Vater hatte schon vor drei Jahren des auslösenden Umgangsantrag gestellt.
Die Beschäftigung der familialen Intervention mit der Trennungsfamilie ließ die Brisanz der Dynamik erkennen. Das Familiengericht ging weise vor: Keine drastischen Eingriffe, der Situation Entwicklungsmöglichkeit einräumen, Kontakt des Kindes zum Vater sichern. Zusätzlich zum Umgangsantrag des Vaters eröffnete das Familiengericht von Amts wegen einen Antrag zur Sorge. Ein Gutachten zu beiden Gegenständen wird in Auftrag gegeben.
Weil eine Auseinandersetzung der Eltern zum Thema Kinderarzt eskalierte, entschied sich das Gericht nicht zu einer Einschränkung der Sorge für einen Elternteil, sondern per eA zur Übertragung der Sorge auf einen Ergänzungspfleger beim Jugendamt.
Ablauf im Termin
Zunächst wurde der Sachverständige gehört, dem nur begrenzt Zeit zur Verfügung stand. Er erklärte beide Eltern als jeweils erziehungsfähig und als gut mit dem Kind gebunden. Das Problem seien nicht die Eltern jeweils als Einzelpersonen, sondern die toxische Dynamik zwischen den Eltern, die sich negativ auf das Kind auswirkt.
Es gibt keine Kindeswohlgefährdung im Haushalt der Mutter, was der Vater allerdings nicht akzeptieren kann. Er ist in seiner Affektgeladenheit nicht bereit, in diesem Punkt nachgiebiger zu sein.
Ich erkläre dazu, dass es nicht nur die Auswirkung der Affektbezogenheit ist, die die Dynamik beeinflusst, sondern auch die Machtdisbalance zwischen den Eltern. Es ist ein Unterschied, ob die Mutter misstrauisch den Hauptaufenthaltsort des Kindes beim Vater und dessen Eltern beobachtet oder umgekehrt.
Ausführlicher Austausch über die Situation der Trennungsfamilie führt zu folgenden von der Richterin skizzierten verfahrensleitenden Ansätzen:
In Sachen Sorge wird sie das Aktenzeichen durch einen Beschluss in der Hauptsache beenden, die Ergänzungspflegschaft beim Jugendamt zu belassen.
Dies ist eine sehr deeskalative Entscheidung, weil sie eine restriktive Sorgeentscheidung zu Ungunsten eines Elternteils vermeidet und die Eltern beiderseits in die Pflicht nimmt, ihre jeweils eigenen Beiträge zur Situation zu überdenken.
In Sachen Umgang wird der gerade von seiner Enttäuschung gezeichnete Vater jetzt nicht gezwungen, einen aktuellen Antrag zu stellen. Die Richterin protokolliert den Verhandlungsablauf, übersendet diesen zur Stellungnahme an die Parteien und fordert den Vater auf, gegenüber dem Ergänzungspfleger einen Vorschlag zur Gestaltung des Umgangs einzureichen, den dieser an die Mutter weiterreichen wird.
Mein Kommentar
Eine Richterin mit deutlicher Souveränität steuerte einen Verfahrensablauf in unauffällig deeskalativer und umsichtiger Weise.
Sie vermied jedes restriktive Eingreifen mit Demontage eines Elternteils, sicherte den Kontakt des Kindes zum abwesend wohnenden Vater und gab der konstruktiven Entwicklung der Dynamik zwischen den Eltern eine Chance.