Ich habe mir eben nochmals meine anderen „Grenzerfahrungen“-Beiträge durchgelesen.
Alles, was im Beitrag „Grenzerfahrungen – 0“ steht, trifft voll und ganz auf diesen neuen Beitrag zu.
Nachdem der Artikel „Grenzerfahrungen – 1“ ein positives Beispiel aus Hamburg aufzeigte, betrifft dieser neue Artikel nun das OLG im „Elbflorenz“ Dresden.
Voraus gestaltete sich ein unsäglich desaströser Verfahrensablauf mit einem Richter am AG, der unfähig war, das Verfahren auch nur halbwegs konstruktiv zu führen, einem Gutachter, der zum miesesten gehört, was ich in diesem Fachbereich erfahren durfte („Gutachter im Familienrecht ist ein Traumjob für Sadisten“), einem Jugendamt, das beachtlich startete und gestern beim OLG jämmerlich ins Finish ging und einem Verfahrensbeistand, der angesichts der Katastrophe des gesamten Ablaufs auch nur noch Krümel aufsammeln wollte.
Nachdem Trennungseltern mit dem Hauptaufenthalt der beiden Kinder bei der Mutter acht Jahre lang alles super gestalten konnten, kam es zu einer Umwälzung durch einen Umzug der Mutter, die aufgrund einer Eigenbedarfskündigung ihrer Mietwohnung endlich ihr Haus nicht mehr vermieten, sondern selbst darin wohnen wollte. Anlässlich dieser Neuorientierung machte sie den Fehler, den Vater darauf aufmerksam zu machen, dass man in diesem Kontext doch noch einmal über den Unterhalt nachdenken könne. Er als im ostdeutschen Handwerker- und Bauernstaat sozialisierter Handwerker konnte (wollte) der Mutter nur 150 bis 200 Euro für die beiden Kinder an Unterhalt bezahlen. Dass ihm nun zugemutet wurde, darüber nachzudenken, traf den diagnostizierten Narzissten so sehr, dass er die Kinder in emotional-kindischer-pubertärer Weise instrumentalisierte:
Er rezitierte mit ihnen Raptexte wie „Wir werden […Name invertiert …] besiegen, Arschgesicht“. Die Nummer funktionierte.
Dass der defizitäre Vater seither mehr als 6 Mal so viel Unterhalt von der akademisch gebildeten Mutter erhält, bestätigte ihn in seinem Verhalten.
Und alle Professionen sahen zu, übersahen alle Verhaltensweisen des Vaters und psychiatrisierten die Mutter.
Das mag als Skizze zur Struktur des Falles genügen.
Das Amtsgericht (der entsprechende Richter in seiner in diesem Fall kläglich versagenden Rolle) beendete das überlange Verfahren, in dem jede Lösungsorientierung völlig fehlte, ohne jeden konstruktiven Hinweis.
Alles war an die Wand gefahren.
Der Vater war zufrieden.
Die beiden Jungs – einer inzwischen schon über 18 – hatten ihr vom Vater seit Jahren dominiertes Selbstverständnis und behandelten ihre Mutter wie einen unbedeutenden Vereinskameraden, der in ihrem Leben kaum eine Rolle spielt.
Die Mutter verstand die Welt nicht mehr und erkannte, dass Familienrecht eine grausam verkommende Sache darstellt.
Und sie drückte ihr Unverständnis in einer Beschwerde an das OLG aus.
Das Problem war nur:
Es gab eigentlich nichts mehr zu regeln.
Das, was regelbar gewesen wäre, hatte der Richter am AG versäumt.
Jetzt aber war es zu spät und dem zweiten Jungen, ein gutes Jahr vor der eigenen Volljährigkeit, konnte nicht mehr mit einem Beschluss begegnet werden.
Eigentlich hätte der Senat die Sache einfach begraben können.
Jetzt komme ich auf das zurück, was ich im Artikel „Grenzerfahrungen – 0“ formulierte:
Der Qualitätsunterschied zwischen AG und OLG zeigt sich auch darin, dass es Familiensenate am OLG gibt, die es schaffen, über den eigenen Tellerrand hinweg zu sehen und die es sich leisten, gerade in eine solche Verhandlung in einem vollkommen verkorksten Fall mit dem gesamten Senat zu dritt zu gehen. Sie haben wohl verstanden, was wir immer wieder in unseren Schriftsätzen angemahnt hatten.
Natürlich wollte der Vater mit seinem Anwalt mich nicht dabeihaben und argumentierte mit Kindeswohlwidrigkeit.
Ich erklärte, dass ich den Fall persönlich und engmaschig seit Dezember 2018 begleite, dass ich bei allen Verhandlungen am AG mit dabei war und an zweien davon selbst als Beistand tätig war, dass ich der Einzige bin, der seit Bestehen der BRD als Beistand an über 700 Verhandlungen an über 100 Familiengerichten teilgenommen hat und dass ich die Stauffer-Medaille des Landes BW sicher nicht für meine Kindeswohlwidrigkeit erhalten habe.
Nach kurzer Beratung war klar: Ich bin mit dabei.
Eigentlich wollte ich eröffnen, um einen Akzent setzen zu können, der das gesamte Verfahren bestimmen könnte.
Da der Vorsitzende mich aber noch nicht persönlich erlebt hatte, wandte er sich gleich an die Mutter und klopfte die einzelnen Familiensachbereiche ab, um den Regelungsbedarf feststellen zu können. Das war eine logische Vorgehensweise – mir war nur klar, dass diese zu keinem Ergebnis führen wird. Ich hatte da eine andere Idee.
Schnell wurde deutlich, dass in allen Bereichen, in denen die Mutter vorher am AG Anträge gestellt hatte, jetzt nicht mehr zu regeln waren.
1666 war kein Thema mehr. Das hätte vor 4 Jahren gemacht werden müssen.
Der Hauptaufenthaltsort war unstrittig, nachdem jeder Boykott des Vaters von 1684 BGB schon vor 4 Jahren nicht erkannt werden wollte.
Die Gemeinsame Sorge wurde von niemanden in Frage gestellt.
Bleibt der Umgang.
Eine Umgangsregelung über das OLG für einen fast volljährigen Jungen?
Blödsinn!
Wozu dann aber das Ganze?
Endlich kam ich zu Wort.
Ich drückte zunächst meine Wertschätzung darüber aus, dass in einer solchen Verhandlung, in der es offensichtlich nichts mehr zu regeln gibt, der volle Senat anwesend ist und die Sache nicht einfach sang- und klanglos beerdigt hat.
„Wir befinden uns in einem Grenzbereich familienrechtlichen Handelns, in dem wir erkennen müssen, dass juristische Begrifflichkeiten keine Beziehungen in einer Familie gestalten können. Wir können manchmal feststellen, dass uns eine konstruktive Einflussnahme gelingen kann, meist aber müssen wir uns mit unserer Hilflosigkeit begnügen. In diesem Fall müssen wir feststellen, dass alles familienrechtliche Handeln desaströs war.“
Ich gehe in der gebotenen Kürze auf einzelne bedeutende Fehler im Verfahren ein, um dann einen Ausweg aus der vertrackten Situation zu skizzieren.
„Die Mutter wünscht als Schlusspunkt auf das, was sie in den letzten 4 Jahren erleben musste, ein konstruktives Signal, das in der Lage ist, auf diese Familienbeziehung auszustrahlen. Dazu wäre ein Beschluss kontraproduktiv. Viel eher wäre dafür eine Vereinbarung auf den größten gemeinsamen Nenner denkbar.“
Das saß.
Und meine Anmerkung skizzierte einen Ausweg aus dieser rätselhaften Nummer nach einem unwürdigen Verfahrensablauf.
Der Senat hatte verstanden, was ich mit dem seit Jahren nicht mehr funktionierenden Faktor Erziehung in den Schriftsätzen gemeint hatte. Allgemein geht meist jede Erziehung den Bach runter, sobald das Jugendamt und sonstige Professionen ins Spiel kommen. Und in weiten Passagen war das Ganze ein Problem völlig fehl geleiteter Erziehung. Aber eben das wollte niemand thematisieren. Stattdessen wurden „die Kinder“ sowohl vom Vater als auch von den Professionen als die einzigen Orientierungsgeber mit göttlicher Weisheit installiert.
An diesem Punkt wurde der im ganzen Verfahrenstermin anwesende Junge separat angehört.
Es zeigte sich, dass er es sich vorstellen könnte, „so alle 2 Monate“, also 6 Mal im Jahr, ein Treffen mit seiner Mutter nach freier Vereinbarung zulassen zu können.
Das war doch schon mal eine Aussage. Und sie war die erste klare Ansage in dieser Sache.
Der Vorsitzende trug folgende Optionen vor:
- Eine Vereinbarung, die sie mit einer Ordnungsmittelbewehrung ausstatten und deshalb auch mit klaren Terminen fixieren müssten, oder
- eine reine Protokollierung einer Absichtserklärung ohne jedes Instrument der Verbindlichkeit auf den größten gemeinsamen Nenner. Danach zieht die Mutter ihre Beschwerde zurück.
Wir hatten schon vorher auf jede Verfolgung über Ordnungsmittelmaßnahmen verzichtet, um zu verdeutlichen, dass es auf das konstruktive Signal ankommt und nicht auf eine verpflichtende Regulierung.
Ich sprach natürlich die Kostenregelung nach einer Rücknahme der Beschwerde an.
Der Senat signalisierte die Bereitschaft, auf die Erhebung von Kosten zu verzichten.
Darauf sprach ich die Kosten für den Verfahrensbeistand an, die der Senat ebenfalls als Verfahrenskosten wertete, auf deren Übernahme durch die Parteien er verzichten könnte. Blieben nur noch die persönlichen Verfahrenskosten der Parteien, die der Senat der Kostenteilung unterwerfen würde.
Das war eine Option für uns, die von der Mutter aus weitgehende Bereitschaft für eine extrem deeskalative Vorgehensweise zeigen würde.
Jetzt aber drehte der Vater auf. Der Senat würde seinen armen Jungen erpressen, einer Regelung zustimmen zu müssen, die er eigentlich gar nicht wollte…
Es waren viele Engelszungen nötig, um den mühsam konstruierten Ablauf dieser sehr moderaten und versöhnlichen Verfahrenshandlung dann doch noch abzuschließen.
Es kam schließlich zum Protokoll und der Rücknahme der Beschwerde.
Auch die Mutter war sehr zufrieden mit einem Ausgang, den sie sich vorher nicht hätte vorstellen können.
Der Eindruck einer besonderen Verhandlung im Grenzbereich familienrechtlichen Handelns war wohl für alle ein nicht alltägliches Erlebnis, das in der Lage war, etwas Glanz auf einen Bereich zu werfen, der meist mit Abgründen zugepflastert ist.