Kommentar zur Verhandlung über die Verwendbarkeit heimlicher Vaterschaftstests vor dem Bundesverfassungsgericht
Für den Bürger und Steuerzahler verläuft die Argumentation auf der Ebene des Bundesverfassungsgerichtes so abgehoben, dass er nicht mehr bereit ist, diese nachzuvollziehen. In der Reaktion auf die Absicht von Frau Zypries, heimliche Vaterschaftstests zu kriminalisieren, zeigte sich, dass die Ablehnung nicht nur vom sprichwörtlichen Mann, sondern auch von der Frau auf der Straße geäußert wird.
Die nicht nachvollziehbaren Elemente betreffen vorrangig zwei Punkte:
- Wenn ein auf der Höhe der heutigen technischen Möglichkeiten arbeitendes Labor 100%ig ausgeschlossen hat, dass ein bestimmter Mann der Vater eines bestimmten Kindes sein kann, darf dieses schriftlich gefasste Untersuchungsergebnis noch nicht einmal als Anfangsverdacht gewertet werden – auch wenn man voraussetzen darf, dass der Mann gar kein Interesse daran hat, mit falschem genetischen Material ein falsches Laborergebnis zu erzielen.
- Die weitere Argumentation konstruiert ein Interessenbündnis von Mutter und Kind, wie das auch von Vertreterinnen der Frauenverbände bei der Verhandlung vor dem BVerfG geäußert wurde. Zitat: „Da ist einerseits das Interesse des Mannes und andererseits das Interesse von Kind und Mutter“. In einem Fall, in dem die kriminelle Energie einer Mutter für einen Abstammungsbetrug ausreicht, wird vorausgesetzt, dass das Kind – wenn es sich äußern könnte – diesem Betrug zustimmen würde. Es wird vorausgesetzt, dass man dem informationellen Selbstbestimmungsrecht eines Kindes diene, wenn man die Information über seine genetische Abstammung auf einer Lüge begründet.
Die Öffentlichkeit ist eher geneigt, dem Kind ein ureigenes Interesse auf wahrhafte Information über seine genetische Herkunft zuzuweisen. In diesem Punkt ist also das Interesse einer zu einem Betrug bereiten Mutter eben nicht identisch mit dem ureigenen Interesse des Kindes, sondern eher kongruent mit dem Interesse des Vaters.
Frau Zypries wehrt sich gegen die Abmahnung, die ihr in Sachen Kriminalisierung von heimlichen Vaterschaftstest widerfahren ist und argumentiert, dass die Bevölkerung gegen die Verwertung genetischen Materials durch Arbeitgeber oder Versicherer ist, beim Vaterschaftstest aber dafür stimmt. Sie übersieht dabei, was Mann und Frau auf der Straße einhellig klar erkennen: Arbeitgeber und Versicherer haben ausschließlich kommerzielle, geldwerte Interessen. Beim Vaterschaftstest geht es um ein ganzes Bündel von Bedeutungsfeldern – angefangen bei der sozialen Dimension der unmittelbaren Vater-Kind-Bindung über die Bedeutung der genetisch medizinischen Abstammung bis zu den weitreichenden Konsequenzen in Hinblick auf Unterhalt und Erbberechtigung, was besonders dann von Bedeutung ist, wenn ein Vater nicht mehr mit der Mutter des nicht von ihm stammenden Kindes zusammen lebt, durch die noch gültigen Mechanismen um die Anfechtung einer Vaterschaft aber gezwungen ist, sich von der Mutter weiterhin als Versorger missbrauchen zu lassen.
Die Weiterentwicklung der Gesellschaft bedingt eine Anpassung der Gesetzgebung. In Sachen Vaterschaftstests wird argumentiert, dass nicht alles gemacht werden müsse, was technisch möglich ist und dass Moral und Normen in der Gesellschaft sich nicht allen technischen Neuerungen andienen müssten. Dabei wird nicht beachtet, dass noch vor 50 Jahren ein Kind evtl. dadurch geschützt wurde, dass aus seiner tatsächlichen Herkunft ein mit Tabus belegtes Familiengeheimnis gemacht wurde. Wobei natürlich übersehen werden muss, dass Therapie heute unter anderem davon lebt, dass von solchen Geheimnissen betroffene Menschen Klarheit über Dissonanzen in ihrem Leben finden wollen. Der medizinisch technische Fortschritt beschränkt sich heute ja nicht auf die DNA-Analyse. Inzwischen ist die Therapie vieler früher unheilbarer Krankheiten auf eine Weise möglich, die bedingt, dass Klarheit über die genetische Herkunft besteht. Außerdem sind nicht eheliche Kinder heute nicht denselben Missachtungen ausgesetzt wie noch vor 50 Jahren. Man schützt ein Kind nicht mehr pauschal dadurch, dass man es über seine Herkunft im Unklaren lässt.
Bürger und Bürgerinnen erwarten nach dem mühsamen Konstrukt des Bundesverfassungsgerichtes in Sachen Sorgerecht für nicht eheliche Väter jetzt ein Urteil, das ihrer Lebensrealität angemessen ist.