BNN vom 30.09.2010
Strafbefehl: Schoss Staatsanwalt aus der Hüfte?
Amtsgericht stellt Verfahren wegen „übler Nachrede“ gegen 50-jährigen Mann schnell ein
Ettlingen. Da trauten die Zuhörer im voll besetzten Saal des Amtsgerichtes Ettlingen ihren Ohren nicht, als die Vertreterin der Staatsanwaltschaft Karlsruhe einräumen musste, dass sie das Beweismaterial nie zu Gesicht bekommen habe. Zugegeben, die junge Frau, eine Referendarin, konnte im Grunde nichts für die schlampige Arbeit der Karlsruher Staatsanwaltschaft. Sie war nicht einmal mit dem Fall, den Richter Silvio Zaunbrecher zu verhandeln hatte, vertraut.
Auf der Anklagebank saß ein 50-jähriger Mann, der sich wegen „übler Nachrede“, wegen „Herabwürdigung seiner Ex-Ehefrau“ verantworten musste. Der Ettlinger hatte Einspruch gegen einen vom Amtsgericht verhängten und zuvor von der Staatsanwaltschaft beantragten Strafbefehl eingelegt. 800 Euro sollte bezahlen, weil er angeblich in einem Film des NDR über „häusliche Gewalt“ behauptete (so die Staatsanwaltschaft), seine Ex-Ehefrau habe ihn mehrfach „misshandelt und geschlagen“. Grundlage für den Strafbefehl war eine Anzeige der „Ex“ bei der Polizei gewesen.
Kurz darauf begannen die Mühlen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe zu mahlen. Wie sich jetzt bei der Verhandlung herausstellte, gab’s aber gar nichts zum Mahlen. Keiner der Beteiligten im Gerichtssaal – die Ex-Ehefrau wartete als Zeugin vor der Tür – hatte den Film gesehen. Zur Anklage, angeregt von den Staatsanwälten in der Fächerstadt, kam eine Angelegenheit, deren tatsächlicher Inhalt in keiner Gerichts- oder Staatsanwaltsakte auftauchte. Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Hubert Gorka aus Karlsruhe, brachte es auf den Punkt: „Um was geht es hier genau? Um ein paar unpräzise Angaben in der Anklageschrift? Wir wissen doch gar nicht, von was wir hier sprechen.“
Nebenbei: Nicht einmal der Angeschuldigte sah den Film. Zum Zeitpunkt der Ausstrahlung am 13. September 2009, 15 Uhr, befand er sich auf der Autobahn. Dass der Norddeutsche Rundfunk mit ihm und zwei weiteren Männern einen Film über das Thema „häusliche Gewalt gegen Männer“ drehte, bestritt der geschiedene Vater von vier Kindern keineswegs.
Soweit er sich noch an das Interview erinnern könne, habe er sich zum größten Teil allgemein über „häusliche Gewalt“ geäußert. Wenn sich auch Richter Zaunbrecher bemühte, die Verhandlung nicht ganz zur Farce werden zu lassen, blieb am Ende des „Prozesses“ ein fader Beigeschmack. Daran änderte auch nichts der glatte Freispruch für den „Beschuldigten“. „Es gibt keinen konkreten Nachweis für eine Straftat“, urteilte der Richter. Die Kosten für das Verfahren übernimmt die Staatskasse.
Eine Lanze brach Rechtsanwalt Gorka für die schlecht vorbereitete und ohne Beweismaterial arbeitende Staatsanwaltschaft Karlsruhe: Bei Strafrechtsverfahren, um Zeit und Geld zu sparen, werde halt schon mal aus der Hüfte geschossen.
„Meistens trifft man dabei auch den Richtigen – nur eben in diesem Fall nicht.“ Eine Menge Solidarität erfuhr der Mann auf der Anklagebank von zahlreichen Zuschauern, mobilisiert vom Verein „Väteraufbruch für Kinder“.
Klaus Müller
Dazu brachte SWR4 am 01.04.2010 ein Interview mit mir:
Sendung von SWR 4 am 01.04.2010, 16.20 Uhr
Sendeprotokoll
SWR 4 Baden-Württemberg mit Baden-Radio am Nachmittag.
Es geht um schwere Vorwürfe gegen eine vierfache Mutter: Von Kindesentzug spricht nämlich der Verein „Väteraufbruch für Kinder“ aus Karlsruhe.
Die Frau lebte bis vor zwei Jahren mit ihren vier Söhnen in Ettlingen. Nach der Scheidung zog sie dann mit ihren vier Söhnen nach Augsburg, und das trotz Gemeinsamem Sorgerecht.
Sie versuche, den Kontakt zum Vater zu verhindern, sagt der Verein, und sie werde dabei von öffentlichen Stellen unterstützt.
Heute nun wurden die Vorwürfe vor dem Ettlinger Amtsgericht verhandelt.
Für Baden-Radio war mein Kollege Mathias Z. dabei:
Die Verhandlung war zuende, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte.
Ein Freispruch aller erster Klasse. Der wurde sogar vom Staatsanwalt gefordert, obwohl der in der Anklage noch von „Übler Nachrede“ gesprochen hatte.
Der angeklagte Vater Schulze (Name hier geändert) hatte einen seitenlangen Vortrag vorbereitet, um die Vorwürfe gegen seine Ex-Frau zu untermauern.
Schulze:
Das wollte ich eigentlich hier publik machen, die Vorgehensweise von Behörden, auch von Gerichten, die hier zusammenarbeiten, um – ich sage mal – Väter zu diskriminieren, und das auf Kosten des Gummibegriffes ‚Kindeswohl’ – wie der in Deutschland gehandhabt wird.
Sprecher:
Aber er habe die Vorwürfe rund um den Begriff „Kindesentzug“ ja gar nicht ins Internet gestellt, sondern der Verein ‚Väteraufbruch’, so das Gericht. Deswegen der Freispruch nach nur einer Stunde und einem einzigen Zeugen.
Für den Vorsitzenden des Vereins, Franzjörg Krieg, ist klar, warum der Richter die Verhandlung tatsächlich so schnell beendet hat:
Franzjörg Krieg:
Er hat sich darum gedrückt, in die Thematik einzusteigen und es war ihm klar, dass hier ein familienrechtliches Verfahren in den strafrechtlichen Bereich überführt wird und er hat geahnt, dass das Dimensionen annehmen könnte, die er sich nicht wünscht. Und deshalb hat er das einfach ganz schnell vom Tisch gewischt.
Sprecher:
In seinem Aktenkoffer auch ein Schreiben des Städtischen Klinikums Karlsruhe vom Juli 2007, unterzeichnet vom Leiter der Kinderklinik. Etliche blaue Flecken, Hämatome, seien bei jedem der vier Kindern festgestellt worden, steht da. Der Verdacht des Vaters, dass die Mutter die Kinder misshandelt habe, sei begründet, heißt es weiter. Jetzt lebt die Frau mit den Kindern in Augsburg, unterstützt von öffentlichen Stellen. Ein krasses Beispiel für Väterdiskriminierung gegen das Kindeswohl, sagen die Kritiker.
Franzjörg Krieg:
Als sie ins Frauenhaus nach Augsburg kam, haben die gesagt: ‚Oh, eine arme Mutter mit vier Kindern. Der müssen wir helfen.’ Jetzt bekommt sie ein Jahr Gelegenheit, sich mit den Kindern in Augsburg einzuleben und sie bekommt ein halbes Jahr die Gelegenheit, die Kinder einer therapeutischen Hilfe zuzuführen. Man hat den Kindesentzug der Mutter belohnt und wegtherapiert.
Sprecher:
Immerhin sieht der Vater jetzt alle zwei Wochen seine Kinder, verbunden mit der aufwändigen Reise nach Augsburg und zurück.
Für Franzjörg Krieg gibt es in diesem Fall nur eine Lösung:
Franzjörg Krieg:
Ich habe kein Interesse daran, dass die Mutter bestraft wird, aber die Kinder müssen endlich an ihren kontinuierlichen Wohnsitz zurück geführt werden, wo auch die Großeltern da sind.
Sprecher:
Aber darüber gesprochen wurde heute vor Gericht nicht. Es gehe nicht um den Inhalt der Vorwürfe, sondern nur um die Frage, wer sie erhebt, so der Richter immer wieder. Dass man über die Benachteiligung von Vätern in Sorgerechtsangelegenheiten zur Zeit lieber nicht spricht, das zeige aber auch, so der Vereinsvorsitzende, dass sich etwas bewegt.
Franzjörg Krieg:
Wir haben im Moment eine Situation, in der die Verfahrensweisen aufbrechen, in der plötzlich andere Lösungsmöglichkeiten denkbar werden, in der plötzlich Einzelpersonen in der familialen Intervention mutiger werden. Und wenn jetzt ein solcher Fall plötzlich öffentlich wird – da will man den Deckel drauf halten, ganz klar!