Mein Sohn Michael, zweieinhalb Jahre alt, ist zur Zeit über die Jugendhilfe in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht.
Die Mutter hatte einen alkoholbedingten Absturz mit nervlichem Zusammenbruch. Michael und sein Bruder wurden in unterschiedliche Betreuungseinrichtungen gebracht und die Mutter in die Klinik. Da ich das Sorgerecht für Michael habe, wurde ich vom Jugendamt informiert.
Am darauffolgenden Samstag wurde die Mutter aus der Klinik entlassen und ich habe die Kinder aus den Einrichtungen wieder zu ihr zurückgebracht. Am Mittwoch rief mich die Mutter nachmittags in betrunkenem Zustand im Geschäft an. Von zuhause aus habe ich nochmal mit ihr telefoniert und dann entschieden, sofort hin zu fahren. So, wie ich die Situation vorfand, als ich ankam, hat sich meine Entscheidung, hin zu fahren, mehr als notwendig erwiesen. Wir hatten dann am Freitag einen Termin mit dem Jugendamt und der Suchtberatung bei der Mutter zu hause. Es wurde beschlossen, dass die Mutter sofort in die Klinik kommt, ihr älterer Sohn von seinen Großeltern betreut wird und Michael in die Betreuungsfamilie kommt, bei der er schon die Woche zuvor war.
Die aktuelle Situation stellt sich nun wie folgt dar:
Ich bin am Freitag in die Jugendhilfeeinrichtung gefahren und es fand ein Gespräch mit der Mutter, dem Jugendamt, der dortigen, zuständigen Betreuerin (die inzwischen 3. in dieser kurzen Zeit) und mir statt. Der Mutter wurde angeboten Michael zwei Mal die Woche, werktags, in der Jugendhilfeeinrichtung besuchen zu können. Mir gestand man zu, durch die weite Entfernung, abwechselnd Freitag, bzw. samstags Michael sehen zu können, da offiziell nur werktags die Möglichkeit bestehen würde (ein Zugeständnis der Betreuerin!). Allerdings nur alle 3-4 Wochen, da das mein bisheriger Rhythmus der Besuche bei meinem Sohn war. Mehr wollte man mir als Vater und Sorgeberechtigtem nicht zugestehen. Zudem wurde mir verboten, direkten Kontakt zur Betreuungsfamilie zu haben. – Wir konnten dann nachmittags für 2,5 Std. Michael sehen.
Die Mutter wird, wenn sie aus der Klinik entlassen wird, eine Tagesklinik vorort besuchen. Das wird werktäglich von 08.00 – 17.00 Uhr sein. Der Termin, ab wann, ist noch nicht bekannt.
Ich würde mich nun gerne einmal beraten lassen, was ich tun kann, bzw. wie ich mich in dieser Situation verhalten kann. Michael wird laut Jugendamt und Betreuerin erst wieder zurückkommen, wenn die Mutter soweit stabil ist. Wann das sein wird, ist ungewiss. Das hauptsächliche Problem für mich ist die Entfernung und dass ich Michael nicht einfach mal sehen kann. Bisher hatte ich ihn, wenn ich ihn besucht habe, 24 Std. um mich gehabt.
Die Mutter und ich sind uns weitgehend einig, wenn es um unseren gemeinsamen Sohn geht. Unsere Überlegung ist, wenn die Mutter die Tagesklinik besucht, dass wir Michael übers Wochenende zur Mutter nachhause bekommen und ich dann auch die Möglichkeit habe, meinen Sohn etwas länger als nur rund zwei Stunden zu sehen. Zudem möchten wir nicht, dass das Kind sich von uns entfremdet. Auch wäre das Kind insofern „sicher“, da ich dann ja auch dabei wäre.
Was habe ich nun als Vater und Sorgeberechtigter für Möglichkeiten, meinen Sohn öfter und länger zu sehen? Die Betreuerin der Jugendhilfeeinrichtung beruft sich auf ihre Vorgaben und die würden einen anderen Ablauf nicht zulassen. Dazu sei noch angemerkt, dass bei der ersten Inobhutnahme weder eine polizeiliche, noch eine gerichtliche Verfügung vorlag und beim zweiten Mal der Anstoß zur Unterbringung von uns als Eltern erfolgte.
Ich habe mich auch bei verschiedenen Einrichtungen umgehört und niemand kann dieses Verhalten der Betreuerin nachvollziehen, aber leider auch nicht weiterhelfen.
Meine Antwort
Die Problematik kenne ich aus vielen anderen Parallelfällen, die ich betreue.
Grundsätzlich sollte man natürlich wissen, wie das System funktioniert.
Das Jugendamt hat zunächst einmal keine Macht. Es berät nur – und das meist mütterzentriert, d.h. am „Kindesbesitz“ orientiert, weil wir ja familienrechtspraktisch im Residenzmodell leben.
Macht bekommt das Jugendamt aber nahezu grenzenlos, wenn es um Kindeswohlgefährdung geht (§8a SGB VIII und §1666 BGB).
Stimmen die Eltern einer Inobhutnahme zu, bedarf es keiner gerichtlichen Regelung. Stimmen die Eltern nicht zu, bekommen sie vom Familiengericht das Sorgerecht genommen und sie sind komplett draußen.
Hat man es erst einmal soweit kommen lassen, dass ein Fall eintritt, der dem Jugendamt Macht verleiht (weil die Eltern versagt haben), hilft NUR noch Kooperation. Jede konfrontative Aufstellung verschlimmert die Situation und gibt dem Jugendamt und der Inobhutnahmestelle noch mehr Macht.
Ist das Kind in einer Pflegefamilie, bestimmt die Pflegefamilie mit, wie was funktionieren kann. Ein gutes Verhältnis zur Pflegefamilie vereinfacht dann die Situation.
Ist das Kind in einem Heim, haben wir die paradoxe Situation, dass das SGB jede Familienhilfe als vorübergehend und als Hilfe zur Selbsthilfe vorschreibt, dass ein Heim aber als wirtschaftliches Unternehmen auf Planbarkeit und Langfristigkeit angelegt ist.
Hier stehen Anspruch und Lösungskonzept im Widerspruch – ein grundsätzliches Dilemma jeder Familienhilfe.
Damit wird klar, dass vieles schief laufen muss, wenn man einmal als Eltern soweit versagt hat, dass das Jugendamt Macht bekommt.
In einem Heim sind die Folgen elterlichen Versagens massenhaft konzentriert. Die Wirtschaftlichkeit in der Handhabung dieses Wahnsinns bedingt eingespielte Handlungsstrukturen, die ein flexibles Eingehen auf jeden Einzelfall unmöglich machen.
An dieser Stelle muss die Entscheidung fallen:
Was ist mir wichtiger, JEDE Möglichkeit zu nutzen, Kontakt zu meinem Kind zu halten oder den Rest meines Lebens mit Wohnort, Beruf, etc. in funktionierenden Bahnen zu halten?
Entscheidet man sich für das Kind, muss man ab sofort von Hartz IV leben und kann damit jede Möglichkeit nutzen, die das Heim anbietet. Diese ist – auf jeden Fall in der Akutphase eine Falles – meist mitten in der Woche und mitten im Arbeitsablauf für jeden Arbeitnehmenden. Es gibt keine Kompatibilität von Heimstrukturen mit einer konstruktiv aufgestellten Lebensweise.
Ich betreue im Raum Essen einen Fall, in dem der Vater als Fernfahrer seit Jahren nur alle 4 Wochen an einem Donnerstag nachmittags zwischen 14 und 16 Uhr seine Kinder sehen kann. Da er über eine Leiharbeitfirma wochenweise „verdealt“ wird, kann er seine Kinder nur sehen, wenn er arbeitslos wird.
Der Konsens der Eltern ist sehr wichtig. Jeder Dissens der Eltern verschafft dem Jugendamt mehr Macht. Ich konnte schon eine bereits organisierte Inobhutnahme durch die Demonstration des Konsenses der Eltern vermeiden.
Die Eigenbeiträge zur Unterbringung sind zwar gehaltsabhängig, bewegen sich im Normalfall aber etwa in der Höhe des sonst üblichen Unterhalts, der im Fall einer Unterbringung ja wegfällt. Somit entsteht durch die Unterbringung keine wesentliche weitere Belastung.
Für das Heim (und für den Steuerzahler!) bedeutet ein Platz aber ein Bilanzvolumen von 5.000 bis 10.000 Euro monatlich.
Diese Informationen als groben Hinweis zur Einführung.
Erst wenn diese Grundvoraussetzungen klar sind, können wir auf die Details zu sprechen kommen.