Zur Historie und zum Selbstverständnis des Namens „Väteraufbruch für Kinder“
Als sich 1988 die Bewegung formierte, die zur Gründung des „Väteraufbruch für Kinder“ führen sollte, gab es gesellschaftspolitische Konstellationen, die Jahrzehnte lang unsere Gesellschaft bestimmten und sich erst in jüngster Zeit wachsend verändern.
„Väter“
Nachdem sich in den 60er und 70er Jahren die Frauenbewegung als progressiver Mainstream und als bottom-up gerichtete emanzipatorische Veränderung entwickelte, festigte sich diese demokratische gesellschaftliche Entwicklung auf breitem politischem Konsens flächendeckend und auf allen Ebenen der Gesellschaft politisch und organisatorisch.
In der weiteren Entwicklung wurden ideologische Positionen als politisches Konzept übernommen und überlagern zunehmend die tatsächlichen Bedürfnisse einer realen gesellschaftlichen Situation.
Die Männer wirkten bei der Befreiung der Frauen von überkommenden Fesseln unterstützend mit und haben die versteckt wirkenden Abläufe dabei nicht erkannt und verschlafen.
Es wurde Zeit, dass die Männer sich selbst zum Ziel einer dringend nötigen emanzipatorischen Bemühung machen.
Väter waren dabei die Ersten, die durch den Leidensdruck einer den realen Abläufen nicht mehr gerecht werdenden Funktionalität politisch gesteuerter Intervention dazu gezwungen wurden, die Notwendigkeit von weiteren Veränderungen erkennen zu müssen. Sie waren also diejenigen, die damit zu Vorreitern einer emanzipatorischen Entwicklung der Männer wurden.
„Aufbruch“
Es genügte nicht mehr, zu verharren. Es musste gehandelt werden, um eine Bewegung in Gang zu setzen. Dazu bedurfte es der Erkenntnis, dass ein Aufbrechen aus alten Strukturen unumgänglich ist.
„für“
Der „Väteraufbruch“ definiert sich nicht GEGEN etwas, sondern eindeutig FÜR etwas.
Unser Selbstverständnis gründet sich nicht auf eine Abgrenzung, sondern auf das Engagement für eine erstrebenswerte Weiterentwicklung der Gesellschaft.
Der entscheidende Unterschied zur Emanzipationsbewegung der Frauen besteht eben darin, dass Väter das andere Geschlecht nicht ausgrenzen und sich gegen dieses definieren, sondern dass wir der Ausgrenzung die Kooperation entgegen halten.
„Kinder“
Wir sind nicht ein „Väteraufbruch für Väter“, sondern engagieren uns kompromisslos für Kinder.
Mit dem Wahlspruch „Allen Kindern beide Eltern“ ist das Ziel klar vorgegeben. Wir sind damit die einzige Aktionsgemeinschaft, die dieses Ziel auch uneingeschränkt zur Aufgabe aller Bemühungen macht.
Während Geschlechter-Apartheid immer noch gesellschaftspolitische Maxime darstellt und Protagonistinnen für diese Ausgrenzungspolitik mit dem Bundesverdienstkreuz dekoriert werden, beziehen wir Mütter als wichtige Bezugspersonen unserer Kinder in unsere Bemühungen ein. Im Bewusstsein, dass keine Mutter einen Vater ersetzen kann und umgekehrt, und in der Überzeugung, dass beide biologischen Elternteile für jedes Kind wichtige identitätsstiftende Begleiter sind, handeln wir als Elternteile für unsere Kinder.
„Väteraufbruch“ als Eingangshürde in der Beratung?
Vielfach wird befürchtet und als Argument angeführt, dass „Väter“-Aufbruch eine Eingangshürde für Frauen in der Beratung darstellen würde.
Die Erfahrungen in der Beratung beim VAfK Karlsruhe zeigt, dass der Frauenanteil in der Erstberatung sich von unter 5% im Jahr 2005 auf 20% seit dem Jahr 2010 steigerte.
Wenn man bedenkt, dass der Anteil wirklich selbst betroffener Mütter maximal 1% beträgt, kann man nicht mit gutem Grund von einer wirksamen Eingangshürde sprechen.
Es zeigt sich, dass die Zielvorgabe „Allen Kindern beide Eltern“ verstanden wird und die Vorsilbe „Väter“ in der Praxis deutlich überlagert.
Wir haben in Deutschland immer noch das Diktat des Residenzmodells. Die gesamte Interventionsszene dient dem Kinderbesitz und damit der Gewinnerseite im Residenzmodell. Wir im VAfK sind als einzige Organisation für die Verlierer im Residenzmodell zuständig.
Damit haben wir uns Kompetenzen erworben, die sonst niemand vorweisen kann.
Das wird auch Müttern bewusst, die in unsere Lage kommen und zu Verlierern im Residenzmodell werden.
Ich denke nicht, dass wir uns der historisch gewachsenen Ausgrenzung von Männern in der Frauenbewegung andienen müssen und deshalb meinen, dass wir den für 99% unserer Zielgruppe korrekten Namen für das eine Prozent Müttern ändern und damit unsere hauptsächlichen Ziele verwässern müssen.
„Elternaufbruch“ als proaktives Signal
Es muss trotzdem ernsthaft darüber nachgedacht werden, ob eine Umbenennung von „Väteraufbruch“ in „Elternaufbruch“ nicht in Erwägung gezogen werden sollte.
Dies aus folgenden Gründen:
- „Elternaufbruch“ kommt unserem Selbstverständnis von der Bedeutung konsensual gelebter gemeinsamer elterlicher Verantwortung entgegen
- „Väteraufbruch“ fokusiert in der Auseinandersetzung immer wieder auf die geschlechtsbezogene Relevanz der Bedeutung von Abläufen, die zwar in der Realität immer noch Politik und familiale Prävention bestimmt, in unserer Zielprojektion aber einer auf das Kind orientierten Kooperation weichen sollte.
Damit ist „Elternaufbruch“ trotz aller Bedeutung von realen Frauenförder-Abläufen und einer notorischen Väterausgrenzung eine zukunftsorientierte programmatische Vision. Wir verstärken damit die Bedeutung des „für“ im Namen, indem wir nicht auf der Kritik an den vielfach noch herrschenden Verhältnissen verharren, sondern eine positive Zielvorgabe zur Richtschnur unseres Handelns machen.
Überlegungen zur Umsetzung
Die Umbenennung einer 25 Jahre alten Organisation ist eine spektakuläre Aktion, deren Aufmerksamkeit erregendes Signal man werbetechnisch nutzen kann.
VÄTERAUFBRUCH = ELTERNAUFBRUCH muss als Slogan die Umbenennung für einige Jahre begleiten und transportiert seinerseits ein originäres Signal.
Bedenken
Die neutrale Formulierung „Elternaufbruch“ ignoriert die leider immer noch vorherrschende Diskriminierung durch Mütterzentrierung und Väterverachtung in der Familienrechtspraxis. Dies missachtet das Schicksal einer Vielzahl von Mitgliedern, die diese Verachtung seit vielen Jahren schmerzlich erfahren.
Meine persönliche Haltung
99 zu 1 ist kein überzeugendes Argument für eine Veränderung.
Die politisch immer noch bewusst gesteuerte Mütterzentrierung und Väterverachtung spricht für eine Beibehaltung unseres Namens.
Dass die von Frauen erfundenen Ausgrenzungsmechanismen gegen Väter inzwischen auch hin und wieder eine Mutter treffen, ist der typische Kollateralschaden jeder politisch gesteuerten Diskriminierung.
In diesem Fall müssen die betroffenen Mütter erkennen, dass sie nichts weiter sind, als die Opfer, die von einer gesteuerten Ausgrenzung im Residenzmodell bewusst in Kauf genommen werden. Wie ihnen geht es etwa 100 Mal so vielen Vätern.
Die Konsequenz sollte nicht sein, dass wir uns wegen 1% Müttern umbenennen und unsere politisch bestimmte Hauptzielgruppe verprellen müssten, sondern dass wir mit den ausgegrenzten Müttern gemeinsam gegen das Diktat des Residenzmodells und damit gegen eine Sozialpädagogik der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts endlich wirksam vorgehen.
NACHBEMERKUNG
Dies ist ein historisches Dokument aus dem Jahr 2011.
Seither hat sich Einiges geändert. Z.B. beträgt der Prozentsatz ausgegrenzter Mütter inzwischen 12-15%. Allerdings veränderte sich nichts, was man als Paradigmenwechsel bezeichnen könnte.
Die eigentliche Problematik ist geblieben. Die übliche Definition von Gleichstellung = Frauenförderung und die weitere Diskriminierung von Männern und Vätern, besonders in der Gewaltschutz-Diskussion, blieb betonhart bestehen.