Nachdem während der letzten beiden Jahre die Medien immer deutlicher auf uns und unsere Themen eingingen, kann man inzwischen auch innerhalb der Fachszene deutliche Bewegung feststellen.
Ich möchte nachfolgend auflisten, was mir allein im Verlauf des Monats November dazu auffiel.
Es finden Fachtagungen statt, in denen kollektiv Mütter angegriffen werden – von Gremien, die noch vor kurzer Zeit unisono mütterzentriert vorgingen.
Und es gibt Urteile, von denen wir vor kurzer Zeit nicht zu träumen wagten.
- Am 30.11.2005 erhalte ich eine Mail von einem Funktionär des VAfK
„Der Termin lief gut, einen Bericht schreibe ich noch. Da beklagen die sich doch plötzlich, dass es ein Unding ist, dass richterliche Beschlüsse nicht eingehalten werden müssten. Da müssen doch Sanktionen her, sonst macht Beratungsarbeit keinen Sinn. Sie wollen die fachliche Unterstützung durch den VAfK. Mein Angebot war, man solle ähnlich wie beim Cochemer Modell auf Ebene der Professionen auch alle Mütter- und Vätergruppen an einen Tisch bringen. Antwort: Da bekommen wir die Frauen nie dazu …Im Laufe der Diskussion habe ich mir dann erlaubt, die Mütter manchmal fast zu verteidigen, so stinkig waren die auf manche zu sprechen.Und heute rief das Frauenhaus an, sie hätten da einen Vater, der Hilfe bräuchte. Die Frau sei bei ihnen und würde es mit dem Mann einfach zu arg treiben…. Tsss, irgendwas läuft hier total durcheinander.“
- Aus meinem Protokoll der Herbst-Tagung der Interdisziplinären Facharbeitsgemeinschaft Trennung und Scheidung vom 18.11.2005
Das Thema der Herbsttagung 2005 der Interdisziplinären Facharbeitsgemeinschaft Trennung und Scheidung Karlsruhe „Können unter Zwang zum Umgang tragfähige Beziehungen entstehen?“ ließ befürchten, dass ideologisierte feministische Hardlinerinnen gegen den derzeitigen Trend der Sympathie für den „Cochemer Weg“ angehen wollen. Die Zuspitzung des Themas in der Feststellung „Es kann doch nicht sein, dass ein armes Kind zum abgelehnten Kontakt mit dem bösen Papa gezwungen wird!“ schwebte für manche im Vorfeld der Tagung über den Erwartungshaltungen – und das nicht nur bei kritisch eingestellten Teilnehmern.
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Nach dieser Einleitung hatten fünf Referentinnen vom Podium aus das Wort. Eine Familienrichterin erläuterte familiengerichtliche Aspekte der Anordnung von Betreutem Umgang. Pointiert muss festgestellt werden, dass sie erläuterte, wie Umgang behindernde oder Umgang boykottierende Kinderbesitzerinnen über ihre gegen den Vater geäußerten Vorbehalte mit der Verordnung von Betreutem Umgang bedient werden. Das geschah sehr sachlich und ohne Empathie für die betroffenen Kinder und auch ohne jede kritische Äußerung gegen die das Problem verursachenden Mütter. Das Familiengericht als Werkzeug von Umgangsbehinderung?
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Die Vertreterin der Durchführung von Betreutem Umgang bei einem der Karlsruher Träger stellte wohl fest, dass ihre Vorrednerinnen nicht zum Thema der Tagung referierten und versprach, nun zum Thema kommen zu wollen. Ihre Berichte aus 7-jähriger Erfahrung in der Leitung von Betreutem Umgang kippten wohl jede Erwartungshaltung an diese Tagung. Einige Aussagen:
- Meistens ist es die Mutter, die nicht will, dass das Kind Umgang mit dem Vater hat
- Betreuter Umgang muss von den Müttern als das kleinere Übel hingenommen werden
- Betreuter Umgang wird von vielen Vätern als Demütigung empfunden
- 95% der Väter im Betreuten Umgang sind hoch motiviert und hatten vor der Trennung auch guten Kontakt zum Kind
- Umgangsboykott ist eine Form von Gewalt
Die Referentin berichtete von der Wahnsinnsentscheidung eines Richters, der das Kind für ein Jahr in eine stationäre Einrichtung einweisen ließ, um das Kind dem Vater zu entwöhnen!
Nach dieser Darstellung war klar, dass die Veranstaltung einen anderen Charakter haben würde als im Vorfeld nach dem Thema zu befürchten war.
Eine weitere Referentin aus dem Bereich des SD Karlsruhe stellte einen Fall aus der Praxis vor, in dem eine den Umgang boykottierende Mutter mit der Verhängung von Zwangsgeld dazu gebracht werden soll, den vom Familiengericht festgelegten Umgang stattfinden zu lassen. Der Fall ist zur Zeit noch anhängig. Abschließende Erfahrungen gibt es nicht.
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Nach dieser Einführungsrunde stellte ich im Plenum fest, dass ich jetzt große Mühe hätte, das Thema der Tagung als Überschrift den Beiträgen zuordnen zu können. Die ersten drei Beiträge hatten eher als Thema „Unsere Praxis von Betreutem Umgang“. Was darauf folgte, zeigte, dass es allen Podiumssprecherinnen nicht um den ZWANG zum Umgang ging, sondern dass sie zum Problem von BEHINDERUNG, VERHINDERUNG, BOYKOTT von Umgang und den daraus resultierenden Folgen referierten. Ich wurde darauf von den Organisatorinnen auf die nachfolgenden beiden Gruppensitzungen verwiesen, die wohl eher das thematisierte Problem treffen sollten.
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Die Gruppe, in der ich landete, hatte einen Fall aus der Praxis zur Diskussionsgrundlage, in dem nach einer Zuspitzung der Trennungsproblematik die Mutter den Umgang behinderte. Verstärkte Bemühungen der Hilfesysteme und Druck auf die Mutter führten inzwischen aber zu einer Normalisierung.
Jetzt outeten sich zwei Teilnehmerinnen:
Während die Erste kritisierte, dass die Veranstaltung zur alleinigen und pauschalen Schuldzuweisung an Mütter neigte und Väter dabei zu gut weg kämen, brachte die Zweite ihren Unmut darüber zum Ausdruck, dass der negative Einfluss auf Kinder durch Zwang zum Umgang überhaupt nicht zu Sprache käme.
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In Gesprächen am Rand der Veranstaltung wurde deutlich, dass viele engagierte TeilnehmerInnen skeptisch sind, was die reibungslose Einführung einer Vorgehensweise a la Cochem in Karlsruhe anbelangt. Die Szene ist so stark mitgeprägt von ideologisch determinierten Vertreterinnen, dass diese natürlich so lange wie nur möglich die Vorteile für Mütter zementieren wollen. Auch diese Veranstaltung zeigte, dass Mütter weiterhin nicht mehr ungeschoren davon kommen, was so mancher Frauenförderposteninhaberin und einigen ideologisch geprägten Mitarbeiterinnen in Hilfe- und Beratungsorganisationen ein Dorn im Auge ist.
- OLG Koblenz: Sorgerechtsentzug für nicht eheliche Mutter – Sorgerecht wird auf den Vater übertragen
23.11.2005
*Ledige Mutter verliert Sorgerecht*
Wenn sich eine Mutter zu wenig um ihr Kind kümmert, kann das alleinige Sorgerecht dem Vater übertragen werden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz entschieden. Dem Richterspruch zufolge gilt dies auch, wenn die Eltern nicht miteinander verheiratet sind.
Das Gericht gab mit seinem grundlegenden Spruch dem Antrag eines leiblichen Vaters statt, ihm das alleinige Sorgerecht für sein sieben Jahre altes Kind zu übertragen (Az.: 11 UF 29/04). Die Eltern sind nicht verheiratet. Nach geltendem Recht steht dennoch beiden das Sorgerecht gemeinsam zu. Der Vater beantragte aber das alleinige Sorgerecht, weil er sein Kind durch die Mutter nicht gut versorgt glaubte. Seiner Meinung nach vernachlässigte die Mutter das Kind, feierte bis in die Nacht Partys und nahm Drogen.
Das OLG entsprach dem Ansinnen. Die Richter betonten, maßgeblich sei allein das Wohl des Kindes. Daher sei die Überlassung des Sorgerechts an einen Elternteil, der sich nicht um das Kind kümmere, nicht zu vertreten. Dies sei auch dann der Fall, wenn es sich dabei um die Mutter handele.
http://www.swr.de/nachrichten/rp/-/id=1682/nid=1682/did=808294/elb4es/index.html
- Zehn Tage Zwangshaft für umgangsboykottierende Mutter
„Die Mutter behauptet, noch immer im Hause W. Straße 24 oder auch im Hause W. Straße 30 über eine Wohnung zu verfügen. Sie hält sich aber, wie das Gericht selbst durch einen Besuch am 20.06.2004 feststellen konnte, mit B. auf einem Parzellengrundstück auf, wo sie mit dem Kind in einem Wohnwagen und einem Zelt haust. Das Gericht hat durch weiteren Beschluss v. 26.3.2004 das Umgangsrecht des Vaters im Einzelnen geregelt und die Verpflichtungen der Mutter diesbezüglich festgelegt. ….
… ist der Mutter aufgegeben worden, das Kind am 10.7.2004 um 10.00 Uhr an den Vater herauszugeben. Zur Einhaltung dieser Verpflichtung ist ihr die Festsetzung von Zwangshaft angedroht worden. Dies geschah entsprechend § 33 Abs. 1 S. 2 FGG und vor dem Hintergrund, dass die Kindesmutter im vergangenen Jahr mehrfach erklärt hatte, dass sie ein Zwangsgeld nicht schrecken werde, da sie ein solches ohnehin nicht bezahlen könne.
… Die Richterin hat ihr mehrfach in den Anhörungsterminen gesagt, dass es der Kindesmutter nicht zusteht, Termine oder Bedingungen des Umgangs einseitig zu ändern und dass sie sich an den Wortlaut der Beschlüsse zu halten hat. Die Interpretationskünste der Kindesmutter sind nämlich schier unerschöpflich. Sie weiß ganz genau, dass der Vater das Kind in den Ferien oder an Feiertagen besuchsweise zu sich nehmen kann und sie dies zu ermöglichen hat, sie versucht seit Jahr und Tag, immer wieder durch eigenwilligste Interpretation oder schlichte Missachtung gerichtlicher Beschlüsse das Umgangsrecht zu unterlaufen oder nach ihrem Willen umzugestalten. Auch ist bereits jetzt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abzusehen, dass die Mutter wiederum ihren sich aus dem Beschluss ergebenden Verpflichtungen, das Kind zu Beginn des Ferienbesuches an den Vater herauszugeben, nicht nachkommen wird, wie sie auch zuvor schuldhaft ihren Verpflichtungen aus dem Beschluss nicht nachgekommen ist.
…“
Richterin am Amtsgericht Sabine Heinke, Bremen
KindPrax 2005, 150.
- Staatsanwalt ermittelt gegen OLG-Richter im Görgülü-Fall
DER SPIEGEL – 48/2005
26. November 2005
Ermittlungen gegen vier Naumburger Richter
Die Staatsanwaltschaft Halle hat gegen drei Richter und eine Richterin des Oberlandesgerichts Naumburg ein förmliches Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung eingeleitet. In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit geht es um den in Deutschland lebenden Türken Kazim Görgülü, der seit Jahren um ein Umgangs- und Sorgerecht für seinen Sohn kämpft, der von der Mutter zur Adoption freigegeben wurde. Das zuständige Amtsgericht entschied mehrfach zugunsten des Vaters, der 14. Zivilsenat des OLG Naumburg hob diese Beschlüsse aber mit steter Regelmäßigkeit auf – und das selbst dann noch, als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geurteilt hatte, dem Vater käme „mindestens der Umgang mit seinem Kind“ zu. Im Juni bescheinigte deshalb das Bundesverfassungsgericht dem Naumburger OLG-Senat, er habe „außerhalb seiner Zuständigkeit unter Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht“ den väterlichen Umgang verhindert. Daraufhin waren mehrere Strafanzeigen eingegangen. Die Staatsanwaltschaft Halle hat nun, wie ein Sprecher mitteilte, einen „Anfangsverdacht bejaht“ und den beschuldigten Richtern „rechtliches Gehör gewährt“.
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Es ist nicht zu übersehen, dass etwas in Bewegung gekommen ist.