Ich war zunächst – wie viele hier im Raum – ein von Ausgrenzung betroffener Vater, der nicht fassen konnte, was in diesem „Rechtsstaat“, an den man sich in einer Situation, in der die eigene Vaterfunktion existenziell in Gefahr ist, zunächst verzweifelt krallt, hinter den Kulissen der Anonymität des familialen Verfahrens real abläuft.

Ich musste lernen, den Rechtsstaat zu vergessen und die Spielregeln eines bösen Spiels zu lernen, das mit mir gespielt wurde.
Ich musste erfahren, dass von mir das Absurde, das Paradoxe verlangt wurde: Ich musste lernen, mich dafür zu bedanken, dass ich täglich statt 4 Mal nur 3 Mal getreten wurde. Ich musste immer freundlich, konstruktiv, positiv und konsensbereit sein, während man mich als Vater ignorierte, mich von meinen Töchtern ausgrenzte, mich als den immer Schuldigen und als unbequeme Zumutung behandelte.

Ich brauchte Jahre, um Stück für Stück zu durchschauen, wie dieses System funktioniert.

Weil ich damals bei allen Institutionen der familialen Intervention inklusive aller Beratungsstellen in Karlsruhe keine Hilfe erfahren konnte, gründete ich 2001 den Väteraufbruch für Kinder Karlsruhe als Träger einer effektiven Hilfe für Personen wie mich in der Phase aktueller Bedrohung.

Danach musste ich lernen, mich von meiner Betroffenheit weitgehend emanzipieren zu müssen, um Beratung in effektiver Form anbieten zu können.
Als Beistand, auch vor den Familiengerichten, stellte ich fest, dass ich inzwischen die Chance habe, auch aktiv in die Abläufe eingreifen zu können.

Ich möchte im Folgenden meine Erfahrungen in der entsprechenden gedrängten Kürze zusammenfassen.

Status quo
Im Jahr 2013 wurden in Deutschland rund 170.000 Ehen geschieden. Bei einer aktuellen Fruchtbarkeitsziffer (Kinder pro Frau) von 1,3 sind damit rund 220.000 Kinder von der Trennung ihrer verheirateten Eltern betroffen. Mindestens weitere 100.000 Kinder sind entweder von der Trennung ihrer nicht verheirateten Eltern betroffen oder hatten nie die Chance, ihren Vater zu erleben, weil ihre Mutter in ihrem egozentrischen Lebenskonzept keinen Platz für einen Vater hatte.
Realistisch geschätzt können wir also zur Zeit jährlich von über 300.000 von Trennung oder Scheidung betroffenen Kindern, über einer halben Million betroffenen Elternteilen und mindestens einer Million weiterer davon neu betroffener Angehöriger oder Bezugspersonen ausgehen.

Wenn man inzwischen schon ältere Zahlen, z.B. aus der Proksch-Studie, deren Schlussbericht aus 2002 datiert, zugrunde legt, verlieren etwa 40 % dieser Kinder innerhalb eines Jahres den Kontakt zu einem Elternteil weitgehend, werden also ausschließlich infolge der bei uns vorherrschenden Verfahrensweisen nach Trennung und Scheidung zu Halbwaisen.
Wenn man sich nicht vorwerfen lassen möchte, mit Zahlen in diesem Kontext leichtfertig umzugehen, kann man also realistisch annehmen, dass jährlich über 100.000 Kinder, weitere etwa 100.000 Elternteile und deren verwandtes Umfeld von den fatalen Mechanismen der Ausgrenzung neu negativ betroffen sind.

Wenn man davon ausgeht, dass deutsche Familiengerichte 50 Wochen im Jahr an je 5 Tagen arbeiten, würde dies statistisch bedeuten, dass der gebündelte Sachverstand aller in der familialen Intervention beschäftigten und dadurch finanzierten Mitglieder der Professionen dazu führt, dass Profis in Deutschland an jedem Arbeitstag über 400 Kinder zu Halbwaisen machen und rund 400 Elternteile entsorgen.

Es geht mir nicht darum, mit spitzem Bleistift eine Bilanz zu kalkulieren. Es genügt, eine etwaige Vorstellung von den Größenordnungen zu bekommen, mit denen wir konfrontiert sind.

Wenn ich von „Halbwaisen“ und von „entsorgten Elternteilen“ spreche, müssen wir uns auch darüber klar werden, was gemeint ist. Ich meine damit in der Mehrheit dadurch in mehrfacher Hinsicht hochbelastete Individuen mit gebrochenen Lebensläufen, immer wieder endlosen Therapiekarrieren und in der Summe mit all den Begleiterscheinungen belastet, die wir als Insider zur Genüge kennen: die volle Skala der Diagnosen nach ICD 10, Ausfall aus dem Produktionsprozess, psychischer, physischer, sozialer und wirtschaftlicher Ruin, Suchtkarrieren, Heimaufenthalte, stationäre Therapien, Suizide.

Wir wissen, dass die jährlichen Neufallzahlen nur die aktuell sichtbare Spitze des dahinterstehenden gesellschaftlichen Dramas bedeuten. Meine Vita als Vater a.D. ist inzwischen über 20 Jahre alt, und ich habe meine beiden Töchter seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Damit hat sich das Problem aber nicht erledigt: Mein Vaterschicksal bestimmt nach wie vor mein Leben und wird auch das Leben meiner Kinder sicher bis an deren Lebensende prägen.

Ich habe bei einer Rede zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10.12.2013 von der „transgenerationalen Effektivität“ dieser Abläufe gesprochen. Die ZEIT hat in ihrer Titelgeschichte vom 24.04.2014 „Ist Scheidung erblich?“ diesen Gedanken aufgegriffen und präzisiert: Sie spricht vom „transgenerationalen Risikotransfer“.

Nimmt man also die aktuellen jährlichen Neufallzahlen, multipliziert diese mit dem Faktum, dass das Problem ein lebenslang wirksames darstellt, dass also nicht nur die jährlich neu Betroffenen beachtet werden müssen, sondern alle in einem lebenslangen Zeitraum Betroffenen, und multipliziert dies weiterhin mit dem Faktum der transgenerationalen Wirksamkeit und berücksichtigt man darüber hinaus, dass wir mit der Entwicklung der Trennungsraten noch nicht den Scheitelpunkt dieses gesamtgesellschaftlichen Dramas erreicht haben, können wir in etwa erahnen, wovon wir reden.

Familienpolitik
Angesichts dieser realistischen und für jeden mit Vernunft ausgestatteten Menschen evidenten Faktenlage müsste man annehmen, dass die Politik schon längst einen Krisenstab etabliert hat, der im Zusammenwirken aller im Rahmen dieser Problemlage beitragsfähigen Wissenschaftler und Professionen Programme erarbeitet, um den offensichtlich tief in unsere Gesellschaft eingreifenden desaströsen Abläufen entgegenzuwirken. Das zumindest müsste jeder mündige Bürger von einer von ihm gewählten und mit der Regierungsverantwortung beauftragten Personengruppe erwarten können.

Stattdessen müssen wir aber feststellen, dass Familienpolitik für etwa die Hälfte unserer Bevölkerung gemacht wird und dass jede Familienpolitik nach Trennung und Scheidung auf der Hypothese der dadurch erfolgten Zerstörung von Familie und der Etablierung einer Restfamilie mit Alleinerziehenden-Status beruht. Diese regierungsprogrammatisch wirksame Doktrin ist weit entfernt von allen seit längerem vorliegenden Forschungsergebnissen der Bindungs- und Entwicklungsforschung, ignoriert die Erkenntnisse der Sozialforschung im Kontext Familie, ignoriert jede Möglichkeit eines Transitionsprozesses von Familie nach Trennung und Scheidung und plant bewusst die Zerstörung von Familie, anstatt „die Familie nach der Familie“ zu unterstützen.
(Ich habe damit den Titel des Buches von Fthenakis „Die Familie nach der Familie“ zitiert.)

Wir sind diejenigen, die als Erkenntnisträger die Aufgabe haben, der Politik zu vermitteln, wie weit ihr Anspruch auf lenkende Gestaltung der Gesellschaft im Bereich Familienpolitik von ihrem tatsächlichen Handeln entfernt ist.

Wir haben also einerseits eine dramatische Faktenlage, andererseits eine Politik, die den Kopf in den Sand steckt.

Familiale Intervention
Diese beiden Voraussetzungen führen zu dem Ergebnis, das uns heute auch in diesem Raum zusammenführt:
• Teilweise schlecht ausgebildete, ungeeignete und in der Summe überforderte Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in den Jugendämtern, die dort oft nur Amtskompetenz zeigen, wo sie Fachkompetenz wirksam werden lassen müssten.
• Mit dem Rücken an der Wand stehende Richterinnen und Richter, die schon längst wissen, dass die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente nicht geeignet sind, das weiter wachsende Problem zu lösen, und die diese frustrierende Erkenntnis in ihrer Autonomie jeweils individuell ausgleichen.
• Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die erwachsenenorientierte Partikularinteressen vertreten, besonders am Streit verdienen, auch bei kontraproduktivster Leistung dasselbe Honorar verdienen wie mit bester Arbeit, insbesondere durch das Generieren von Aktenzeichen auf ihre Rechnung kommen, kurz, die mit all ihren typischen Eigenschaften in einem solchen Verfahren eigentlich nichts zu suchen haben und mehrheitlich kontraproduktiv sind.
• Überwiegend frauendominierte und ideologisch mütterzentrierte Beratungsinstitutionen, deren agierende Einzelpersonen zumeist im Rahmen von Frauenförderprogrammen ausgebildet und aus Steuergeldern über diese Schiene bezahlt werden.
• Familienhilfeorganisationen, zu denen ich in einer Rede am 05.12.2010 feststellte, dass sie hauptsächlich dazu da seien, prekären Müttern den Kinderbesitz zu sichern und zu denen der Tagesspiegel Berlin am 20.08.2011 – acht Monate danach – in einem groß aufgemachten Artikel feststellte, dass sie in der Hauptsache sich selbst helfen.

Zur Erläuterung:
Wir haben es bei den Trägern von Familienhilfe zumindest überwiegend mit einer privatwirtschaftlich organisierten Beschäftigung zu tun, die auf möglichst weitgehende Stabilität und planbare Budgetierung angewiesen ist. Im Gegensatz dazu sollte Familienhilfe aber immer temporäre Hilfe zur Selbsthilfe sein – beide Bedingungen schließen sich aus. Am besten funktioniert dies in der Realität dann, wenn die Familienhilfe mit der unterstützten Mutter einen gewinnträchtigen Deal eingeht: Wir fahren Dich zum Shoppen und trinken mit Dir Kaffee; Du sagst überall, dass Du unsere Arbeit wertschätzt und dass Du uns weiterhin haben möchtest; dafür decken wir Dich in allen familienrechtlichen Verfahren mit der Begründung, dass alles in Ordnung sei, wir begleiten ja schließlich engmaschig. – Ich gebe zu, dass dies sehr pointiert ausgedrückt ist, habe aber Fälle erlebt, die exakt nach diesem Muster funktioniert haben, was zu Familienhilfekarrieren von über 5 Jahren Dauer bei der jeweiligen Mutter geführt hat.
Besonders interessant in diesem Zusammenhang sind die Kosten. Man hört viel von der steigenden Zahl der Alleinerziehenden. Nie aber höre ich Zahlen, wie viel diese unseren Staat kosten: PKH, Familienhilfe, Wohngeld, etc. Wir sollten uns darum bemühen, diese Zahlen zu bekommen, um sie öffentlich zu machen, wie dies auch von Steuergeldern erwartet werden muss.

In meiner Auflistung der Professionen folgen noch…

• Sachverständige, die ihre individuelle Vorgehensweise und ihr immer wieder erkennbares prädisponiertes Wertesystem jedem neuen Auftrag anmessen, die besonders davon gut leben, vom gleichen Richter immer wieder beauftragt zu werden und ansonsten – wie alle – im System meist nicht auffallen wollen. Auch Richter und Gutachter gehen einen unausgesprochenen Deal ein: Ich erwarte von Dir eine möglichst unangreifbare Entscheidungsgrundlage, die mir passt und mich gegenüber dem OLG absichert, dafür werde ich Dich immer wieder bestellen.

Damit bin ich noch lange nicht am Ende mit der Aufzählung aller Aktoren im System: BU- und BÜ-Träger, Verfahrensbeistände, Psychologen und Psychiater, Mediatoren, etc. – alle haben ihren Platz und ihr jeweiliges Arrangement im umfangreichen System der familialen Intervention.

Familiengericht
Wenn sich dann alle bei der mündlichen Verhandlung im Familiengericht treffen, gibt es außer der unangefochtenen Autorität des Gerichtes höchstens noch die – tatsächliche oder auch nur scheinbare – wissenschaftliche Autorität eines Prof. Dr. Sachverständigen. Ansonsten begegnen sich alle möglichst auf Augenhöhe.

Was dann abläuft, ist ein gruppendynamisches Setting im immer wieder hochideologisierten und immer hochemotionalen und psychologisierten Bereich.

Ich erlebe immer wieder Väter, die sich vor einer Verhandlung ein Plädoyer zurechtlegen. Ich muss ihnen dann erklären, dass es so etwas zwar im Strafverfahren gibt, aber eben nicht im familialen Verfahren. Es kommt auch weniger auf die Anzahl und Schlüssigkeit der Sachargumente an, viel wichtiger ist z. B. das kaum bemerkbare Nicken zum richtigen Zeitpunkt, die Fähigkeit, eine Person, der man eigentlich misstrauisch gegenübersteht, zur Verbündeten zu machen und ähnliche Äußerungen kommunikativer sozialer Intelligenz.

Meine Formel für das Erscheinungsbild und die Funktionsweise unserer deutschen Familienrechtspraxis fasst inzwischen 13 Jahre Praxiserfahrung in Hunderten von familiengerichtlichen Verfahren, an denen ich teilgenommen habe, zusammen:

10 % Jus, 40 % Ideologie und 50 % sozialpädagogische Beliebigkeit

Mit „Jus“ meine ich das, was RechtsanwältInnen und RichterInnen im Kern verkörpern: Familiale Gesetzgebung in Praxis umsetzen.

Mit „Ideologie“ meine ich die vielfältigen Prädispositionen in unserer Gesamt-Gesellschaft, wie z.B. „ein Kind gehört zur Mutter“, plus die Summe der Leistungen aller – meist weiblicher – Mitglieder der Professionen, die bewusst oder unbewusst allein dem „natürlichen Recht der Mutter“ zum Durchbruch verhelfen wollen.

Und mit „sozialpädagogischer Beliebigkeit“ meine ich das für mich erkennbare Faktum, dass sozialpädagogisches Vokabular wie die Bibel benutzt wird, mit der man alles und dessen Gegenteil beweisen kann. Dieses sozialpädagogische Vokabular hält dazu her, jede x-beliebige Prädisposition so zu begründen, dass die Fachfrau einsichtig nickt und der Laie nur noch Bahnhof versteht.

Das System
Beziehung wird immer mehr zur Zweckpartnerschaft auf Zeit zur Befriedigung möglichst aller Bedürfnisse. Die CSU-Politikerin Gabriele Pauli hat mit ihrem Vorschlag der 7-Jahres-Ehe durchaus eine Möglichkeit angesprochen, die auf der Straße liegt.
Bei Reproduktionsabsicht bzw. für den Fall des auch ungeplanten Familienzuwachses müsste dieser Vertrag allerdings im Interesse des Kindes einen Erhalt der Bindungen zu beiden Elternteilen enthalten, der entweder den möglichst langen Erhalt der Partnerschaft oder aber für das Kind eine Doppelresidenz nach dem Ende der Partnerbindung zwingend festlegt.
Diese Aufgabe zum Erhalt der Kind-Elternbeziehung nach einer Trennung auf der Paarebene wurde von dieser Gesellschaft ignoriert. Reproduktion wurde allein als Mittel verstanden, die egoistischen Partikularinteressen eines Elternteils, und zwar der Mutter, nach einer Trennung durchzusetzen. Nach der Abschaffung des Schuldprinzips und der Einführung des Zerrüttungsprinzips wurde von Kindeswohl geschwätzt – mehr als Geschwätz ist dies in der Regel kaum – es wurde aber mehrheitlich Mütterwohl praktiziert.

Im feministischen Sprachgebrauch wurde der Vater zum Erzeuger. Es wurde alles unternommen, um die Beziehung des Vaters zum Kind so weit zu zerstören, dass die feministische Prämisse des Vaters als Erzeuger mit Hilfe der staatlichen Organe möglichst weitgehend in Realität umgesetzt wurde.

In der Folge wurde nach der Abschaffung des Schuldprinzips die gesamtgesellschaftliche Atmosphäre seit den 60er Jahren dazu genutzt, ein neues pauschales Schuldprinzip in sorgsam kaschierter Form in der deutschen Familienrechtspraxis umzusetzen:
Schuld ist immer der Mann.

Dass die Fakten – so, wie ich sie in der Beratungsrealität erfahre – oft diametral entgegen stehen, darf gesellschaftlich nicht bewusst werden und wird als Tabu behandelt. Ob ein Mann in einer Kurzzeitbeziehung von der Frau trickreich und unter Vortäuschung falscher Tatsachen zur Befruchtung missbraucht wird oder ob eine Frau aus einem Land der Dritten Welt Ehe und Schwangerschaft als sorgsam arrangierte Eintrittskarte in unseren Wohlfahrtsstaat benutzt – alle diese Formen des Missbrauchs der Elternfunktion durch Frauen haben in ihrer Wirkungsgestalt zumindest einen Hauch von Vermarktung der weiblichen Reproduktionseigenschaft mit dem Staat als Garanten des Funktionierens.

Die Lobby der Mütter – allen voran der VAMV – hat sich die Alleinherrschaft der Mütter über die Kinder zum Ziel gesetzt und VAMV-nahe Familienrechtsanwältinnen haben alle Möglichkeiten erprobt, dieses Ziel auch in vielen Einzelfällen durchzusetzen. Vom Gewaltvorwurf über den Missbrauchsvorwurf, dem Missbrauch des Frauenhauses bis zum Spontanumzug der Mutter mit Kind auf viele Hundert Kilometer ist alles dabei, was wir als Standardprogramme kennen, deren gewalttätige Missbrauchsstruktur schon längst erkannt ist, die aber aufgrund der Implantierung in staatlich geförderte Programme nicht angegriffen werden dürfen und nach wie vor erfolgreich sind.

Es ist inzwischen ein gesellschaftliches Faktum, dass auch Frauen zur Vervollständigung ihres egoistischen Lebensentwurfes einen Erzeuger brauchen, mit dessen Hilfe sie zur Mutter werden können. Die Absicht, ein Kind zu wollen, aber den Mann dafür nicht in Kauf nehmen zu wollen und auch die Bedeutung des Vaters für das Kind kindeswohlwidrig zu leugnen, ist inzwischen ein Thema in den Medien.

So konnte man in der „Brigitte“ Nr. 19 aus dem Jahr 2012 unter dem Titel „Jetzt oder nie! Ein Kind ohne Mann kriegen“ nachlesen, wie sich diese egozentrische Absicht in Deutschland praktisch in die Tat umsetzen lässt.
Wenn sich eine Frau für eine der vielen Möglichkeiten entschieden hat, bleibt immer noch das Problem, dass ein Mann als Vater das Konzept der Frau und Mutter ins Wanken bringen könnte. Also rief die Autorin bei Frau Edith Schwab an, die schließlich die bedeutendste Expertin zu diesem Thema in Deutschland ist.

Ich zitiere:
„Bevor ich mich also erneut mit Tim verabrede, hole ich mir noch eine Rechtsberatung bei Edith Schwab. Die Juristin ist zugleich Bundesvorsitzende des VAMV, dem Verband alleinerziehender Mütter und Väter. Bei einem privaten Spender rät sie zum Vertrag: Ich fordere keinen Unterhalt, er keinen Umgang. „In Stein gemeißelt ist das aber nicht.“ Es sei ja noch das Kind im Spiel. Und das werde womöglich alles tun, um seinen Vater später ausfindig zu machen, darauf könne ich mich jetzt schon einmal so sicher einstellen wie aufs Windelnwechseln. Entweder also ich greife gleich auf eine anonyme Spende zurück – adios Johnny Depp aus dem Online-Shop. „Oder Sie denken sich eine richtig tolle Geschichte aus.“ Wie? „Na, am besten, Sie lassen den Vater einfach sterben.“ Sie meint das ernst. „Die Kinder entwickeln eine unheimliche Sehnsucht nach dem abwesenden Elternteil.“
Ich halte den Hörer immer noch am Ohr. Sie hat schon lange aufgelegt. Mir rauscht der Kopf.“

Dieser Staat hat das Bundesverdienstkreuz nicht für die Leistung vergeben, Kindern möglichst beide Eltern zu erhalten, sondern Frau Schwab hat das Bundesverdienstkreuz für ihre Ausgrenzungsarbeit gegen Väter erhalten.
Dies sagt weniger über Frau Schwab aus als über den Zustand dieses unseres Systems.

Sprache ist als Projektionsfläche von Gedanken und Einstellungen ein modifizierbarer Spiegel, mit dem einerseits sorgsam verdeckt wird, der aber auch dort, wo sich gesellschaftliche Prozesse verfestigt haben, entlarvend und verräterisch sein kann.
„Die Mutter gewährt Umgang…“ hat die Gestalt einer Formel, die jeder verwendet und über die sich keiner aufregt.
„Gewährung“ ist aber ein Begriff aus einer feudalen Welt, in der eine unumschränkte Fürstin in ihrer huldvollen Gnade einem Untertan ein Häppchen zukommen lässt. Die rechtsanwaltliche Vertretung, die ein solches Bild von der eigenen Mandantin zeichnet, bemerkt selbst nicht, wie sie sich durch den eigenen Sprachgebrauch demaskiert.

„Missbraucherin“, „Sozialschmarotzerin“, etc. sind alles Begriffe, die wir nirgendwo antreffen. Sie sind ebenso geächtet, wie die Geisterfahrerin, die mir vor einigen Wochen in einer Linkskurve einer autobahnähnlich ausgebauten Bundesstraße auf der Überholspur entgegen kam. In den Verkehrsnachrichten wurde sie korrekt zum Geisterfahrer gegendert.

Was hält dieses System auf diese Weise am Laufen?

Es ist das System selbst.
Es ist das, was als „politisch korrekt“ bezeichnet wird.
Es ist das, was die Medien in der Summe für angemessen halten.
Es ist das, was die Massen immer noch nicht dazu veranlasst, protestierend auf die Straßen zu gehen.
Es ist das, was sich in der Summe der Öffentlichkeit immer noch ganz gut verkaufen lässt.
Das auf diese Weise wirksame Bild von Familie und dem Umgang damit im Krisenprozess ist nicht konkret und direkt fassbar,
es ist ein Phantom, das nur undeutlich erkennbar und beschreibbar ist.
Es ist historisch gewachsen und verändert sich nur ganz langsam.
Es ist aber so mächtig, dass es die Politik dazu bringt, gegen alle Vernunft zu handeln,
dass es die Massen beschwichtigt, obwohl sie schon längst auf die Straße müssten,
und dass es Mitglieder der Professionen deckt, obwohl sie schon längst Unheil genug angerichtet haben.
Es ist so etwas wie das kollektive Unbewusste in Sachen Familie.
Es sorgt dafür, dass nur Betroffene wissen, worum es geht und dass oft selbst Angehörige und Freunde von Betroffenen nicht begreifen, warum dieser Vater nicht endlich aufgibt, der Mutter ihre Ruhe lässt und sich auf die Finanzierung beschränkt.

Ich kann dieses Phantom hin und wieder greifbar erfahren. Ich bin z.B. bei einem Hilfeplangespräch oder bei einer Gerichtsverhandlung und erlebe, wie vier oder auch mehr Frauen einen Vater „zerlegen“. Erst wenn ich klar anspreche, was hier gerade abläuft, besteht die Chance, dass die Wirkungsmacht des Phantoms seine Intensität verliert und dass auf eine lösungsorientiertere Gesprächsebene zurückgefunden werden kann.

Ich kann das Gespenst der politisch korrekten Betrachtungsweise z. B. auch dann erfahren, wenn eine Bericht erstattende Richterin in der OLG-Verhandlung die Anbindung an den aktuellen Diskussionsstand im Termin vollkommen verliert und sich darauf konzentrieren muss, die im Gesamtsenat vorher getroffene Vorentscheidung irgendwie auch durchsetzen zu können.

Ich war neulich mit einem Vater beim Jugendamt. Er hatte Angst. Und diese Angst war real und begründet. Das Jugendamt war deutlich vernehmbar auf Seiten der Mutter und suchte die Probleme beim Vater. Nach fast zwei Stunden im Jugendamt erklärte mir der Vater unter Tränen, dass er es nie für möglich gehalten hätte, dass sich ein Sachbearbeiter, aus der Erlebensperspektive des Vaters betrachtet – in einer Stunde so komplett verändern könnte. Weniger Phantom und dafür mehr Ressourcen- statt Defizitorientierung und vor allem kindzentrierte Lösungsorientierung waren der Schlüssel zur Metamorphose.

Es gibt eine ganze Riege von Wissenschaftlern und Autoren, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, diese Imagination der politisch korrekten Verfahrensweise an der Weiterentwicklung zu hindern. Sie haben nicht nur Standardwerke geschrieben, sondern bestimmen auch immer wieder die Programme von Akademien und Fortbildungsveranstaltungen.

Das Gesamtsystem ist so mächtig und dominant, dass es Mühe hat, sich selbst zu kontrollieren. Seine ideologische Orientierung neigt dazu, bestimmte Verhaltensnormen zu fordern, deren Nichteinhaltung jedes Einschreiten berechtigt begründet.
Jeder von uns hat schon erfahren, dass von sich trennenden Eltern ein Maß an Kommunikationsfähigkeit erwartet wird – z. B zur weiteren Begründung der gemeinsamen Sorge -, das oft Eltern in intakten Familien nicht in der Lage sind, aufzubringen.
Die Defizitorientierung der familialen Intervention, die dazu neigt, nicht in erster Linie elterliche Ressourcen in den Fokus zu nehmen, sondern sich auf die Mängel zu stürzen, in Verbindung mit der objektiven Macht, die das System besitzt, führt notwendigerweise zum Drang, eingreifen zu müssen.

Sowohl das Grundgesetz in Artikel 6, das BGB in den §§1626 und 1631 als auch das SGB VIII in §1 verweisen darauf, dass die einzig legitimen Entscheider in kindschaftsrelevanten Angelegenheiten die Eltern sind. Gesetzlich ist geklärt, dass jeder Eingriff immer nur die ultima ratio darstellen darf, und dass vorher jeder Versuch der Hilfe zur Selbsthilfe scheitern muss. Trotzdem erleben wir auch unfassbare Äußerungen von spontaner Eingriffsgewalt ohne jede vorherige Hilfe-Vita.

Welche Chancen haben wir?
In den letzten zehn Jahren hat sich der Erfolg der „Cochemer Praxis“ herumgesprochen. Ich habe deren Implantierung in Karlsruhe live miterlebt. Mir gegenüber erschien die familiale Intervention in Karlsruhe damals als monolithischer Block mit väterfeindlicher Prägung. Die Konfrontation mit der Cochemer Praxis provozierte aber Stellungnahmen der einzelnen Aktoren im Karlsruher System. Die Abteilungsleiterin eines Jugendamtes, gleichzeitig auch „Ansprechstelle für Frauenfragen“, die mir gegenüber erklärte, dass sie schließlich zielgruppenorientiert arbeite, hatte sich in ihrem Amt zunächst keine Gedanken zur Cochemer Praxis gemacht und erklärte, dass sich ihrer Ansicht nach höchstens 10 Prozent aller familienrechtlichen Interventionsfälle für eine Vorgehensweise nach der Cochemer Praxis eignen würden. Der in meiner Erfahrung monolithisch erscheinende Block spaltete sich auf in begeisterte Befürworter, unentschlossene Zögerer, vorsichtige Mitmacher, spekulierende Beobachter und aktive Bremser – alle meist in deren weiblicher Variante. Letztere sahen ihre Aufgabe darin, die Cochemer Praxis in ihrer Ausprägung als „Karlsruher Weg“ zu einem „Cochem extra light“ abzuspecken.

Allenfalls die begeisterten Befürworter hatten die Chance, den Paradigmenwechsel in dieser Vorgehensweise zu erkennen:
• Weg von der Erwachsenenorientierung hin zur Kindzentrierung
• Unterstützung der Eltern und Intervention nur im Notfall
• Beständiges Beharren auf der Maxime der elterlichen Verantwortung, die Eltern für das Kind in die Pflicht nimmt
• Unverzügliche Aufnahme des Beratungsprozesses, der die Re-Etablierung der elterlichen Verantwortung auf der Handlungsebene zum Ziel hat
• Zusammenwirken aller Professionen, um den Eltern keine Chance zu lassen, auf Kosten ihrer gemeinsamen Verpflichtung dem Kind gegenüber Egoismen in den Vordergrund zu stellen.

Ich fordere seit vielen Jahren eine „kindzentrierte Ethik“ in der Vorgehensweise der familialen Intervention. Alle vorherigen Punkte lassen sich wohl am Besten unter diesem Begriff zusammenfassen.

Nur diejenigen, die diesen Paradigmenwechsel begreifen konnten, hatten verstanden, worum es im Grunde ging. Alle anderen verstanden die Cochemer Vorgehensweise allein als Methode, die unter Beibehaltung der alten Wertesystematik durch methodisch geschicktere Verfahrensweisen eventuelle Verbesserungen bringen könnte. Diejenigen, die in der Cochemer Vorgehensweise sofort eine Beschneidung mütterlicher Machtinteressen erkannten, boykottierten und erklärten z.B., dass das Ganze natürlich in einem Nest wie Cochem vielleicht funktionieren könnte, aber keinesfalls auf eine Stadt wie Karlsruhe übertragbar sei.

Heute ist gerade Baden-Württemberg dasjenige Bundesland, in dem das Landesjustizministerium in Kooperation mit dem Landessozialministerium schon vor Jahren Mitglieder der Professionen in zwei Fortbildungsstaffeln in allen vier Regierungsbezirken schulte und schließlich unter dem Begriff „Elternkonsens“ eine bundesweite Bewegung begründete.

Zu einem weiteren Impuls in der Propagierung neuer Denkweisen entwickeln sich seit 2012 die Bemühungen zum sogenannten „Wechselmodell“. Der darin enthaltene Paradigmenwechsel lässt sich verkürzt so zusammenfassen:

Doppelresidenz statt Einzelresidenz.

Alles weitere hierzu überlasse ich Angela Hoffmeyer, die nach mir referieren wird.

Wenn es uns gelingt, die beiden Impulse „Cochemer Vorgehensweise“ und „Paritätische Doppelresidenz“ in unserer Arbeit zu propagieren, nützen wir eine Chance zur Mitgestaltung eines gesellschaftlichen Bewusstseins, das auch in der Lage ist, dem diffus dahinter verborgenen Phantom eine neue Gestalt zu verleihen.

Wer meine Ausführungen allein als Kritik am System versteht, geht fehl.
Wir alle sind Teil dieses Systems. Wir leben immer noch in einer Demokratie, in der Systemkritik zwar erschwert wird, aber möglich ist. Youtube, Facebook und Twitter sind bei uns noch nicht abgestellt.
Natürlich haben Schwule und Lesben mehr Lobbymacht in Deutschland als Trennungseltern. Das ist faktisch nicht begründbar, aber unser System funktioniert nun mal so.
Solange wir eine Chance haben, uns mitteilen zu können, liegt es zunächst an uns, wenn wir diese Chance nicht umfassend nutzen.
Meine Kritik trifft also uns alle.
Ich fordere dazu auf, all unser Wissen und unsere Erkenntnisse in den Prozess der Weiterentwicklung unseres Systems einzubringen.
Ich verstehe diese Tagung als einen Baustein dazu.